Einfach den Blattläusen zuschauen, wie sie über die Sonnenblumen krabbeln: Der Schrebergarten ist für Mona Vetsch (44) der beste Ausgleich zu ihrem bewegten Berufsleben. Während sie für ihren TV-Job schon in vielen Welten unterwegs war, schätzt sie privat einen kleineren Radius.
BLICK: Wie sind Sie aufs Gärtnern gekommen?
Mona Vetsch: Man könnte meinen, dass das für eine Bauerntochter ganz natürlich dazugehört. Aber als ich jung war, hat mich das überhaupt nicht interessiert. In der Landwirtschaft war ich ein Totalausfall. Da wollte ich möglichst schnell in der Stadt leben und alles andere als Tomaten ziehen. Aber offensichtlich gibt es Dinge, die holen einen irgendwann ein. Seit fünf Jahren könnte ich mir ein Leben ohne Garten nicht mehr vorstellen. Während andere grosse Velotouren machen oder Hängegleiterflüge unternehmen, sitze ich lieber im Garten und schaue den Blattläusen zu, wie sie über die Sonnenblumen krabbeln.
In Ihrer aktuellen Sendung «Hin und weg» geht es um Menschen, die für die Liebe das Land wechseln und Gewohntes aufgeben. Wann haben Sie das letzte Mal ein Gefühl von «hin und weg» verspürt?
Immer wieder und immer noch, zum Glück (lacht). Damit verbinde ich nicht nur einen kurzen Augenblick des Verknalltseins, sondern einen längeren Zustand, wie ich ihn jetzt im Lockdown erlebt habe. Es war eine Art Test, wie gut man es wirklich hat mit seiner Familie. Mit drei Buben ist es eher «drunter und drüber» als «hin und weg» – sehr laut und turbulent. Aber ich kann glaubs auch recht anstrengend sein – so gleicht sich das wieder aus.
Die Menschen, die Sie für Ihre Sendung treffen, erleben grosse Umbrüche, treffen abenteuerliche Entscheidungen. Was macht das Leben der anderen mit Ihnen?
Vielleicht hat das einen ähnlichen Effekt wie Bücherlesen. Ich erlebe das mit, diese Emotionen, diese völlig anderen Lebenswege, man schaut zu und fragt sich: Was hätte ich in dieser Situation getan? So wie Nicole Pavlin, die einen Marokkaner heiratet, aber auf dem Standesamt vergeblich wartet, weil er nicht ausreisen durfte. In der Sendung geht es um Menschen, die für die Liebe alles auf sich nehmen, das Land und das vertraute Umfeld wechseln, Risiken eingehen. Wer binational heiratet, macht keine halben Sachen, es geht um existenzielle Entscheide. Das finde ich megaspannend und auch schön zu sehen, wenn es funktioniert. Es scheitern ja auch viele, weil die Unterschiede zu gross sind.
Wie sehr zieht es Ihnen bei solchen Geschichten das Herz mit rein?
Zum einen bin ich der Mensch, Mona, die mit ihren eigenen Lebenserfahrung unterwegs und auch offen ist. Zum anderen bin ich Journalistin, die muss wissen, was die Geschichte ist, was kann man zeigen, was lässt man weg. Es ist eine Mischung von beidem, der journalistische Blick hilft mir auch wieder, Distanz zu bekommen.
Am SRF-Bildschirm gab es in letzter Zeit einige Abgänge von populären Kollegen, zuletzt Nik Hartmann. Wann fangen Sie an zu wandern?
Die Idee, einen Nik Hartmann ersetzen zu wollen, die funktioniert nicht. Man kann eine Persönlichkeit, die eine Sendung geprägt und entwickelt hat nicht einfach austauschen. Interessant wird eher sein, was es für neue Formate mit neuen Gesichtern geben wird. Zum Glück muss ich solche Entscheide nicht fällen. Das Fernsehgeschäft ist immer im Wandel, derzeit ändern sich Sehgewohnheiten in noch höherem Tempo, darum ist es umso wichtiger, flexibel zu denken und einen Plan B und C zu haben.
Wo ist Mona Vetsch in 20 Jahren?
Wer darauf eine fixfertige Antwort hat, ist entweder sehr mutig oder sehr ignorant. Denn das Einzige, das sich durch unser Leben durchzieht, ist, dass sich alles verändert, es ist die einzige Konstante. Ich habe beim Radio noch Bänder geschnitten, und es gab Faxe. Wenn ich meinen Kindern erkläre, was das ist, merke ich, dass ich im letzten Jahrtausend auf die Welt gekommen bin. All diese neuen Möglichkeiten, die wir mit der Digitalisierung haben, das interessiert mich. Nicht, was war und werden wird, sondern was aktuell passiert, das kickt mich an. Social Media ist für mich eine Bereicherung, weil ich näher an den Leuten bin, in Austausch gehen kann und unmittelbares Feedback bekomme. Man muss nicht alles mitmachen, aber ich sehe die Vorteile darin. Mein Lebensziel ist einfach: Sich nicht langweilen und den Menschen gerecht werden, denen man wirklich wichtig ist.
Sie waren für Ihren Job viel unterwegs, was ist mit Reisen in Zeiten von Corona?
Mein Bedürfnis, unterwegs zu sein, ist privat nicht mehr so gross. Mir reicht es, wenn ich mit den Kindern einen neuen Stadtteil von Zürich erforsche oder wir der Thur entlang unterwegs sind. Und ich finde es auch richtig, wenn das Bewusstsein wächst, dass Reisen und Fliegen nicht selbstverständlich sind.
