Leben nach dem Suizid des Liebsten
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Soulsängerin Caroline Chevin:Leben nach dem Suizid des Liebsten

Music-Award-Gewinnerin Caroline Chevin hat vor zwei Jahren ihren Ehemann verloren
Leben nach dem Suizid des Liebsten

Offen und ehrlich spricht die Luzerner Musikerin über den Freitod ihres Mannes. Die Fragen, die sie quälen, wo sie Hoffnung findet. Und weshalb es ihr wichtig ist, darüber zu sprechen.
Publiziert: 28.08.2020 um 23:05 Uhr
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Aktualisiert: 04.09.2020 um 17:06 Uhr
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Caroline Chevin und Gatte Greg Boyed 2014 im neuseeländischen Takapuna, einem Vorort von Auckland.
Foto: Zvg
Flavia Schlittler

Zum zweiten Mal hat Soulsängerin Caroline Chevin (46) am 20. August eine Rüeblitorte gebacken. Im Andenken an ihren Gatten Greg Boyed (†48), der sich an jenem Tag vor zwei Jahren das Leben nahm. «Es war sein Lieblingskuchen. Er hat jeweils am Todestag seines Vaters dessen Lieblingstorte gekauft. Seine Tradition führe ich nun für ihn weiter», sagt sie.

Ihre Stimme klingt weich, einfühlsam, begleitet von vielen positiven Worten. «Ich möchte, dass man Greg mit dem Respekt und der Liebe in Erinnerung behält, die er verdient.» Boyed war ein neuseeländischer Nachrichtensprecher. Er galt in seiner Heimat als TV-Star.

Sie wusste, dass ihr Mann unter Depressionen litt

Die Luzernerin lernte ihn während ihrer Ferien kennen, es war Liebe auf den ersten Blick. 2014 brach die Gewinnerin des Swiss Music Awards von 2011 ihre Zelte in der Schweiz ab, entschied sich für ein Leben mit ihm in der neuseeländischen Metropole Auckland. Ein Jahr nach der Heirat wurde ihre Liebe durch Sohn Kian (heute 5) gekrönt. «Ich wusste von Anfang an, dass mein Mann an Depressionen litt. Doch ich stellte mir das immer so vor, dass jemand die ganze Zeit im Bett liegt, sich zu nichts aufraffen kann. Bei Greg war das Gegenteil der Fall. Er war sehr aktiv und wirkte lebensfroh. Deshalb war die Krankheit nicht wirklich so präsent.»

Es habe bei ihm die dunklen Momente gegeben, für Chevin waren es schwierige Auseinandersetzungen. «Wir waren so glücklich, hatten alles, was man sich wünscht. Wenn er in sich versank, verärgert über sich und die Welt, machte es mich hilflos, wütend, traurig. Am nächsten Tag war es für ihn wieder hell und leicht, wir beide waren hoffnungsvoll.»

Bis zum 20. August 2018, dem Tag, an dem er für immer ging. «Niemand, der ihn kannte, hat je damit gerechnet. Er sagte mir, dass er dies uns zuliebe nie machen würde. Ich glaube auch nicht, dass er nicht mehr leben wollte. Greg konnte einfach diese Schwere nicht mehr ertragen.»

Suizid darf nicht länger in Tabuzone bleiben

Die Singer-Songwriterin spricht bewusst so offen darüber. «Wir dürfen Tod, Depressionen und Suizid nicht länger in der Tabuzone lassen. So viele Menschen erleben einen Verlust. Der Tod gehört zum Leben. Im besten Fall ist es ein natürlicher, aber halt nicht immer.»

Vor eineinhalb Jahren zog sie mit ihrem Sohn zurück nach Weggis LU, wo sie aufgewachsen ist. «Hier sind meine Wurzeln, hier fühle ich mich geborgen. Kian ist im Kindergarten, fühlt sich hier wohl.» Sein Vater sei immer ein Thema. «Wenn Kian auf einer Schaukel ist, sagt er mir, gib bis zum Himmel an, dann kann ich Papi Hallo sagen.»

Sie liess sie sich von Kinderpsychologen beraten

Für Kian hat sie sich von einem Kinderpsychologen beraten lassen. «Es ist mir wichtig, dass er weiss, wie sehr sein Vater ihn geliebt hat, und nun halt auf eine andere Art, aber immer noch gut auf ihn aufpasst.» Sie sei gläubig, aber nicht religiös. Die Natur ist ihr Kraftort. «Der Trauerprozess ist ganz wichtig, und es gibt kein Richtig oder Falsch. Ich bin im Internet auf eine Trauermeditation gestossen, die mir beim Prozess hilft und mir guttut.»

Mit dem Schicksalsschlag, den sie erlebt hat, möchte sich die Musikerin, die in ihren Texten das Erlebte emotional verarbeitet, bewusst für die mentale Gesundheit starkmachen. Neu ist sie Botschafterin von Pink Ribbon, einer Organisation, die sich in der Brustkrebs-Prävention engagiert. «Ich ging spazieren und dachte, meine Single ‹Strong Enough›, deren Cover ganz in Pink ist, eignet sich perfekt dazu.» Nach einem intensiven Gespräch mit Nicole Zindel (52), Gründerin von Pink Ribbon Schweiz, seien beide emotional so von der Idee angetan gewesen, dass eine Zusammenarbeit nahelag. Am 26. September wird Caroline Chevin an der karitativen Music-Gala in Zürich ihr Mut und Hoffnung machendes Lied vortragen.

«Auch die an Brustkrebs Erkrankten und deren Angehörige fragen sich nach dem Warum.» Diese Frage werde wohl nie eine Antwort erhalten. «Wir können nur annehmen, was wir erleben, und versuchen, das Beste daraus zu machen. Lebensbejahend weiterzugehen, Fragen leiser werden zu lassen als die Hoffnung, dass alles besser wird.»

Mit starken Worten ergänzt sie: «Der Suizid meines Mannes soll einen Sinn haben. Viele von uns sind mit nicht vorhersehbaren, schlimmen Situationen konfrontiert. Körperlich oder mental. Schauen wir, dass wir dabei dennoch immer positiv bleiben. Es ist die beste und oft einzige Kraft, die es uns ermöglicht, gut weiterzumachen und das Geschehene hinter uns zu lassen. Der Mensch hält viel mehr aus, als er meint.»

«Ja, ich darf wieder glücklich sein»

Chevin fühlt sich trotz des tragischen Ereignisses vom Leben geküsst. «Mein grösstes Glück ist mein Sohn Kian Iraia, er ist ein richtiger Sonnenschein. Zudem werden wir von so vielen lieben Leuten getragen. Und dass ich in der Musik wieder Halt gefunden habe, dafür bin ich sehr dankbar.» Mit dieser Dankbarkeit und einer lebensbejahenden Art zu denken und zu fühlen geht sie vorwärts. «Nach dem grossen Schock musste ich mir erst selbst die Erlaubnis geben: Ja, ich darf wieder glücklich sein.

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