Literatur
Terézia Mora erhält Büchner-Preis - Kritik an hetzerischem Reden

Darmstadt – Die deutsch-ungarische Schriftstellerin Terézia Mora ist am Samstag in Darmstadt mit dem Georg-Büchner-Preis ausgezeichnet worden. In ihrer Dankesrede äusserte sich die 47-Jährige besorgt über «hetzerisches Reden» in Deutschland - auf Regierungsebene und im Privaten.
Publiziert: 28.10.2018 um 10:02 Uhr
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Aktualisiert: 28.10.2018 um 10:07 Uhr
Die deutsch-ungarische Schriftstellerin Terézia Mora ist mit dem Georg-Büchner-Preis 2018 ausgezeichnet worden.
Foto: Keystone/DPA/FRANK RUMPENHORST

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung würdigt mit der Ehrung Moras «eminente Gegenwärtigkeit und lebendige Sprachkunst, die Alltagsidiom und Poesie, Drastik und Zartheit vereint».

In der Urkunde heisst es: «Schonungslos nimmt sie in ihren Romanen und Erzählungen die Verlorenheit von Grossstadtnomaden und prekären Existenzen in den Blick und lotet die Abgründe innerer und äusserer Fremdheit aus.» Die mit 50'000 Euro dotierte Ehrung gilt als wichtigste literarische Auszeichnung in Deutschland.

In ihrer Dankesrede kritisierte Mora eine Veränderung der Debattenkultur: In den vergangenen drei Monaten habe sich die öffentliche wie die private Rede in eine Richtung radikalisiert, «die uns zu recht »besorgt« ... sein lässt», sagte die 47-Jährige im Staatstheater in Darmstadt.

«Früher konnte ich sagen: hetzerisches Reden findet in Deutschland wenigstens nicht auf Regierungsebene statt. Das kann ich so nicht mehr», sagte sie in ihrer als Brief an einen Freund verfassten Rede. «Der Fisch stinkt vom Kopf her, aber - machen wir uns nichts vor - auch überall anderswo.» Am Ende komme es darauf an, «was du tust oder nicht tust».

Mora erinnerte auch an den ungarischen Schriftsteller Peter Esterházy (1950-2016), «gegen den, neben Anderen als »linksliberal« verschrieenen Künstlern und überhaupt gegen jede Form von Intellektualität, zur Zeit eine Kampagne in Ungarn läuft.» Mora gehört zu den Übersetzern Esterházys.

Die bereits mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin und Übersetzerin wurde in Ungarn geboren und wuchs zweisprachig auf. Seit 1990 lebt sie in Berlin. Für ihren Roman «Das Ungeheuer» - den zweiten Band einer Trilogie über das Leben des IT-Spezialisten Darius Kopp - bekam sie 2013 den Deutschen Buchpreis.

Vor Mora war der österreichische Autor, Journalist und Übersetzter Martin Pollack mit dem Johann-Heinrich-Merck-Preis für literarische Kritik und Essays ausgezeichnet worden.

Er forderte in seiner politischen Dankesrede angesichts des Zulaufs zu rechten und rechtsextremen Parteien in Europa: «Für die Demokratie müssen wir kämpfen, jeden Tag.» Und: «Wir müssen alles tun, um die Zivilgesellschaft aufzurüsten und zu stärken.»

Der Kunsthistoriker und Publizist Wolfgang Kemp erhielt den Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa. Beide Auszeichnungen sind mit je 20'000 Euro dotiert.

Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt vergibt den Büchner-Preis seit 1951 an Schriftsteller, die in deutscher Sprache schreiben. Zu den Preisträgern gehören Max Frisch (1958) und Günter Grass (1965) sowie zuletzt Jürgen Becker (2014), Rainald Goetz (2015), Marcel Beyer (2016) und im vergangenen Jahr der Lyriker Jan Wagner.

Das Preisgeld stammt vom Bund, dem Land Hessen und der Stadt Darmstadt. Namensgeber ist der Dramatiker und Revolutionär Georg Büchner («Woyzeck»). Er wurde 1813 im Grossherzogtum Hessen geboren und starb 1837 in Zürich.

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