Abschiedstouren, die nicht mehr enden
The Show 
must go on!

Kaum ein Star, der heute eine Abschiedstournee ankündet, hört auch wirklich auf. Wie geschmiert läuft das Marketing­konzept – auch 
dieses Jahr in der Schweiz.
Publiziert: 07.01.2019 um 22:19 Uhr
|
Aktualisiert: 20.02.2019 um 16:32 Uhr
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Es gibt einen Trend bei den bekannten Bands dieser Welt: Abschiedstouren, die nicht mehr aufhören. Dieses Jahr blasen mehr grosse Namen denn je zum finalen Halali.
Foto: Getty Images
Lukas Rüttimann

Er mag einst einer Fledermaus den Kopf abgebissen haben, aber wenigstens ist Ozzy Osbourne eine ehrliche Haut. Er habe ­eigentlich keine Lust aufzuhören, sagte er bei der Ankündigung seiner aktuellen Tour. Aber: «Wenn man im Rock-Zirkus ein gewisses Alter erreicht, denken die Leute ­automatisch: Du musst unbedingt kommen, danach wird er nie mehr live auftreten.» Deshalb sei das jetzt ­seine Abschiedstournee. Dass er später wieder Konzerte spielt, könne aber trotzdem gut sein. Ohnehin ist Ozzy in Sachen Abschied ein Fachmann. Schon 1992 wollte er mit der «No More Tours»-Tour aufhören. Drei Jahre später machte er unter dem Motto «Retirement Sucks» (Rente ist Scheisse) weiter. Seine aktuelle Konzertreihe läuft deshalb unter dem Titel «No More Tours 2», mit der er am 27. Februar im Zürcher Hallenstadion gastiert.

Wiederholungstäter unter
den Stars gibt es zuhauf

Im Vorprogramm ist bei diesem Konzert eine Band zu sehen, deren Abschiedsdrohungen auch schon länger keiner mehr ernst nimmt. 2011 gingen Judas Priest auf letzte grosse Tour. Doch schon seit 2015 spielen Rob Halford und Co. wieder regelmässig auf der ganzen Welt.

Ein Einzelfall sind die Metal-­Legenden indes nicht. Denn ­Abschiedsversprechen sind heute so viel wert wie die ausgelutschte PR-Behauptung, das neue ­Album sei das beste. Bereits 1984 beschworen Status Quo die «End of the Road», nur um zwei Jahre später weiterzurocken. US-Popstar Cher befindet sich immerhin seit 2002 auf letzter Tournee. Im Oktober wird sie mit Abba-Songs dennoch wieder in Zürich zu sehen sein. Wiederholungstäter sind auch die Scorpions (verabschiedeten sich 2010 mit «The Final Sting»), Kiss (wollten 2000 aufhören) oder Howard Carpendale (lud 2003 zu «Das Finale» ein). Kein Wunder nehmen es viele Fans inzwischen mit Misstrauen auf, wenn sich eine Gruppe mit ihrer letzten Tournee ankündigt. Noch besser wäre, sie nähmen es mit Humor.

Ein Marketingkonzept in
 einem hart umkämpften Markt

Für Gelassenheit plädiert Stefan Matthey, Geschäftsführer des Konzertveranstalters Good News (u. a. Kiss, ­Krokus). Man solle das Getöse um Farewell-Touren nicht allzu ernst nehmen, sagt er. Bis zu einem gewissen Grad handle es sich dabei um ein Marketingkonzept. Wie in der Plattenindustrie müssten sich Bands auf dem Live-Markt immer wieder Neues einfallen lassen: «Erst gabs Best-Ofs, dann Live-­Alben, dann Re-Releases – ähnlich funktioniert das bei Touren.»

Dahinter steckt purer Pragmatismus: Weil Bands heute kaum mehr Geld mit Plattenverkäufen verdienen, ist der Live-Markt härter umkämpft denn je. Selbst gestandene Acts füllen nicht einfach jede Halle, der Sättigungsgrad im Publikum ist gross. Kein Wunder, wenn heutzutage selbst Superstars im Halbjahrestakt in der gleichen Gegend auftreten. ­Gefragt sind deshalb Ideen. Die Live-Aufführungen von legendären Alben am Stück – etwa Metallicas «Ride the Lightning» oder Bad ­Religions «Suffer» – haben sich als nostalgische Zugpferde bewährt. Genau wie Farewell-Shows. Denn laufen tun letzte Tourneen, Wortbruch hin oder her.

