Sie singt davon, nicht «flawless» sein zu wollen, ist in diesem Moment aber genau das: makellos. Es ist Samstagabend. Eliane Müller, Künstlername Eliane, sitzt im ausverkauften Kultur- und Kongresszentrum Thun BE in einem Tüllrock am Klavier.
Die Stimme der 27-Jährigen: engelshaft, unkompliziert. Ein Wechselspiel aus gehauchten und gepressten Tönen, irgendwo zwischen Céline Dion und Nelly Furtado. Sie wirkt erholt, als hätte sie den Tag im Spa verbracht.
Hat sie nicht. Ihre Masterarbeit frisst gerade jede freie Minute. Vom Computer gings direkt zum Soundcheck. Geschminkt hat sich Müller selbst, Mutter Edith hilft ihr backstage bei den Kleiderwechseln.
Eli, wie ihre Freunde sie nennen, ist die erfolgreichste Popsängerin der Schweiz. Vor sieben Jahren gewann sie die Castingshow «Die grössten Schweizer Talente» auf SRF 1, das erste Album landete auf Platz vier der Charts, das neuste, «Slow Motion», auf der Eins.
Müller war die einzige Schweizer Frau, die es 2017 in die Top 100 der Jahreshitparade schaffte. Im Februar gewann sie an den Swiss Music Awards die Auszeichnung als «Best Female Solo Act».
Müller nimmt jetzt am Piano Platz und begleitet sich selbst. «I Got It All» ist eine Ode an ihre Kindheit, «Dear Home» ein Liebesbrief aus der Ferne an die Gemeinde, in der sie aufwuchs: Hochdorf im Kanton Luzern. «I even miss your rain», heisst es im Refrain. Ich vermisse sogar deinen Regen. Die Leinwand im Hintergrund zeigt Kindheitsbilder in Sepia, Wasserfälle in Zeitlupe, flatternde Möwen. Es geht hier um die ganz grossen Gefühle.
Die Gesichter im Saal mit 740 bestuhlten Plätzen bleiben ernst. Hier und dort ein angedeutetes Lächeln, ein Nicken mit dem Kopf im Takt der Musik. Man kennt die Songs und raunt, wenn die sechsköpfige Begleitband einen Hit anspielt. Aber muss man deswegen gleich ausflippen? Nicht in Thun.
Die Zuschauer sind um die 60 Jahre alt, darunter ein paar Teenager, Kinder und Liebespärchen. Sie hat den Kopf auf seine Schulter gelegt. Der Saal gleicht einem Mosaik aus gefärbten und ergrauten Kurzhaarfrisuren. Wenn der Bassist mit dem Ziegenbärtchen zum Mitklatschen auffordert, machen alle mit.
Eine Fangemeinde, von der andere Künstler träumen
Die kleine Frau auf der Bühne ist eine grosse Ausnahme im Popgeschäft. Allein mit Musikveröffentlichungen und Konzerten kann sie auf eine Fanbasis zählen, die jedes Album kauft, jede Tour besucht. In der Pause stossen sogar die Fotoporträts in Form einer plastifizierten Einkaufstasche auf Nachfrage am Merchandise-Stand. Dort geht eine CD nach der anderen über den Tisch. Schon fünf Mal sei sie an einem Konzert von Eliane gewesen, sagt eine Frau. «Ich mag, dass sie eine Bodenständige ist.»
Ausserhalb der Fangemeinde sinkt der Bekanntheitsgrad rapide. «Wer tritt heute auf?», fragt eine Taxifahrerin vor dem Gebäude. «Eliane? Noch nie gehört.» Ein oft gehörter Satz bei den Vorbereitungen für ein Porträt über die grosse Unbekannte. Baschi, Sina, Stefanie Heinzmann – die Namen kennt jeder. Wie kann es sein, dass eine der wenigen Frauen in unserem Land, die mit Pop richtig Geld verdienen, einem grossen Teil der Bevölkerung kein Begriff ist?
Müller vereint typisch schweizerische Eigenschaften wie Natürlichkeit, Familiensinn und Heimatliebe. Damit fällt sie ausserhalb ihrer Zielgruppe nicht auf. Im Unterschied zu Mundartkünstlern wie Trauffer, der sich genauso heimatverbunden gibt, provozieren ihre Texte nicht. Ironie, Sex oder Sarkasmus kommen nicht vor. Dass sie Englisch singt, ist gewagt genug.
Die Melodien ihrer Balladen erinnern den Hörer an etwas, das er irgendwo schon gehört hat. Das fühlt sich an, als sei er an einen vertrauten Ort – wie Heimkommen. Die Songs entstehen in Zusammenarbeit mit Co-Produzenten, auf der Bühne funktioniert Müller auch als Alleinunterhalterin. Bereits als Schülerin gab sie mit dem Keyboard an Hochzeiten Coverversionen zum Besten.
