Gleich zweimal spielen Die Toten Hosen anlässlich ihres 40-Jahr-Jubiläums diesen Sommer in der Schweiz. Blick hat Sänger Campino zuvor getroffen und ihm 40 schnelle Fragen zu Erfolg, seinem 60. Geburtstag und die Zukunft der legendären deutschen Rockband gestellt.
1. Was hören Sie am liebsten zum Einschlafen?
Campino: Elvis Costello ist immer gut, Adele funktioniert auch. Und Reggae-Musik.
2. Wären Sie schon mal gerne eine Frau gewesen?
Ich finde Frauen richtig toll. Aber es ist gut so, wie es ist. Ich fühle mich ganz wohl in meiner Haut.
3. Bier oder Wein?
Früher hatte Bier ganz klar Priorität in meinem Leben, dann eher Wein, später Sliwowitz. Jetzt gehts langsam wieder zurück in die Weinphase.
4. Was ist Ihnen peinlich?
Auftritte in der Öffentlichkeit, die danebengehen. Mir graut vor einem offenen Hosenstall in einer Fernsehsendung.
5. Wann sind Sie am glücklichsten?
Im Stadion in Liverpool, wenn der Schiedsrichter abpfeift, und wir das Spiel gewonnen haben. Glücklich bin ich auch, wenn es mir und meinem Umfeld gut geht und ich weiss, dass alles irgendwie passt. Solche Phasen gibt es im Leben ja nicht häufig und sind auch nie von Dauer.
6. Wann haben Sie zum letzten Mal geweint?
Vor ungefähr zehn Wochen, als ich eine Nachrichtensendung schaute. Es ging um einen Arzt in einem Kiewer Krankenhaus. Plötzlich gab es einen Luftalarm, alle mussten in den Keller. Der Arzt sagte bloss: «Ich kann doch meinen Patienten hier auf der Station nicht allein lassen.» Das hat mich umgehauen. In solch schlimmen Zeiten schälen sich immer die grossen Helden heraus.
7. Ihr Lieblingsfilm?
In meinen Top Twenty sind zum Beispiel «Spiel mir das Lied vom Tod» oder «The Deer Hunter», ich mag aber auch gut erzählte Mafia-Geschichten. Die beste Serie? Wahrscheinlich die erste «Narcos»-Staffel über Pablo Escobar. Ich wurde immer traurig, als sie das ganze Koks verbrennen mussten, weil ihnen die Agenten auf der Spur waren.
8. Was können Frauen besser als Männer?
Sehr viel. Verhandeln, Deeskalation, auf wunderschöne Art aus einem Thema aussteigen, wenn es zu viel wird. Wahrscheinlich auch singen.
9. Welches Buch liegt auf Ihrem Nachttisch?
«Hast du uns endlich gefunden» von Edgar Selge. Aber es kommt nicht an «Blackbird» von Matthias Brandt heran. «Der Trafikant» von Robert Seethaler war auch ein Höhepunkt in letzter Zeit. Empfehlenswert sind sämtliche Bücher von Joachim Meyerhoff.
10. Ihr Lieblingslied der Toten Hosen?
Das wechselt. Rückblickend sind es aber oft nicht unbedingt die Lieder, welche die Fans abfeiern. «Nur zu Besuch» und «Liebeslied» bedeuten mir noch heute viel.
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11. Wann haben Sie zuletzt gebetet?
Das muss mit Fussball zu tun gehabt haben. Wenn es mal nicht so läuft, kommt mir manchmal schon ein Stossgebet über die Lippen. Danach fühle ich mich meist jämmerlich dafür, die Hilfe von oben zu ersuchen.
12. Am 22. Juni werden Sie 60 Jahre alt. Ist eine spezielle Feier geplant?
Nein. Wir spielen zwei Tage später eine riesige Show in meiner Heimat Düsseldorf. Dafür muss ich 1000 Prozent fit sein. Ich werde mich an meinem Geburtstag also nicht benebeln. Diese Party kann warten.
13. Ist 60. zu werden eine grosse Sache für Sie?
Ja, das ist schon eine harte Grenze, die man da überquert. Ist aber okay, sie hat sich lange genug angekündigt. Trete ich auf dem Fussballplatz gegen einen jüngeren Typen an, ist mir das Rentnerdasein schon länger klar. Andererseits bin ich dankbar, dass ich diese Schwelle überhaupt so wohlbehalten erreichen konnte.
14. Wann hatten Sie zum letzten Mal Liebeskummer?
Das ist, Gott sei Dank, ein paar Jahre her.
15. Was ist das Schönste an Kindern?
Dass man die Welt nochmals mit ihren Augen entdecken kann. Dass man auch im höheren Alter nochmals ein Matchbox-Auto über den Teppich schieben kann, ohne sich dafür entschuldigen zu müssen. Die Begeisterungsfähigkeit von Kindern ist herrlich ansteckend, diese vielen Wunder der Erstbegegnungen und Ersterfahrungen.
