Medientrainer Patrick Rohr erklärt
Darum ist Schawinski so unbeliebt

Roger Schawinski und Andreas Thiel geben sich im TV auf den Deckel. Kritisiert wird aber nur Schawinski. Wieso?
Publiziert: 22.12.2014 um 15:36 Uhr
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Aktualisiert: 10.09.2021 um 09:48 Uhr
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Von Sascha Schmid

Der TV-Kampf der zwei Streithähne von letzten Montag kennt nur einen Verlierer: Roger Schawinski. In den Kommentarspalten von Blick.ch und anderen Portalen bekommt er sein Fett weg. Schawi sei arrogant, besserwisserisch, unanständig, lasse niemanden ausreden und so weiter. Jeder negative Kommentar bekommt viel mehr Likes als die wenigen positiven Kommentare. In einer Abstimmung auf Blick.ch sind 71 Prozent dafür, dass Schawinski abtritt.

Bei Achille Casanova, dem Ombudsmann der SRG, gingen bis Sonntagabend 114 Beschwerden ein – so viele wie noch nie. In nur sechs kommt Schawinski gut weg. In allen anderen beschweren sich die Zuschauer und bezeichnen ihn als «beleidigend» und «respektlos».

Doch wieso regen sich alle so über Schawinski auf, wollte Blick.ch von Patrick Rohr wissen. Rohr war selber lange am TV, moderierte zum Beispiel die Arena und ist heute Kommunikationsberater.

Herr Rohr, wieso ist Roger Schawinski so unbeliebt?

Viele Leute regen sich über seinen Interviewstil auf. Er ist anders, als wir es uns gewöhnt sind. Die meisten Interviewer in unserem Land stellen offene Fragen und lassen das Gegenüber in Ruhe antworten. Schawinski klagt an, stellt Thesen auf, drängt den Interviewpartner in die Defensive.

Das tun Ueli Schmezer im Kassensturz und Sandro Brotz in der Rundschau doch auch?

Ja, aber nicht auf der persönlichen Ebene. Im Kassensturz zum Beispiel müssen sich Firmenchefs für ihr Handeln rechtfertigen, in der Rundschau Politiker für ihre Entscheidungen. Bei Schawinksi geraten die Gäste oft in die Situation, dass sie sich für ihre Persönlichkeit oder ihren Lebensentwurf rechtfertigen müssen.

Ist das ein Schweizer Phänomen? In Deutschland wird doch auch mit harten Bandagen diskutiert.

Das stimmt, gerade in der deutschen Politik wird heftig ausgeteilt, aber man bleibt auf der Sachebene. In der Schweizer Politik hat die SVP in den 1990er Jahren einen neuen Stil eingeführt: Man spielt häufig auf den Mann. Man verurteilt jemanden für das, was er ist oder wie er denkt.

Die SVP hat aber Erfolg damit.

Und genau das ist die Bigotterie des Publikums. Es ergötzt sich an der Kontroverse und verurteilt sie gleichzeitig. Wie jetzt bei Schawinski. Die Sendung mit Thiel hat im Internet astronomische Klickraten, gleichzeitig hagelt es Beschwerden. Diese Erfahrung habe ich auch als Moderator der Arena gemacht. Sendungen, in denen es richtig abging, hatten die höchsten Quoten. Gleichzeitig regten sich dann auch am meisten Leute auf.

Also mögen die Leute Provokateure wie Schawinski doch?

Zum Glück gibt es in unserem Land Leute wie Schawinski, sonst wäre es furchtbar langweilig. Schawinski ist anders, er eckt an, er fällt auf, er polarisiert. Und er kämpft. Ohne ihn hätte es in der Schweiz nicht so früh Lokalradio und Lokalfernsehen gegeben.

Viele werfen Schawinski vor, er sei ein arroganter Selbstdarsteller, der die anderen einfach fertig machen will, um selber gut dazustehen. Was halten Sie von diesem Vorwurf?

Dieser Eindruck greift eindeutig zu kurz. Natürlich hat Schawinski – wie alle Interviewer im Fernsehen – selbstdarstellerische Züge. Im Unterschied zu vielen hat er aber eine klare Haltung, eine Moral. Er hat eine Botschaft und will diese platzieren. Das macht ihn greifbar, aber auch angreifbar. Ich habe nicht das Gefühl, dass es ihm nur um sich selber geht.

Mit seiner Art vergrault Schawinski aber seine Gäste. Nationalrätin Natalie Rickli zum Beispiel sagte, sie wolle sich das nicht antun. Ist sie feige?

Es gibt ja kein Gesetz, das sagt, dass man zu Schawinski gehen muss. Es gibt auch zahlreiche Wirtschaftsbosse, die nicht zu ihm wollen. Wenn es keinen konkreten Anlass gibt, um in die Sendung zu gehen, verstehe ich das auch. Man ist relativ schnell in der Verteidigungsrolle, das ist nicht einfach. Man muss kühn sein oder rhetorisch beschlagen. Und man muss die Sendung als Spiel mit eigenen Regeln sehen. Wenn man das Gefühl hat, dass man dem gewachsen ist, soll man in die Sendung.

Thiel hatte auch den Mumm und steht jetzt als grosser Sieger da, der sich nicht provozieren liess.

Ich denke nicht, dass Thiel der Gewinner ist. Er hat ja gesagt zum Spiel, es dann aber nicht mitgespielt. Das geht nicht. Thiel hat einen kontroversen Artikel über den Islam geschrieben, dann soll er sich der Kontroverse auch stellen. Ich glaube eher, dass die Sendung mit Thiel ein Ventil aufgemacht hat. Viele Leute dürfen jetzt endlich ihren Frust über Schawinski abreagieren.

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