Dieses Jahr blasen mehr grosse Namen denn je zum ­finalen Halali. Elton John verabschiedet sich mit seiner «Farewell Yellow Brick Road»-Tour, seine ­beiden Konzerte am Montreux Jazz Festival sind bereits ausverkauft. Auch Heinos letzte Show in Zürich dürfte bald voll sein, und die Konzerte der Ersten Allgemeinen Verunsicherung mussten in Österreich sogar in grössere Hallen verlegt werden. Sehr zum Unmut ihrer Fans, die nun ein Stadionkonzert statt einem Abschied im intimen Rahmen erleben – und fürs Ticket auch noch mehr bezahlen müssen.
Auch die amerikanischen Thrash-Metal-Helden von Slayer kommen 2019 noch einmal für ein letztes grosses Konzert nach Genf. Und das, obwohl sie erst im November in Zürich eine ausverkaufte und umjubelte Show ihrer «Abschiedstournee» gespielt haben.

Bei der Ankündigung dieser ­Farewell-Gigs innerhalb kurzer Zeit sei ­sicher nicht alles optimal gelaufen, gibt Matthey zu. Im Grossen und Ganzen würden sich die Proteste beim Publikum aber im Rahmen halten, so der Veranstalter. Man habe sich mittlerweile ­daran gewöhnt, dass das Ende nicht bei allen Schluss bedeutet.

Die Gesundheit entscheidet 
über das letzte Konzert

Tatsächlich machen sich einige Bands sogar einen Spass daraus, mit ihrem vermeintlichen Finale zu kokettieren. Sieben Jahre nach seinem offiziellen Rückzug aus dem Musikbusiness spielt etwa Phil Collins unter dem selbstironischen Motto «Still Not Dead Yet Live» am 18. Juni im Zürcher ­Letzigrund. Die US-Metaller Manowar verkündeten unlängst den ­«Final Battle», doch wann diese letzte Schlacht genau endet, wissen nur Kriegsgott Odin und Bandchef Joey DeMaio. Und die Hardrock-Legenden von Deep Purple befinden sich seit geraumer Zeit auf ihrer frei interpretierbaren «The Long Goodbye»-Tour, mit der sie im Februar auch wieder in der Schweiz (Z7 Pratteln) haltmachen.

Nur lustig ist das alles aber nicht. Bei vielen Acts ist die letzte Tour nicht Marketingstrategie, sondern eine Frage der Gesundheit. So ­absolvierte der herzkranke Italo-­Barde Al Bano Ende Dezember ­einen als «weltweit letztes Konzert» angekündigten Auftritt. Doch der 75-Jährige erholte sich seit der ­Ankündigung besser als erwartet und schliesst nun neue Konzerte mit Romina Power nicht mehr aus. Auch bei Ozzy Osbourne, Joan Baez, den Rolling Stones und vielen anderen Ü70-Legenden gilt die Devise: Wir spielen, solange wir noch eine ­Gitarre in den Händen halten können. Das Wissen, verdiente Helden noch einmal live ­sehen zu können, sei für Fans beim Ticketkauf entscheidend, sagt auch Stefan Matthey. Wenn diese Bands dank guter Gesundheit dann noch einmal eine Runde anhängen, sei ihnen selten jemand böse.

Neue Bandmitglieder können
 einen frischen Schub auslösen

Kommt hinzu, dass altgediente Acts manchmal unverhofft einen dritten Frühling erleben. Die Scorpions etwa galten als besonders dreiste Abschiedsankündiger. Doch nach dem Zuzug des ehemaligen Motörhead-Drummers Mikkey Dee erlebte das deutsche Hardrock-Flaggschiff ein unerwartetes Revival. Mit neuer Spielfreude haben die Scorpions nun wieder Spass auf der Bühne – und ihre Fans profitieren davon. Auch bei Judas Priest liess der jüngere Gitarrist Richie Faulkner so viel frisches Öl in die rostige Metal-Maschinerie fliessen, dass die Band Jahre nach ihrem geplanten Ende nicht nur tolle Live-Shows spielt, sondern mit «Firepower» auch eines der besten Genre-Alben des vergangenen Jahres aufnahm.

