Uraufführungen sind in der klassischen Musik selten. Doch jetzt steht wieder einmal ein solches Ereignis an: Im Zürcher Opernhaus inszeniert der Chef Andreas Homoki (58) persönlich «Lunea», die zweite Oper des Schweizer Komponisten Heinz Holliger (78), eines der bedeutendsten zeitgenössischen Komponisten der Welt.
Das Stück ist ein bisschen sperrig, aber unheimlich dramatisch. Im Mittelpunkt steht der romantische Dichter Nikolaus Lenau aus dem 19. Jahrhundert, der viele Frauen liebte – vor allem aber eine: Sophie von Löwenthal, die Frau seines besten Freundes Max! Mit ihr hatte er eine kaum versteckte Langzeitaffäre und führte einen verrückten doppelten Briefwechsel. Nikolaus schickte Sophie offizielle Briefe mit allgemeinen Betrachtungen über sich und das Leben, die sie wie damals üblich im Freundeskreis vorlas. Und heimlich liess er ihr anzügliche Liebesbriefe zukommen – die sie für sich behielt!
Trotzdem, der Frauenheld zerbrach an seinen vielen Leidenschaften. Er erlitt einen Schlaganfall, fiel in geistige Umnachtung und starb in einer Irrenanstalt in Wien. Auslöser war wahrscheinlich die Geschlechtskrankheit Syphilis, die damals noch nicht heilbar war. Vermutlich hatte er sich als 19-Jähriger bei einer seiner ersten Geliebten angesteckt, der unehelichen Tochter einer Haushälterin der Familie. In der damaligen Zeit kam das recht häufig vor.
Der Musiker Holliger hat nun Texte des ebenso visionären wie verrückten Dichters mit Tönen versehen. Und Opernchef Homoki bringts auf die Bühne. Ist er zufrieden? «Es ist schon schwierig, wenn ich die Bilder, die ich im Kopf hatte, nicht auf der Bühne sehe», gibt er im Gespräch mit BLICK zu. Trotzdem ist er zufrieden: «Andreas Homoki holt meine Träumereien auf den Boden.»
Wie das geht, zeigt sich auf der Bühne. «Du musst das kleiner spielen, sonst hast du keinen Platz», sagt Opernhausdirektor Andreas Homoki (58) zu Lenau-Darsteller Christian Gerhaher (48) und zeigt, was er meint. Dann ruft er «nochmals». Bariton Gerhaher legt sich ins Zeug, bewegt sich spärlicher, kompakter. «Gut gemacht», lobt Homoki. Er ist ein Perfektionist. Nicht wegen der Kritiker, die bei der Uraufführung ganz genau hinsehen werden, sondern weil er es so will. «Eine gute Kritik hilft mir nicht, wenn ich selber nicht zufrieden bin», erklärt er. Die Stunde der Wahrheit schlägt bei der Uraufführung am nächsten Sonntag.