Blick: Sie haben sich dafür ausgesprochen, dass die Musikindustrie mehr Frauen an Festivals braucht. Gib es einen bestimmten Moment, in dem Ihnen das auffiel?
Amy Macdonald: Ja, den gibt es. Jemand hat in den sozialen Medien die grossen Festivalplakate genommen und dort alle männlichen Künstler entfernt. Übrig blieb ein Blatt Papier, auf dem vielleicht drei Namen standen. Frauen machen mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus. Und trotzdem gibt es da ein Festival mit Hunderten von Künstlern und nur drei davon sind Frauen.
Haben Sie auch schon persönliche Erfahrungen bezüglich dieser Thematik gemacht?
Als Frau muss man sich in der Musikwelt wirklich sehr anstrengen, man muss aussergewöhnlich sein und sich mehr beweisen als die männlichen Kollegen. Das habe ich auch schon feststellen müssen. Man hat mich in Schubladen gesteckt, mir gesagt, ich könne niemals als Headliner auf die grosse Bühne gehen. Dagegen muss man sich sehr wehren.
Sie erwähnen, dass sich Frauen mehr anstrengen müssen als Männer, um herauszustechen. Führt das zwangsläufig dazu, dass die Künstlerinnen einen Druck verspüren, in Musikvideos oder bei Bühnenshows mehr nackte Haut zu zeigen?
Ja, ich glaube, es gibt viele Frauen, die so fühlen, auch ich selbst manchmal. Allerdings würde ich niemals im Bikini oder in Hotpants auf der Bühne zu sehen sein. Dass einige sich dazu gezwungen fühlen, finde ich ziemlich traurig.
Haben Sie bereits Erfahrungen mit den Medien gemacht, die Sie in gewisser Weise klischeehaft zu inszenieren versuchten?
Ich werde immer wieder gefragt, wann ich mir vorstellen könnte, ein Baby zu bekommen. Meine männlichen Kollegen müssen solche Fragen nicht beantworten. Sobald wir Darstellerinnen ein unvorteilhaftes Bild ins Netz stellen, wird sofort über eine mögliche Schwangerschaft gemunkelt. Ich antworte dann jeweils, dass es ein Hamburger zu viel war.
Lassen Sie uns zurück aufs Thema Festivals kommen. Inwiefern können die Medien dabei helfen, dass Frauen bei solchen Events präsenter sind?
Man sollte mehr über sie berichten. Ich glaube, alleine dass die Leute darüber reden, das hilft ungemein. Es gibt so viele tolle Künstlerinnen, die eine gewisse Präsenz in den Medien verdient hätten. Ich schaue mir immer noch Festivalprogramme an und ärgere mich, wenn ich sehe, dass da kaum Frauen dabei sind. Demnächst spiele ich an Festivals, wo ich die Anzahl Künstlerinnen wirklich an einer Hand abzählen kann.
Denken Sie, Männer verkaufen einfach mehr Tickets?
Wahrscheinlich nicht. Ich denke, es gibt einfach mehr von ihnen. Sie machen 80 Prozent bei den grossen Labels aus. Also werden sie offensichtlich ein bisschen besser berücksichtigt. Ich denke, wenn wir anfangen, dies zu ändern, hätten wir schon einiges erreicht.
Einen grossen Bekanntheitsgrad zu erreichen, ist als Frau also wesentlich schwieriger als bei den männlichen Kollegen …
Meiner Meinung nach müssen mehr Startmöglichkeiten für Künstlerinnen geschaffen werden. Frauen sollten in der Lage sein, Rockbands beizutreten und Dinge zu tun, die nicht weiblich sind. Nur so erreichen wir die nächste Stufe, auf der wir wirklich sein sollten.
Wie erleben Sie das Thema Sexismus im Umgang mit Plattenfirmen oder mit Leuten aus der Industrie?
Es ist definitiv besser geworden. Vor allem nach der «MeToo»-Kampagne war das der Fall. Die Leute fingen an, darüber nachzudenken. Dennoch ist es immer noch eine extrem männerdominierte Branche. Bei den meisten Labels haben nur Männer das Sagen – das ändert sich langsam aber sicher. Ich persönlich versuche, immer sicherzustellen, dass ich so viele Frauen wie möglich in meinem Team habe.
Weil Frauen Sie und Ihre Stimmung besser verstehen, was bei einem Mann vielleicht nicht der Fall wäre?
Nicht unbedingt, nein. Ich habe das grosse Glück, nur tolle Leute um mich herum zu haben, Männer sowie Frauen. Nur würde ich mir wünschen, dass mehr Frauen in der Musikindustrie tätig und sichtbar wären, denn das inspiriert die nächste Generation.
Abschliessend, was ist Ihr Rat für jüngere oder aufstrebende Künstlerinnen?
Das ist schwierig. Junge Künstlerinnen suchen meist verzweifelt nach dem grossen Durchbruch. Ich denke, man sollte einfach seinem Instinkt vertrauen. Wenn sich etwas nicht richtig anfühlt, dann ist es nicht richtig. Und wenn dich jemand nicht so haben will, wie du bist, dann ist er es nicht wert.