Freilich gibt es auch Beispiele, die unter das Kapitel unnötig bis ­ärgerlich ­fallen. Dass etwa Status Quo nach dem Tod von Bandchef Rick Parfitt auch dieses Jahr wieder Gig an Gig reihen, darüber darf man geteilter Meinung sein. ­Applaus gibts dafür für die Konsequenz von Krokus, die ihr aller­letztes Bandkonzert vertraglich fest­nageln liessen. Ein Versprechen, das die US-Rocker Mötley Crüe so schon 2015 machten – und das sie, will man den Gerüchten glauben, 2020 mit ihrer Reunions-Tournee brechen dürften.

Interview mit Stefan Matthey, Geschäftsführer Good News

Stefan Matthey, Abschieds­touren sind der Renner ­unter den Konzerten. Wie stehen Sie dazu?
Ich weiss nicht recht, was ich davon halten soll. Ich sehe die ganze Sache inzwischen mit ­einem gewissen Humor. Aber es ist nun mal so: Selbst grosse Bands müssen sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen und sich neu erfinden. Momentan sind es solche ­Farewell-Touren. Man sollte das nicht so eng sehen.

Farewell als Geschäfts­modell – laufen solche Tourneen besser als andere?
Man merkt man schon, wenn eine Band ihren Abschied ­ankündigt. Kiss zum Beispiel läuft super. Slayer kürzlich waren auch massiv, obwohl sie 2019 jetzt doch noch einmal nach Genf kommen. Aber man muss sehen: Solche T­ouren können sich nur gestandene Acts erlauben. ­
Da ist man oft einfach froh, dass man sie noch einmal ­sehen kann. Obs das letzte Mal ist oder das zweitletzte Mal, ­ist nicht das Wichtigste.

Werden Fans sauer, wenn solche Abschiedsversprechen gebrochen werden?
Das gibt es sicher, aber im Verhältnis eher selten. Wie lange eine Tour dauert, entscheidet aber immer der Künstler. Da können wir als Veranstalter wenig machen.

Riskieren Bands ihren guten Ruf, wenn sie die Fans auf diese Weise täuschen?
Ich glaube, man hat sich an die Spielerei mit Abschiedstouren ­gewöhnt. Mir ist keine Band bekannt, die deswegen Fans verloren hätte.

Stefan Matthey, Abschieds­touren sind der Renner ­unter den Konzerten. Wie stehen Sie dazu?
Ich weiss nicht recht, was ich davon halten soll. Ich sehe die ganze Sache inzwischen mit ­einem gewissen Humor. Aber es ist nun mal so: Selbst grosse Bands müssen sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen und sich neu erfinden. Momentan sind es solche ­Farewell-Touren. Man sollte das nicht so eng sehen.

Farewell als Geschäfts­modell – laufen solche Tourneen besser als andere?
Man merkt man schon, wenn eine Band ihren Abschied ­ankündigt. Kiss zum Beispiel läuft super. Slayer kürzlich waren auch massiv, obwohl sie 2019 jetzt doch noch einmal nach Genf kommen. Aber man muss sehen: Solche T­ouren können sich nur gestandene Acts erlauben. ­
Da ist man oft einfach froh, dass man sie noch einmal ­sehen kann. Obs das letzte Mal ist oder das zweitletzte Mal, ­ist nicht das Wichtigste.

Werden Fans sauer, wenn solche Abschiedsversprechen gebrochen werden?
Das gibt es sicher, aber im Verhältnis eher selten. Wie lange eine Tour dauert, entscheidet aber immer der Künstler. Da können wir als Veranstalter wenig machen.

Riskieren Bands ihren guten Ruf, wenn sie die Fans auf diese Weise täuschen?
Ich glaube, man hat sich an die Spielerei mit Abschiedstouren ­gewöhnt. Mir ist keine Band bekannt, die deswegen Fans verloren hätte.

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