16. Wer waren Ihre besten Lehrer?
Joe Strummer war in der Musikwelt in meinen jungen Jahren eine Leuchtfackel. Heute ist jedes gute Gespräch mit einem Menschen, der Kompetenzen hat in Dingen, von denen ich nichts verstehe, lehrreich und total befriedigend.
17. Was hassen Sie?
Machtmissbrauch, Unfairness, Intrigen, Intoleranz. Wenn Leute sich zur Hilfspolizei aufschwingen und sich in Dinge einmischen, die sie nichts angehen.
18. Was berührt Sie?
Wenn ich eine alte Frau sehe, die sich mit dem Stock langsam und tapfer Schritt für Schritt nach vorne arbeitet, aber nicht einfordert, dass man auf sie achtet. Solche Beobachtungen rühren mich immer sehr.
19. Wann waren Sie das letzte Mal besoffen?
In England. Als Liverpool ein Spiel gewonnen hat, das musste gefeiert werden.
20. Ihr Rezept zum Glücklichsein?
Nicht Dinge zu wollen, die man nicht haben kann. Und den Blick immer so auf das Leben zu richten, dass einem die Zuversicht erhalten bleibt.
21. Wann sind Sie am lustigsten?
Wenn die Stimmung sorglos ist und alle im Raum gut aufgelegt sind. An solchen Abenden kann ich schon den einen oder anderen Gag vom Stapel lassen.
22. Wo ist die Welt am schönsten?
Ich bin viel herumgekommen, irgendwann habe ich erkannt, dass es Quatsch ist, Listen zu erstellen von den schönsten Ländern, Städten oder Gegenden. Diese Welt bietet eine unglaubliche Vielfalt. Ich liebe Düsseldorf, was angenehm ist, denn ich halte mich verdammt oft dort auf. Ich liebe Cornwall (Grossbritannien), ich liebe die Menschen in Argentinien ...
23. Ihr Lebensmotto?
«Keep Calm and Carry On», Ruhe bewahren und weitermachen.
24. Ihr Erfolgsrezept?
Es war ein Riesenglück, dass ich mich nie verstellen musste in dem, was ich tat. Ich konnte immer intuitiv handeln, musste auch nie etwas verstecken. Ich bin privat sehr deckungsgleich mit der Person, die die Öffentlichkeit kennt. Das macht das Leben einfacher. Ausserdem bin ich ein Teamspieler. Man kann sich bei mir 100-prozentiger Loyalität sicher sein. Dasselbe fordere ich aber auch von meinen Leuten. Im Kollektiv erreicht man mehr.
25. Ihr grösster Flop?
Da habe ich einiges anzubieten. Meinen ersten Radiojob war ich schnell wieder los. Auch mit der Schauspielschule klappte es nicht. Was okay war: Ich finde nichts Schlimmeres als Castings, und zwar ganz generell, wenn man sich bewerben und eine Absage in Kauf nehmen muss. Furchtbar. Ich bin auch fast aus meiner ersten Band geflogen und durfte nur bleiben, weil kein Ersatz gefunden werden konnte. Meine Musikkarriere wäre also zu Ende gewesen, bevor sie überhaupt angefangen hat. Das hing am seidenen Faden.
26. Ihre grösste Errungenschaft?
Einen tollen Sohn und eine tolle Frau zu haben. Und: Fünf Champions-League-Endspiele mit Liverpool live vor Ort erlebt zu haben.
27. Ihre verrückteste Reise?
Unvergleichlich war ein Abenteuer mit ein paar Indigenen in Südamerika. Wir ritten in zwölf Tagen von Chile über die Anden nach Argentinien und zurück. Was für ein spektakulärer Trip, auch wenn ich die ganze Zeit Durchfall hatte.
28. Wann haben Sie zum letzten Mal Drogen genommen?
Vor zehn Jahren, es ist also verjährt.
29. Gibt es ein Leben nach dem Tod?
Ich glaube, dass unsere Aura und unser Geist länger leben als unsere Körper. Ich glaube an Fügung und Spuren. Letztendlich sind wir alle eine Spur unserer Eltern, also sind sie auch immer noch da. Solange wir an sie denken, existieren ihre moralischen Wertvorstellungen auch noch. In solcher Form gibt es also ein Leben nach dem Tod.
30. Das schönste Kompliment, das man Ihnen machen kann?
Wenn Leute sagen, dass einige meiner Lieder sie berührt oder ihnen während einer schwierigen Zeit geholfen haben.
31. Ihre Schwäche?
Ungeduldig zu sein, auch Menschen gegenüber. Ich kann manchmal ganz schön hart sein und auch übers Ziel hinausschiessen.
