Wegen seines politischen Aktivismus vom Vatikan mehr als drei Jahrzehnte lang suspendiert, war Cardenal zuletzt ein scharfer Kritiker der Linksregierung.
Cardenal zählte zu den prominentesten Befreiungstheologen Lateinamerikas. Nach der Revolution war er von 1979 bis 1987 Kulturminister der sandinistischen Regierung unter Daniel Ortega.
Sein politisches Engagement brachte ihn immer wieder in Konflikt mit der Amtskirche. Als Papst Johannes Paul II. im Jahr 1983 das mittelamerikanische Land besuchte, kniete Cardenal am Flughafen von Managua vor ihm nieder. Doch der Pontifex wies den Priester mit einer abweisenden Handbewegung zurecht.
Ein katholischer Priester als Linksrevolutionär? Das passte dem damals für die Befreiung des kommunistischen Ostblocks kämpfenden Pontifex aus Polen so ganz und gar nicht. Beirren liess sich Cardenal jedoch nicht.
Das politische Engagement des am 20. Jänner 1925 im nicaraguanischen Granada geborenen Cardenal reicht lange zurück: So beteiligte er sich 1954 an der «April-Revolution» gegen Diktator Anastasio Somoza Garcia. Die Umsturzpläne wurden vorzeitig verraten, viele Freunde Cardenals verloren dabei ihr Leben.
Drei Jahre später begann er sein Noviziat im Trappistenkloster in Gethsemany/Kentucky (USA), zwischen 1961 und 1965 studierte er Theologie in Guernavaca (Mexiko) und La Ceja/Medellin (Kolumbien).
In dieser Zeit entstanden auch die «Psalmen», ein Hauptwerk des Dichters Cardenal, dem 1980 der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen wurde. Nach seiner Priesterweihe in Managua begab er sich 1966 auf die zu Nicaragua gehörenden Solentiname-Inseln und gründete dort eine christliche Kommune, wo er auch sein berühmtes Werk «Evangelium der Bauern von Solentiname» schrieb.
Als im Oktober 1977 Putschpläne gegen Somozas zweiten Sohn entworfen wurden, ging Cardenal zunächst ins Exil und wurde Sprecher der FSLN, der Sandinistischen Befreiungsfront. 1979, nachdem der bei der Bevölkerung verhasste Präsident aus dem Amt vertrieben war, wurde der Befreiungstheologe und Literat Kulturminister des Landes.
Dies Amt hatte er bis 1987 inne, als das Ministerium schliesslich aus Kostengründen aufgelöst wurde. 1988 initiierte er gemeinsam mit dem österreichischen Schauspieler Dietmar Schönherr das internationale Kultur- und Entwicklungsprojekt «Casa de los tres mundos» in seiner Geburtsstadt Granada.
Zur FSLN ging Cardenal in der Folge wegen des autoritären Führungsstils von Parteichef Daniel Ortega immer stärker auf Distanz, ehe es schliesslich 1994 zum Bruch kam und er aus der Partei austrat.
Nach Ortegas Rückkehr ins Präsidentenamt im Jahr 2007 war Cardenal einer der schärfsten Kritiker der autoritären Herrschaft. Der PEN-Club beklagte Repressionen gegen den Autor, die Behörden räumten im Jahr 2009 sein Kulturzentrum auf der Insel Mancarron.
Anlässlich seines 85. Geburtstags gab sich Cardenal im Jahr 2010 desillusioniert. «Es ist nichts geblieben von der Revolution», sagte er.
Nach seinem Zerwürfnis mit den Sandinisten fand Cardenal wieder mehr Zeit zum Schreiben, unter anderem den Gedichtszyklus «Cantico Cosmico» (dt. «Gesänge des Universums», 1995). Richtig erfolgreich waren in deutscher Übersetzung nur seine früheren Werke «Psalmen» (1969, dt. 1979) und «Das Buch von der Liebe» (1985).
Der Literaturnobelpreis blieb Cardenal verwehrt, doch erhielt er im hohen Alter zahlreiche renommierte Literaturpreise wie etwa den Iberoamerikanischen Poesiepreis Pablo Neruda (2009) und der den Reina-Sofia-Preis für iberoamerikanische Poesie (2012).
Im hohen Alter durfte er dann auch mit der römisch-katholischen Kirche Frieden schliessen, allerdings erst nach dem Ende der Pontifikate von Johannes Paul II. (2005) und seines Nachfolgers Benedikt XVI. (2013), der als langjähriger Präfekt der Glaubenskongregation wesentlichen Anteil an der Sanktionierung Cardenals gehabt hatte.
Am 17. Februar 2019 wurde ein Brief von Papst Franziskus an Ernesto Cardenal veröffentlicht, in dem er diesen über die Aufhebung des Verbots der Ausübung des Priesteramtes informierte. Damals war er schon schwer krank. Am Sonntag erlag er in Managua 95-jährig einem schweren Herz- und Nierenleiden.
(SDA)