Herr Kelly, eigentlich kennt man Sie nur als «Paddy». Doch diese Zeiten sind nun wohl vorbei...
Michael Patrick Kelly: Freunde und Familie nennen mich nach wie vor so. Aber nun ist es an der Zeit, den Namen zu benutzen, der irgendwann auch auf meinem Grabstein stehen wird.
Und noch etwas ist neu: Ihr Album «Human», was auf deutsch «menschlich» heisst.
Das Album beschreibt alle Gefühlslagen, die ein Mensch haben kann. Auf den Titel bin ich übrigens tatsächlich auf dem Klo gekommen (lacht).
Keine Angst, ohne die berühmte Kelly Family und mit neuem Namen ein Comeback zu starten?
Kommerziell gesehen ist das natürlich nicht sehr clever. Aber genau das wollte ich. Ich will mich den Leuten so zeigen, wie ich bin - echt.
Wenn Sie zurück blicken - war die Kelly Family für Sie Segen oder Fluch?
Segen! Ich habe dort vom Singen übers Komponieren alles gelernt. Wir haben Stadien gefüllt, in einem Schloss gewohnt und unseren Traum gelebt.
Haben Sie noch Kontakt zu Ihren Geschwistern?
Ja, wir unterstützen uns bei Projekten und wenn wir uns heute treffen, ist es in einem anderen Rahmen. Wir sprechen nicht mehr nur über das Geschäft.
Ein Comeback ist also nicht ausgeschlossen?
Offiziell haben wir uns ja nie aufgelöst. Deshalb sage ich mal, sag niemals nie.
Und das, obwohl Sie genau dieser erfolgreiche Zeit krank gemacht hat und Sie 2004 sogar für sechs Jahre im Kloster des Ordens der Gemeinschaft vom heiligen Johannes im französischen Burgund gelebt haben ...
Ich habe mit meinen Geschwistern rund 200 Konzerte im Jahr gegeben. Wir hatten Verträge für Japan und die USA. Irgendwann hatte ich das Hamsterrad des Showgeschäfts einfach satt. Ich wusste, dass ich eine Auszeit brauchte.
Hatten Sie ein Burn-Out?
Ja.
Wie haben Sie es erkannt?
Wenn man alles erreicht hat, entsteht eine Art Sehnsucht nach mehr. Und zwar nicht im Sinne von Materialismus oder Ruhm. Man hat Sehnsucht nach Glück. Ich habe mir dann die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt.
Wie lange haben Sie überlegt, den Schritt in die Einsamkeit zu machen?
Ein paar Jahre. So eine Entscheidung trifft man nicht einfach so. Ich bin ja nicht mal eben für ein halbes Jahr nach Indien gereist.
Was haben Sie während dieser Zeit vermisst?
Viele Dinge. Es gab Momente, wo ich abens nach dem Essen am Kartoffel schälen war und dachte: Mensch du könntest jetzt mit deinen Geschwistern vor 5000 Leuten spielen. Was mache ich hier? Aber man will ja bewusst auf etwas verzichten. Spirituell hingegen war ich super erfüllt.
Auch ohne Freundin...
(lacht) Na klar vermisst man auch eine Frau an seiner Seite. Ich bin ja auch nur ein Mann – ob Mönch hin oder her.
Was haben Sie dort gemacht?
Im Kloster gibt es keine Langeweile, auch wenn man weder Handy noch Computer, noch einen Fernseher hat. Wir haben gearbeitet, Gespräche geführt und gebetet.
Sind Sie gläubig?
Ja, aber ich glaube nicht unbedingt an den klassischen Gott in den Wolken mit weissem Bart. Ich glaube, dass Gott Liebe ist.
Haben Sie sich im Kloster mit dem Tod beschäftigt?
Ich mache mir über existenziellen Fragen natürlich auch Gedanken.
Haben Sie Angst vor dem Sterben?
Vor dem Tod habe ich keine Angst. Vor dem Streben hingen schon. Ich stelle mir das ziemlich furchtbar vor. Wenn deine Seele deinen Körper verlässt – das muss wehtun.
Wenn Sie auf diese intensive Zeit zurück blicken, wie hat sie Sie verändert?
Wir machen oft den Fehler, unsere Identität in dem zu suchen, was wir tun. Ich bin durch die Zeit im Kloster bei mir angekommen. Ich weiss, wer ich bin und habe meinen inneren Frieden geschlossen.
Wieviel Arbeit hat es gebraucht, die Familie von der Kloster-Idee zu überzeugen?
Viel und am Ende fanden es nicht alle gut. Ich war damals in gewisser Weise ein Stück egoistisch, weil ich wusste, dass ich das für mich brauche.
Hat Sie jemals eines der Familienmitglieder für das Ende der Kelly Family verantwortlich gemacht?
Joe war ziemlich sauer auf mich. Aber auch er hat meine Entscheidung irgendwann respektiert. Auch wenn er es nicht nachvollziehen konnte.
Hatten Sie selbst ein schlechtes Gewissen?
Wir waren immer ein Kollektiv und das kann auf Dauer nicht standhalten, wenn die Einzelnen nicht glücklich sind. Deswegen ging das Wohl des Einzelnen in diesem Fall einfach vor.
Wieso suchen Sie nach der Ruhe doch wieder das Rampenlicht?
Ich will mit dem Album nicht an alte Erfolge anknüpfen. Es geht um die Musik. Ich habe nach der Zeit im Kloster gemerkt, dass es nicht meine Berufung ist, dort auf Dauer zu sein. Auch wenn es ein wichtiges Kapitel in meinem Leben war.
Wie entspannen Sie, wenn mal wieder alles zu viel wird?
Ich habe noch immer Kontakt zu den Mönchen. Wenn es Zeit ist, das Showbuiss-Hamsterrad zu verlassen, gehe ich für ein paar Tage zu ihnen.
Können Sie sich noch daran erinnern, was Sie mit der ersten Million gemacht haben?
(lacht) Wir hatten zu Kelly Family Zeiten einen Topf, wo alles Geld reinkam. Jeder von uns hatte ein Taschengeld zur Verfügung. Deshalb hatte ich leider nie ein Konto mit einer Million drauf.
Sie haben vor zwei Jahren Ihre Jugendliebe, die Journalistin Joelle Verreet geheiratet.
Es war ein Traum. Ich kann neben ihr ganz ich selbst sein, sie ist ein Geschenk des Himmels für mich.
Sind Sie schon an der Planung der nächsten Kelly Family
(lacht) Mal sehen. Wir wollen sicher eine Familie gründen, aber die Kellys waren unschlagbar. Das werden wir sicher nicht versuchen zu toppen.
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