Die Schweizer Performancekünstlerin Milo Moiré (35) tritt am Erotikevent Extasia auf, der von heute Freitag bis Sonntag in der Messe Zürich läuft. Im Interview mit BLICK zeigt sie sich auch von ihrer philosophischen Seite.
BLICK: An der Extasia in Basel waren Sie noch bekleidet, jetzt in Zürich nackt. Weshalb?
Milo Moiré: In Basel war ich als Stargast eingeladen, war erstmalig an einer solchen Ausstellung und habe geschaut, was alles geboten wird. Ich trat in einem eigens geschneiderten roten Latexkostüm auf. Jetzt, in Zürich, bin ich das offizielle Messe-Gesicht. Ich habe mich deshalb mit dem Veranstalter abgesprochen. Schliesslich sind wir übereingekommen, dass ich meine Nackt-Selfie-Performance zeige. Das ist in dieser Form neu, ich habe das sonst bisher bloss in Museen oder auf Kunstmessen getan.
Was besitzen Sie für Kunstwerke?
Die Objekte, die mir gefallen, sind leider viel zu teuer für mich. Gemälde von Cecily Brown oder Francis Bacon beispielsweise. Die muss ich mir im Museum anschauen. Ich kaufe aber gerne Kunstbücher, mit Aktfotografien von Helmut Newton beispielsweise, das kann ich mir leisten.
Im Zusammenhang mit dem Balthus-Gemälde eines minderjährigen Mädchens wird aktuell nach Zensur verlangt. Was sagen Sie dazu?
Zensur ist ein falsches Mittel. Und ein gefährliches obendrein, weil Zensur die Kunstfreiheit und auch die persönlichen Möglichkeiten gefährdet. Nehmen Sie den Fall von Oskar Schiele, der wegen dem von ihm porträtierten Mädchen Tatjana von Mossig kurzzeitig im Gefängnis landete. Meine persönliche Meinung ist: Man sollte alles darstellen und zeigen können, sofern es nicht gegen den Willen und die Rechte von anderen verstösst.
Haben wir heute ein verklemmteres Verhältnis zum Körper als früher?
Das Problem ist die Widersprüchlichkeit. Digital gibt es heute so viel Nacktheit wie nie, schnell verfügbar, kostenlos konsumierbar. In der Realität aber wird diese Nacktheit nach Möglichkeit vollständig ausgeblendet. Nackte Menschen verschwinden aus der Realität und verschieben sich ins Digitale. Das schadet der natürlichen, angeborenen Empfindung. Deshalb sind die Menschen auch irritiert, wenn ich nackt vor ihnen stehe. Wenn sie Nacktheit selber öffentlich erleben würden, zum Beispiel an einem FKK-Strand, würden sie sich schnell merkbar entspannen.
Inwieweit hat Ihnen Ihr Psychologiestudium bei Ihrer Kunst geholfen?
Ich habe, wie die meisten von uns, in der Kindheit und im Elternhaus moralische Auflagen mitbekommen. Was man darf und nicht darf. Und was die anderen Menschen über uns denken. Das Studium hat mir dann enorm dabei geholfen, selbst die tabuvollsten Themen ganz neutral zu betrachten und nicht von der moralischen Seite her anzugehen. Themen wie Pädophilie oder Sadomaso beispielsweise. Ich konnte so einen wissenschaftlichen Blick entwickeln, der es mir erlaubte, das Thema Sex anzugehen, ohne mich irgendwie zu schämen dafür. Hemmungen und Tabus fielen völlig weg. Ich hatte keinen moralischen Rucksack mehr, konnte alles weglegen und abstreifen. Ich sehe meine Performances auch als eine Art erzieherisches Experiment. Ich bin die Versuchsleiterin, die erfahren möchte, wie Menschen auf für sie total neue Situationen reagieren, im konkreten Fall auf meine Nacktheit.
Vor Ihrem Studium absolvierten Sie eine Ausbildung zur Lehrerin. Wie beeinflusste dies Ihr Leben?
Ich fühlte mich nie wirklich wohl als Lehrerin. Diese Vorbildfunktion in einem streng abgesteckten Rahmen war mir ehrlich gesagt etwas zuwider. Ich wollte nie trocken sein und nie belehren, sondern mich auf einer Spielweise aus lustvollen Gedanken hinlegen und künstlerisch ausbreiten können.
Wann haben Sie Ihre künstlerische Ader entdeckt?
Ich habe schon als kleines Mädchen wie verrückt gemalt. Das war insofern erstaunlich, weil es in meiner Verwandtschaft keine Künstler gab. Deshalb glaubte ich auch nie daran, ich könnte die Kunst irgendwann zu meinem Beruf machen. Nach der Schule musste ich mich entscheiden: Kunstgewerbeschule oder Lehrerseminar? Auf Drängen meiner Eltern, etwas «Vernünftiges» zu lernen, habe ich schliesslich das Zweite gewählt. Aber nur die Kunst machte mich schliesslich glücklich. Erste Anzeichen habe ich bereits früh gespürt. Und ich wusste immer: Ich bin dafür geboren.
Ihre Kunst lebt stark von Ihrem makellosen Körper. Doch irgendwann werden auch Sie älter. Was dann?
Ich möchte stets genauso mutig und risikofreudig bleiben wie heute. Auch das Alter ist eine spannende Phase für eine Künstlerin. Natürlich weiss ich, worauf Sie hinauswollen. Man bekommt Falten, die Haut wird welk und die Brüste beginnen zu hängen. Wobei mir das nicht passieren kann, weil sie ja nicht wirklich echt sind (lacht). Ich denke, ich werde auch mit 70 noch Perfomances machen, Nacktheit ist dabei nicht ausgeschlossen, im Gegenteil. Vielleicht wird die Aufmerksamkeit, die ich jetzt habe und sehr geniesse, etwas abnehmen, aber damit muss ich leben. Aufmerksamkeit ist immer Segen und Fluch zugleich, weil man dauernd unter Beobachtung steht. Kurz: Ich habe keine Angst vor dem Alter, höchstens davor, dass mein Mut abnimmt.
Milo Moiré (35) ist in Luzern aufgewachsen und lebt heute mit dem Fotografen Peter Palm zusammen in Düsseldorf. Nach dem Lehrerseminar und einem Psychologiestudium begann sie ihre künstlerische Laufbahn. Ihr Name leitet sich vom Moiré-Effekt ab, der Raster durch Überlagerungen verändert. Für Furore sorgte u.a. ihre «PlopEgg series», in der sie 2014 in Köln mit Farbe gefüllte Eier aus ihrer Vagina herauspresste und so Bilder erzeugte. 2017 nahm sie an der 5. Staffel von «Promi Big Brother» teil und landete auf dem zweiten Platz.
Milo Moiré (35) ist in Luzern aufgewachsen und lebt heute mit dem Fotografen Peter Palm zusammen in Düsseldorf. Nach dem Lehrerseminar und einem Psychologiestudium begann sie ihre künstlerische Laufbahn. Ihr Name leitet sich vom Moiré-Effekt ab, der Raster durch Überlagerungen verändert. Für Furore sorgte u.a. ihre «PlopEgg series», in der sie 2014 in Köln mit Farbe gefüllte Eier aus ihrer Vagina herauspresste und so Bilder erzeugte. 2017 nahm sie an der 5. Staffel von «Promi Big Brother» teil und landete auf dem zweiten Platz.