Andreas Frege alias Campino wurde 1962 als Sohn eines Richters und einer aus England stammenden Lehrerin in Düsseldorf (D) geboren. Sein Bühnendebüt gab er 1970 als 16-Jähriger. 1982 gründete Campino die deutsche Punkrock-Band Die Toten Hosen. Zu ihren grössten Hits gehören «Tage wie diese» (2012), «Alles aus Liebe» (1993) und «Hier kommt Alex» (1988). Campino ist seit 2019 verheiratet und hat aus einer früheren Beziehung einen 18-jährigen Sohn. Von 2013 bis 2014 war er mit Ex-Miss-Schweiz Melanie Winiger (43) liiert. Seine grösste Leidenschaft gehört dem FC Liverpool.
Andreas Frege alias Campino wurde 1962 als Sohn eines Richters und einer aus England stammenden Lehrerin in Düsseldorf (D) geboren. Sein Bühnendebüt gab er 1970 als 16-Jähriger. 1982 gründete Campino die deutsche Punkrock-Band Die Toten Hosen. Zu ihren grössten Hits gehören «Tage wie diese» (2012), «Alles aus Liebe» (1993) und «Hier kommt Alex» (1988). Campino ist seit 2019 verheiratet und hat aus einer früheren Beziehung einen 18-jährigen Sohn. Von 2013 bis 2014 war er mit Ex-Miss-Schweiz Melanie Winiger (43) liiert. Seine grösste Leidenschaft gehört dem FC Liverpool.
32. Ihre Stärke?
Ich habe kein Problem, mich zu entschuldigen. Ich sehe ein, wenn ich Scheisse gebaut habe. Ich habe keinen sturen Kopf, auch wenn alle Menschen in meinem engeren Umfeld das anders sehen (lacht).
33. Auf was sind Sie stolz?
Dieses Gefühl ist bei mir überhaupt nicht ausgeprägt. Ich bin auch nicht stolz, was meine Karriere betrifft. Vieles geschah ja intuitiv, wir sind meist unserem Bauchgefühl gefolgt, haben nur selten auf irgendwelche Strategien gesetzt. Wir Menschen werden in unseren Entscheidungen ohnehin häufiger als wir glauben vom Unterbewusstsein gesteuert.
34. Warum wollen Sie nicht mehr 20 sein?
Weil das in die Abteilung der Sachen gehört, die man einmal mit Karacho mitnimmt, dann ist aber auch gut. Es gibt nie alles im Leben, sondern man muss sich ständig zwischen zwei Optionen entscheiden. Da ich die 20 schon hatte, bin ich neugieriger darauf, was jetzt mit meinen 60ern kommt.
35. Welche Phase war Ihre liebste?
Besonders bereichernd fand ich die Jahre zwischen 35 und 45, weil ich mich in jede Richtung bewegen konnte. Ich konnte mit 20-Jährigen abhängen, die mich als einen älteren Bruder wahrnahmen und noch nicht als Instanz der Vernunft. Andererseits konnte ich Freundschaften pflegen mit 50- oder 60-Jährigen und die nahmen mich für voll. Das führte dazu, dass ich mich viel mehr öffnete als in meiner Jugend und deshalb weitsichtiger und auch reflektierter wurde.
36. Wie lange gibt es die Toten Hosen noch?
Ich hoffe erst einmal, dass wir bis zum Tour-Ende im Oktober durchhalten. Danach schauen wir weiter. Die Zukunft liegt im Nebel.
37. Ihr letzter Luxuskauf?
Wahrscheinlich eine Flasche Champagner, als es mal was zu feiern gab. Dabei ging es aber eher um die Geste, nicht um den Inhalt der Flasche. Ich komme aus der Punkszene, das hat mich davor bewahrt, anfällig für Luxus zu werden. Ich erkenne zwar einen schönen Jaguar, muss selbst aber kein solches Auto besitzen, um glücklich zu sein. Ich will nicht mehr auffallen als nötig, das kann bisweilen ja auch nerven. Mir macht es mehr Spass, in der Masse unterzugehen.
38. Ihr Fitnessgeheimnis?
Ich bin gerne draussen in der Natur. Ich spiele Fussball. Als Vorbereitung einer Tournee gehe ich öfter laufen und mache Übungen. Aber es ist nicht so, dass mir das Freude bereitet. Im Gegenteil.
39. Hatten Sie je einen Plan B?
Nein. Ich könnte nicht sagen, was aus mir geworden wäre, wenn ich nicht bei den Toten Hosen gelandet wäre. Es gibt vieles, was ich gut finde, aber ich bezweifle, dass ich dafür auch Talent gehabt hätte.
40. Die beste Lektion aus 40 Jahren Tote Hosen?
Wenn du dich dazu entschliesst, eine Band zu gründen, wähle immer den besseren Freund und nicht den besseren Musiker als Mitstreiter. Das mit der Musik wird sich schon irgendwann ergeben, das mit der Freundschaft nicht unbedingt.
Die Toten Hosen treten am 17. Juli im Stadion Letzigrund in Zürich und am 20. Juli am Moon & Stars in Locarno TI auf. Tickets gibts bei Ticketcorner.