Während der elf Festivaltage nimmt Thomas Bisig jeweils vier Kilogramm ab. Um in Ruhe zu essen, fehle ihm die Zeit, erklärt der VIP-Assistent beim Gespräch im sonnigen Maggiatal. Oft fahre er mit Schauspielern und Produzentinnen zwischen Hotels, Empfängen und der Piazza Grande hin und her. Weil es schnell verzehrbar ist und seinen Zuckerspiegel stabil hält, isst Bisig in dieser Zeit ausschliesslich Gelato, am liebsten in der Gelateria «La Dolcevita».
Dass er Zucker braucht, ist bei seinem Programm kein Wunder: Vor 2 Uhr in der Früh ist er selten daheim in Gordevio und morgens geht es oft um 7.30 Uhr wieder los. Trotzdem mache diese Arbeit grossen Spass, sagt der 48-Jährige, der für den «Sommerjob» am Festival jedes Jahr Ferien nimmt.
Die erste Begegnung mit den VIPs findet meistens am Flughafen statt, wohin Bisig zusammen mit einem Fahrer fährt. Danach gehe es hauptsächlich darum, den eng getakteten Terminkalender im Griff zu behalten.
Faye Dunaway zum Beispiel hätte 2013 ihren Piazza-Auftritt um ein Haar verschlafen, erzählt Bisig. «Es kostet schon etwas Überwindung, bei einer Berühmtheit an die Tür zu klopfen, um sie aus dem Bett zu holen.» Die richtige Distanz zu den Schauspielern und Regisseurinnen sowie Neinsagen-Können nennt er denn auch als wichtigste Fähigkeiten für diesen Job. Gerade bei übertriebenen Extrawünschen habe er auch schon Grenzen gesetzt, ohne jedoch unhöflich zu sein.
Einfallsreichtum möchte man dem Job-Profil hinzufügen, wenn man Thomas Bisigs Geschichten ein Weilchen zuhört. Dunaway litt nicht nur unter einem starken Jetlag, sondern hatte auch just dann Hungerast, als sie aufbrechen mussten, um die Auszeichnung für ihr Lebenswerk entgegenzunehmen.
Rasch rannte Bisig in ein Restaurant, liess einen Teller Risotto vorbereiten und stieg mit diesem in der Hand und der Schauspielerin am Arm ins Auto. Kaum war ihr Auftritt vorbei, fuhren sie zurück ins Hotel, wo Bisig den Risotto aufwärmen und Dunaway essen liess.
Auch bei Ethan Hawkes Besuch in Locarno vor fünf Jahren musste Bisig schnell umdisponieren. Bei einem Ausflug an die Verzasca wollten Hawke, ein Schauspielkollege sowie deren beiden Frauen unbedingt auf der anderen Flussseite hinunter zur berühmten Brücke von Lavertezzo spazieren. Um die Gruppe nicht aus den Augen zu verlieren, sprang Bisig kurzfristig in Hemd und Hose ins kalte Wasser und überquerte den Wildfluss schwimmend. Hawke habe ihm nach dem Sprung ins Nass unbedingt eigene trockene Kleider ausleihen wollen - etwas, das er nie angenommen hätte, wie der VIP-Assistent betont.
Die meisten seiner «Schützlinge» hätten grossen Redebedarf, sagt Bisig. Sie seien interessiert an ihrem Gegenüber und «äusserst interessante Gesprächspartner.» Hin und wieder erfahre er auf Autofahrten auch Vertrauliches und werde um Ratschläge gebeten. «Ich glaube, dass gerade Schauspieler es schätzen, wenn jemand einfach 'normal' mit ihnen ist.» Zudem seien die meisten weniger schwierig als ihr Ruf. «Wirklich komplizierte Wünsche hatte ich noch nie.»
Aber auch wenn man in den wenigen Tagen fast ein bisschen zu einem Team werde, würde er diese Kontakte nie ausnutzen, betont der Sportpsychologe, der unter anderem Eishockeyspieler mental trainiert. «Ruf an, wenn du in LA bist», habe er hin und wieder gehört - doch das mache er nie, sagt Bisig. Hier gelte es, die richtige Distanz zu wahren.
Stundenlanges Vorbereiten brauche es für seine Arbeit eigentlich nicht, sagt der 48-Jährige. Natürlich sei er mit der Filmografie der jeweiligen Personen bekannt und kenne die Eckpunkte ihrer Leben. Für viel wichtiger als cineastisches Wissen hält Bisig aber den allerersten Kontakt. In diesem entscheide sich nämlich, ob sich ein Festivalgast mit seinem Assistenten wohl fühle und diesem vertraue.
(SDA)