Wenn man sie heute zum Publikum sprechen hört, klingt es noch immer so, als kündige sie das Lieblingslied des Brautpaars an. Fast flüsternd erzählt Müller, wie sie schon als kleines Kind im Altersheim für Grossmutter ein Ständchen sang. Dass immer so viele Leute ans Konzert nach Thun kämen, sei einfach nur «mega schön».
Eine Woche später sitzt sie in einem Café in Luzern. Auf einem ihrer weissen Zähne blitzt das Schmucksteinchen, das Müller bereits bei den «Grössten Schweizer Talenten» trug.
Sie wirkt etwas müde, hat gerade ein Engagement am Autosalon in Genf hinter sich, wo sie für Subaru geworben hat. «Die Autos bringen mich sicher durch den Schnee», sagt sie. Ein Porsche Cayenne würde das auch. «Der passt aber nicht zu mir.» Es stimme, dass sie typische Schweizer Eigenschaften vereine, sagt Müller. «Ich komme vom Land, mag die Idylle, die Ruhe. Ich habe aber auch schon vorübergehend in Luzern gewohnt – solange man keine Kinder hat, ist das okay.»
Andere Studenten zieht es nach Bologna oder San Francisco, Müller absolvierte ihr Kommunikationsstudium in Lugano und Blacksburg. An der Uni in der Kleinstadt im US-Bundesstaat Virginia konnte sie genau den Abschluss machen, den sie wollte. «Vielleicht zieht es mich unbewusst an Orte, die ‹ab vom Schuss› sind», sagt sie.
Popstar sucht Teilzeitjob im Gesundheitswesen
Vor einem Jahr zog sie zu ihrem Freund nach Inwil. Die Wohnung befindet sich in seinem Elternhaus oberhalb des Familienbetriebs, ihre Heimat Hochdorf ist zehn Autominuten entfernt.
Im Sommer, sagt Müller, soll die Masterarbeit fertig sein. Sie behandelt die Kommunikation im Umgang mit Hirntumorpatienten. «Mich reizt der psychologische Aspekt des Themas. Positives Denken trägt zur Heilung bei.» Danach suche sie sich vielleicht eine Teilzeitstelle im Gesundheitswesen.
Warum setzt sie nicht voll auf die Musik? Sie brauche einen Ausgleich. «Wenn ich tagsüber etwas anderes mache und weiss, dass ich abends noch zwei Stunden Klavier spielen muss, freue ich mich darauf.» Aber sie ist doch die erfolgreichste Popsängerin der Schweiz! «Ja, schon. Aber in zehn Jahren wird es mich reuen, wenn ich nichts aus dem Studium gemacht habe.» Geht es nicht auch darum, noch «etwas Richtiges» zu machen? «Musik ist etwas Richtiges. Aber ich möchte einen Abschluss haben.»
In der Schweizer Musikbranche können gemäss Schätzungen nicht mehr als zehn Künstler gut von ihrer Musik leben. Die anderen müssen sich mit Nebenjobs über Wasser halten. In ihren Ohren dürften Müllers Worte fast zynisch klingen.
Für ein Skandälchen sorgte sie in einer «Glanz & Gloria»-Talkshow. Es ging um die Untervertretung von Künstlerinnen in der Schweizer Musiklandschaft und die Frage, ob die Branche frauenfeindlich sei. «Ich kann mir vorstellen, dass manchmal Durchhaltewillen und Mut fehlen. Es braucht schon viel Biss», sagte Müller – und brachte den zweiten Gast der Show, den Blues-Gitarristen Philipp Fankhauser, kurz aus der Fassung. «Nei, Eliane!», sagte der Berner.
«Klar verdienen Frauen mehr Beachtung», sagt Müller. «Wenn man es anprangert, steht man aber schnell als Opfer da.»
Schon drei Tage Nebel schlagen aufs Gemüt
Die Opferrolle sei das Letzte, was Frauen bräuchten. «Genauso wenig wie verhätschelt zu werden. Ich will gleich behandelt werden wie ein Mann. Also zeige ich nach aussen denselben Durchhaltewillen, beisse die Zähne zusammen und beklage mich nicht.»Was mögen die Fans an ihr? «Dass ich authentisch bin», sagt Müller, «von meinen Sorgen und Ängsten erzähle.» Als schlimmstes Ereignis ihrer Kindheit bezeichnete sie in Interviews einst den Tod ihres Götti, der beim Holzen erschlagen wurde.
Was braucht es heute, damit sie sich richtig schlecht fühlt? «Drei Tage Nebel reichen», sagt Müller. Manchmal habe sie Mühe, das Leben positiv zu sehen. Dramatisch klingt das nicht. «Mag sein. Trotzdem haben viele Leute dieselben Sorgen wie ich.»
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