«Als stünde ich in Flammen. So fühlte sich dieser brennende Schmerz an.» Mit diesen Worten erinnert sich Miss-Schweiz-Finalistin Vanessa Leuzinger (21) an ihren Unfall am Freitag, 20. Mai 2011. Kurz vor Schulschluss musste ihre Klasse die Sportprüfung absolvieren. Vanessa freute sich auf einen gemütlichen Filmabend. Doch zuerst musste sie noch an den Ringen turnen, in zwei Metern Höhe. Sie fiel und donnerte mit dem Rücken auf den Boden. «Ausser den sofortigen Schmerzen spürte ich Taubheit in meinen Beinen.»
Mit der Rega wurde sie von Emmetten NW ins Kinderspital Luzern geflogen. Die Diagnose: ein gebrochener Rückenwirbel! Ein weiterer Wirbel war angerissen, und eine Prellung am Rückenmark wurde auch festgestellt. Die Brüche heilten. «Doch die folgenden zwei Jahre hatte ich in den Oberschenkeln Gefühlsstörungen und starke Nervenschmerzen. Es war ungewiss, ob das Gefühl in den Beinen je wieder richtig zurückkommen würde», sagt die Nidwaldnerin.
Zwei Wochen strikte Bettruhe
Mit der Zeit sei das Gehen besser geworden, die Schmerzen aber sind geblieben. Deshalb liess sie sich 2014 von ihrem behandelnden Arzt am Schweizer Paraplegiker-Zentrum in Nottwil LU operieren. «Ich hörte, wie Doktor Aebli zu seinem Team sagte: ‹Macht ihr eine schöne Narbe, auf unserem Tisch liegt eine künftige Miss Schweiz›», erinnert sich Vanessa mit einem Lachen.
Die Operation verlief gut. Dann war zwei Wochen lang strikte Bettruhe angesagt. «Wenn ich klingelte, kam eine Schwester und drehte mich von einer Seite auf die andere, weil ich das anfangs selber nicht mehr konnte.»
Verzweifelt sei sie nie gewesen. Ihre positiven Gedanken seien stets stärker gewesen. «Ich musste wieder lernen zu laufen. Und habe mir gesagt, dass ich ein Glückspilz bin, denn es hätte schlimmer sein können.» So sei für sie jeder kleine Schritt ein grosses Erlebnis gewesen. «Als ich zum ersten Mal alleine zur Toilette gehen konnte, war ich den Tränen nahe.» Fotos aus der Zeit hat Vanessa keine, sie wollte keine bildliche Erinnerung.
Sie ist zufriedener geworden
Rückblickend, sagt sie, sei der Unfall für sie erst ein Schock gewesen. Doch er habe ihr Leben zum Guten gewendet. Bei ihren wöchentlichen Nottwil-Terminen habe sie sich jeweils gefragt: «Warum hat mein Schutzengel so gut auf mich aufgepasst und andere wurden viel härter mit dem Schicksal konfrontiert?»
Durch das Drama sei sie zufriedener und dankbarer geworden, ihr Denken habe sich seit jenem 20. Mai verändert. «Ich schätze alles sehr viel mehr. Es ist nicht selbstverständlich, gesund zu sein – sondern ein Geschenk, das man meistens erst dann realisiert, wenn man es nicht mehr hat.»
Seither nehme sie sich vor, Verständnis und Akzeptanz für das aufzubringen, was sie nicht ändern könne; und viel Mut zu haben, um aus den Dingen, die sie ändern kann, das Beste zu machen. Ihre Erfahrungen und Einsichten hätten in ihr auch das Bedürfnis geweckt, sich für die Feuerwehr in Emmetten zu engagieren. «Ich muss zum Glück die schweren Schläuche nicht einrollen. Sonst kann ich anpacken wie alle anderen», sagt sie.
Nun peilt die Studentin der Pädagogischen Hochschule Luzern Schritt für Schritt ihr nächstes Ziel an. Kommenden Samstag möchte sie zur neuen Miss Schweiz gewählt werden. Zehn weitere Finalistinnen sind mit ihr im Rennen, Sat.1 Schweiz, Blick.ch und Teleclub übertragen die Wahl live. Vanessa kann es kaum erwarten: «Auf der Bühne werde ich in erster Linie stolz auf mich sein. Ich habe schon viel geschafft, denn ich kann laufen.»