Dave Gahan spricht über Andrew Fletchers Tod
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Musikband Depeche Mode:Dave Gahan spricht über Andrew Fletchers Tod

Dave Gahan von Depeche Mode zum Tod von Bandkollege Andrew Fletcher
«Wir sprachen übers Schlussmachen»

Dave Gahan hat vor kurzem seinen langjährigen Bandkollegen Andrew Fletcher verloren. Die Zukunft von Depeche stand auf der Kippe. Der Sänger erklärt, warum die Band sich fürs Weitermachen entschieden haben.
Publiziert: 09.10.2022 um 01:14 Uhr
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Dave Gahan wird mit Depeche Mode am 11. Juni im Wankdorf-Stadion in Bern auftreten. Tickets sind ab sofort erhältlich.
Foto: Sergione Infuso - Corbis
Interview: Dominik Hug

Entspannt sitzt Dave Gahan (60) hinter der Bühne des Berliner Ensembles, einem legendären Theater, das einst der Dramatiker Bertolt Brecht (1898–1956) gegründet hat. Der Sänger von Depeche Mode trägt ein dunkles Sakko, um seinen Hals baumelt ein silbernes Amulett, an den Fingern trägt er vier Ringe. Der Tod seines Bandkollegen Andrew Fletcher (†60) hat ihn sichtlich getroffen. Depeche Mode aufgeben ist für Martin Gore (61) und ihn aber kein Thema. Keines mehr.

SonntagsBlick: Herr Gahan, Sie haben diese Woche bekannt gegeben, dass Sie Depeche Mode auch ohne Andrew Fletcher am Leben behalten. Ein schwieriger Entschluss?
Dave Gahan: Ja. Andrew hat uns über 40 Jahre begleitet. Nach so langer Zeit ist man wie eine Familie. Dann stirbt er so unerwartet. Das war ein grosser Schock. Plötzlich waren Martin und ich allein. Und wir konnten uns nicht einmal verabschieden von unserem Freund. Wir sprachen darüber, Schluss zu machen mit Depeche Mode.

Und dann?
Durch die Trauer rückten Martin und ich viel näher zusammen. Sie hat uns vereint. In der Vergangenheit waren wir ja nicht die besten Kumpels. Und wir haben auch Freude bekommen, nur zu zweit Musik zu machen. Die meisten Songs des neuen Albums standen schon in ihren Grundzügen, als Andrew starb, er hat also daran mit gearbeitet. Diese Songs nicht zu veröffentlichen, wäre ihm gegenüber nicht respektvoll gewesen.

Das Album erscheint erst 2023. Trotzdem haben Sie den Titel schon verraten: «Memento Mori». Das bedeutet in Latein etwa so viel wie «Sei dir deiner Sterblichkeit bewusst». Warum haben Sie die Platte so getauft?
Das ist bereits länger eines meiner Mottos. Ich selber bin ja bekanntlich schon mehrfach fast gestorben. Deswegen bin ich mir meiner eigenen Sterblichkeit sehr wohl bewusst. Ich weiss haargenau, das Leben ist sehr flüchtig. Ich finde den Titel aber auch positiv, da er daran erinnert, dass man jeden Tag auf dieser Erde sinnvoll nutzen sollte.

Sie sind kürzlich 60 geworden, die Band existiert bereits 42 Jahre. Haben Sie damit gerechnet, so lange mit Depeche Mode unterwegs zu sein?
Nein. Wir dachten auch früher oft nur von Platte zu Platte. Aber heute frage ich mich tatsächlich immer öfter, wie lange ich das noch machen möchte. Ich habe weiterhin grossen Spass, an diesem verrückten Spiel teilzunehmen. Der Corona-Lockdown zeigte mir aber, dass es durchaus auch erfüllend sein kann, ein geregeltes Leben zu Hause zu führen, statt ständig in der Welt herumzureisen. Veröffentlichen wir mit Depeche Mode eine Platte, gehen wir danach jeweils auf Tournee. Dieser ganze Prozess dauert meist drei, vier Jahre. Das ist eine lange Zeit. Und Zeit wird immer kostbarer, je älter man wird.

