Das Problem der überirdisch anmutenden Klänge: Die Instrumente schmelzen mit zunehmender Spieldauer dahin. Für Kälteempfindliche ist der Veranstaltungsort des Festivals 195 Kilometer westlich von Oslo eher ungeeignet. Es ist keine leichte Aufgabe, «auf Instrumenten zu spielen, die zerfliessen, während man darauf spielt», sagt Percussionist und Festivalgründer Terje Isungset.
In einem komplett aus Eis gebauten Iglu bläst er warme Luft in sein Eis-Horn, das zwischen den dicken Wollhandschuhen blau und türkis leuchtet. Neben ihm versucht die Sängerin mit einem Schal, ihren Mund vor der klirrenden Kälte zu schützen. Und der Bassist muss erst seine Handschuhe ausziehen, um seine Saiten zupfen zu können.
Dutzende Zuschauer sitzen in der Nacht vom 2. auf den 3. Februar hier auf Schneebänken und schützen sich gegen die eisige Kälte. Zu fortgeschrittener Stunde bläst ein Musiker in ein langes Eis-Blasinstrument in Form eines Didgeridoos und lässt das ganze Iglu vibrieren.
«Es ist ein schmaler Grat zwischen Kunst und Wahnsinn», sagt das britische Crewmitglied Emile Holba lachend. «Es kann viel schiefgehen, Instrumente können zerbrechen... aber das Publikum liebt die Reinheit.»
Früher fand das Festival in Geilo statt, einem Skigebiet in der zentralen Gebirgsregion von Norwegen. Doch nach Angaben der Organisatoren wurde das Wetter milder, was den Bau der Konzerthalle aus Eis erschwerte und die Instrumente schneller schmelzen liess. «In diesem Winter war das Eis richtig matschig und schwierig zu verarbeiten», sagt Isungset. «So ein Eis habe ich zum ersten Mal gesehen.»
Auf der Suche nach garantiert eisigen Temperaturen zog das Festival weiter nach Westen, 30 Minuten Zugfahrt von Geilo entfernt. Umgeben von Bergen und Gletschern entstanden hier die Szenen des Schneeplaneten Hoth für den Star Wars-Film «Das Imperium schlägt zurück».
Das Dorf war zudem Basislager des Antarktis-Expeditionstrainings des britischen Entdeckers Ernest Shackleton (1874-1922) und seines norwegischen Kollegen Fridtjof Nansen (1861-1930). «Es ist irgendwie nicht von dieser Welt... da ist Magie drin», schwärmt Holba.
Die Vorbereitung des Festivals ist keine leichte Aufgabe. Eine Woche brauchten die Organisatoren für den Bau des Iglus. Das Eis musste von einem mehr als 20-köpfigen Team in grossen Stücken aus einem nahe gelegenen See geschnitten werden, die Instrumente wurden von den Musikern selbst mithilfe von Kettensägen, Hämmern und Meisseln modelliert.
«Es ist nur Musik - und der Versuch, etwas aus fast nichts zu schaffen», erklärt Isungset. Und nach dem Festival sickert das Eis der Instrumente zurück in die Erde. Nur die besterhaltenen werden in einem Gefrierschrank aufbewahrt, damit sie die eisige Festivalnacht auch im nächsten Jahr wieder mit engelsgleicher Musik erfüllen können.
Verfasserin: Ilgin Karlidag, AFP