Wie sieht es diesen Sommer mit Ferien aus?
Da geht es uns wie den meisten, wir wissen es noch nicht so genau. Darüber denken wir nach, wenn es so weit ist. Ferienplanen ist für mich ohnehin schwierig, ich setze auf Spontanität. Ich bin ein totaler Chaot, dafür bin ich begeisterungs- und anpassungsfähig. Mit mir kann man überall hin, in die Berge, ans Meer, auf den Campingplatz, da bin ich überhaupt nicht heikel.
In dem Fall überlassen Sie die Planung Ihren Männern?
Das machen die eben auch nicht gern. Plötzlich merken wir, dass Pfingsten ist, und wir haben keinen Plan. Gut wird es trotzdem immer, dann backen wir halt dreistöckige Torten oder spielen im Quartier Pokémon Go. Zufall und Spontanität retten uns immer den Hintern.
Stimmt es, dass Sie als Kind nie in die Ferien gefahren sind?
Als Bauerntochter hat man keine Ferien. Als Kind dachte ich, dass es ganz normal ist, wenn man in den Sommerferien fünf Wochen daheim am Heuen ist und vielleicht mal ins Appenzellerland zum Wandern geht. Erst in der Sek und im Gymnasium wurde mir bewusst, dass die anderen mit ihren Eltern in fremde Länder fliegen. Meine erste grosse Reise machte ich für die für die Sendung «Einfach luxuriös» nach Indien – eine harte Landung mitten im Kulturschock.
Wie sind Sie damit umgegangen?
Ich habe mich kopfüber reingeworfen, meine geringe Reiseerfahrung war auch ein Vorteil: Man hat einen frischen Blick, wenn man etwas zum ersten Mal sieht und nicht schon zum fünften Mal da ist. Reisen ist für mich noch immer ein Privileg. Das ist es auch, was ich an meinem Beruf liebe, die Möglichkeit, in andere Welten und Leben reinzuschauen.
Im Sommer läuft Ihre Dok-Serie zum Thema Glück, was macht das für Sie aus?
Spannend ist, dass die Redaktion das schon geplant hat, als wir noch nichts von Corona wussten. In den letzten Wochen haben ja viele von uns eine neue Art von Glücklichsein entdeckt. Brotbacken zum Beispiel scheint viele enorm glücklich zu machen. Es sind die banalen Dinge, wie den Keller aufzuräumen oder einen Garten zu pflegen. Mir wird bewusst, wie gut ich darin bin, meine Agenda zu verplanen, ich arbeite ohne weiteres am Wochenende und abends. Aber Zeit zu planen mit meiner Familie, das kommt meist erst am Schluss. Wir wissen oft gut, wo das Glück liegt, es geht nur darum, ihm mehr Platz einzuräumen.
Brotbacken, Gärtnern, Ferien in der Schweiz, werden wir dank Corona alle zu Bünzli?
Solche Kategorien bringen nichts. In der Welt herumjetten und Luxusgüter konsumieren kann viel biederer sein als daheim bleiben. Der Kopf ist entscheidend, dort musst du frei sein. Mit 45 sind zudem gewisse Entscheidungen getroffen, man hat nicht mehr das gleiche Bedürfnis auszubrechen wie mit 20. Es wäre komisch, wenn ich mich noch immer dafür interessieren würde, wie man Haare im knalligsten Rot färben kann. Zugleich denken wir ja auch, dass mit 80 das Leben vorbei ist, wenn man es gerade noch bis zum Briefkasten schafft. Stimmt aber nicht. Das «Glück» sieht einfach anders aus, als wir Jüngeren es uns vorstellen können. Darum faszinieren mich Lebensgeschichten, die ganz anders verlaufen sind, als man es selber für möglich gehalten hätte.
Was ist in Ihrem Leben anders verlaufen als erwartet?
Vor 25 Jahren hätte ich es für unmöglich gehalten, dass ich irgendwann mit einem Garten zu meinen bäuerlichen Wurzeln zurückkehre und mich mit meiner Mutter über den besten Dünger unterhalten würde. Oder dass ich für meinen Beruf viel Reisen würde, ich hatte nämlich totale Flugangst. Und dass ich mal in Familienquartier wohne, das total konventionell ist und mich genau das endlos glücklich macht. Das Leben zeigt, dass wir eine viel grössere Glücksbegabung haben, als wir denken.
Als Bauerntochter im Kanton Thurgau aufgewachsen, studierte Mona Vetsch zunächst an der HSG. Das Studium brach sie für ihre journalistische Karriere ab. Bekannt wurde sie 1997 als Moderatorin mit blauer Punk-Frisur für die SRF-Jugendsendung «Oops!». Während 17 Jahren war sie die Morgenstimme auf Radio SRF 3 und zählt heute zu den beliebtesten Gesichtern am Schweizer Fernsehen. Vetsch liebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Zürich.
Als Bauerntochter im Kanton Thurgau aufgewachsen, studierte Mona Vetsch zunächst an der HSG. Das Studium brach sie für ihre journalistische Karriere ab. Bekannt wurde sie 1997 als Moderatorin mit blauer Punk-Frisur für die SRF-Jugendsendung «Oops!». Während 17 Jahren war sie die Morgenstimme auf Radio SRF 3 und zählt heute zu den beliebtesten Gesichtern am Schweizer Fernsehen. Vetsch liebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Zürich.