Persönlich: Dave Gahan

Die Eltern von Dave Gahan (60) trennten sich kurz nach seiner Geburt, zu seinem Vater hatte er nie Kontakt. Als Teenager stahl er Autos, die er verkaufte, um die Familie finanziell zu unterstützen – und landete im Jugendknast. Mit 18 schloss sich Gahan der Gruppe Depeche Mode an und wurde mit über 100 Millionen verkauften Alben zu einem der erfolgreichsten Musiker aller Zeiten. 1993 erlitt er einen Herzinfarkt und galt als klinisch tot. 1995 scheiterte ein Suizidversuch im Drogenrausch. Inzwischen ist Gahan clean, hat drei Kinder und lebt mit seiner dritten Frau Jennifer in New York.

Die Eltern von Dave Gahan (60) trennten sich kurz nach seiner Geburt, zu seinem Vater hatte er nie Kontakt. Als Teenager stahl er Autos, die er verkaufte, um die Familie finanziell zu unterstützen – und landete im Jugendknast. Mit 18 schloss sich Gahan der Gruppe Depeche Mode an und wurde mit über 100 Millionen verkauften Alben zu einem der erfolgreichsten Musiker aller Zeiten. 1993 erlitt er einen Herzinfarkt und galt als klinisch tot. 1995 scheiterte ein Suizidversuch im Drogenrausch. Inzwischen ist Gahan clean, hat drei Kinder und lebt mit seiner dritten Frau Jennifer in New York.

Man könnte diese Zeit auch geruhsamer verbringen.
Genau. Wobei ich mir das Leben noch nie einfach gemacht habe. Ich wählte so oft den anstrengenderen Weg, auch den selbstzerstörerischeren. Das liegt einfach in meiner Natur. Das Bedürfnis nach etwas mehr Stabilität, Harmonie und Ordnung ist heute aber sicher stärker vorhanden.

Wie gehen Sie generell mit dem Alter um?
Ziemlich positiv. Ich bin vernünftiger, vieles erscheint mir klarer als früher. Die Dinge, die mir heute am Herzen liegen, sind weniger geworden. Und das vereinfacht das Leben. Man ärgert sich nicht mehr über Kleinigkeiten, weil man sich überhaupt weniger mit Kleinigkeiten abgibt. Man weiss besser, was man will und wichtiger: Man weiss besser, was und wen man nicht mehr haben will im Leben. Man ist fokussierter – das ist überaus angenehm.

Was ist Ihre grösste Herausforderung heute?
Wohl dieselbe wie für alle Menschen: glücklich zu sein. Wir werden konstant bombardiert mit so viel Negativität, auch durch die sozialen Medien, dass es immer schwierig wird, das Schöne am Leben wahrzunehmen und so das Glück zu finden.

Wo finden Sie das Glück?
Indem ich mich zurückziehe, indem ich die Welt draussen lasse, den Fernseher ausschalte, das Handy abstelle, dafür ein Buch zur Hand nehme oder eine schöne Platte auflege. Indem ich möglichst viel Zeit mit mir selber oder meiner Familie verbringe, beispielsweise mit meinem Sohn Jimmy ein Basketballspiel besuche oder mit Freunden einen Spaziergang zu Jeffs Pizzaladen mache, um dort einen gemütlichen Abend zu verbringen. Das ist für mich Glück.

Worauf sind Sie am meisten stolz?
Darauf, dass ich ein relativ guter Vater bin, behaupten jedenfalls meine Kinder. Und darauf, dass ich mich auch als Ehemann recht passabel geschlagen habe bisher. Eine Familie aufrechtzuerhalten, ist nicht einfach in einem Geschäft, zu dessen Merkmalen es gehört, manchmal monatelang nicht zu Hause zu sein.

Haben Sie noch Träume?
Oh ja. Ich würde gerne mal mit Haien tauchen. An der Küste von Südafrika in einem dieser Käfige unter Wasser gehen, während rundherum ein paar grosse Weisse schwimmen. Das stelle ich mir sehr spektakulär vor. Aber erzählen Sie bitte meiner Frau nichts von diesem Traum (lacht).


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