Für Donghua Li (52) ist 2019 das schlimmste Jahr, das er je erlebt hat. Vier Monate ist es nun her, dass der Schweizer Olympiasieger von 1996 am Pauschenpferd seinen geliebten Sohn Janis mit erst sieben Jahren verlor. Letzte Weihnachten schmückten sie zusammen noch den Weihnachtsbaum. «Janis hat eine Kerze für mich gezogen. Sie ist noch eine schöne Erinnerung an das Fest im letzten Jahr», sagt er zu BLICK. Heute bleibt der Platz im Wohnzimmer, wo sonst der Christbaum stand, leer. «Ich könnte es nicht ertragen, für mich alleine einen zu haben oder zu Hause zu sein.»
So wird er über die Festtage mit seiner Tochter Jasmin (23) nach Engelberg OW reisen, dort Ski fahren. «Wir trauern zusammen um unseren Sonnenschein Janis und erinnern uns an die schönen Jahre mit ihm. Uns wird das sehr guttun», so Li. Im Kinderzimmer seines Sohns ist noch alles so, wie es war. Das Puzzle ist beinahe fertig, kleine Kuscheltiere sind um den Computer platziert. Nichts konnte sein Vater bisher verändern. «Ich denke immer noch, dass Janis jeden Moment nach Hause kommt. Auch wenn ich weiss, dass dies nicht so ist.» Der Schweiz-Chinese, der mit seinem Sohn in Adligenswil LU lebte, fühlt sich mit Janis nach wie vor eng verbunden. «Ich spreche sehr oft mit ihm. Sage ihm, wie es mir geht, was ich so mache und erinnere ihn an das, was wir miteinander erlebt haben.»
«Papi mach dir keine Sorgen, es geht mir gut»
Auch träumt er oft von ihm. Den für ihn wichtigsten Traum hatte er kürzlich. «Papi mach dir keine Sorgen, es geht mir gut», habe ihm Janis gesagt. «Es war so real, ich bin mit einem Lächeln aufgewacht», so Li. In einem weiteren Traum hätten sie sich – wie oft auch im wirklichen Leben – aus Spass fest die Hände gedrückt. «Janis sagte, drück fester, drück fester, das war ein lustiger Traum. Und auch der war so real.» Das wahre Leben spielt ausserhalb dieser Träume statt, auch wenn sie ihm viel Kraft geben. Denn immer noch quälen ihn viele Fragen. «Weshalb ist mein Sohn so früh gestorben? Was genau war die Todesursache?»
Das Drama um Janis begann am Freitag, dem 16. August. «Janis' Bauch war plötzlich ungewöhnlich stark geschwollen, Schmerzen hatte er keine», erzählt Li. Und ergänzt: «Janis hat mir noch lachend gesagt, schau mal Papi, ich habe so viel gegessen.» Li ging doch mit seinem Sohn notfallmässig zum Kinderarzt, der die sofortige Überweisung ins Kinderspital Luzern einleitete. Auf dem Weg dorthin habe Janis noch Lust auf ein «Happy Meal» bei McDonald's gehabt. «Ich machte einen Umweg, wir haben zusammen zu Mittag gegessen und gelacht. Janis war wie immer, aufgestellt und lustig. Sonst wäre ich direkt gefahren.»
Das Vater-Sohn-Gespann hatte noch so viel vor
Im Spital wurden verschiedene Untersuchungen vorgenommen. Da wurden bösartige Tumore um die Leber, mit Ablegern in anderen Organen festgestellt, sein Sohn kam auf die Intensivstation. «Er war schwach, hat aber auch immer wieder gelächelt.» Um ihn aufzumuntern, hat Li ihm von den schönen, gemeinsamen Bootsfahrten auf dem Vierwaldstättersee erzählt, wie toll es werden werde, wenn er kommenden Montag den ersten Schultag in der ersten Klasse habe, wie schön doch der Schülerthek sei, dem ihm seinen Halbschwester Jasmin geschenkt habe. Und von der nächsten gemeinsamen Golfrunde hätten sie auch gesprochen. Das Vater-Sohn-Gespann hatte noch so viel vor.
Während der folgenden Tage wurde der Kleine immer wieder untersucht, Biopsien wurden durchgeführt. Nach der letzten am Dienstag, dem 20. August, wachte er nach der Narkose auf. Geschwächt, doch habe er gesprochen und gelächelt. «Dann ging alles sehr schnell. Gegen fünf Uhr nachmittags, verlor Janis plötzlich das Bewusstsein. Die Ärzte rannten ins Zimmer, waren sehr aufgeregt», so Li, der beim Erzählen mit den Tränen ringt. «Sie versuchten ihn mit Herzmassage wiederzubeleben, doch es war zu spät. Unser Sonnenschein ist um 17.55 Uhr gestorben.»
Der Tod von Janis wurde als aussergewöhnlicher Todesfall eingestuft. Die Luzerner Staatsanwaltschaft, die Kriminalpolizei und die Rechtsmedizin wurden involviert, bei Janis wurde eine Obduktion angeordnet. Ende September fragte BLICK bei der Luzerner Staatsanwaltschaft nach. «Der Obduktionsbericht liegt nun vor, und es gibt keine Hinweise darauf, dass ein Arzt einen Fehler gemacht hat, der für den Tod des Kindes verantwortlich wäre», sagte da der Informationsbeauftragte Simon Kopp.
Ob Donghua Li in seiner Wohnung bleibt, weiss er noch nicht
Zwischenzeitlich hat Donghua Li komplette Akteneinsicht gewonnen, diese auch mit dem Arzt besprochen, welcher Janis operiert hat. «Auch der hat mir gesagt, er habe so etwas noch nie gesehen, er sei auch schockiert.» Zumal man ihn stets beruhigt hatte, dass die Krebsart, von der Janis befallen war, zu 90 Prozent heilbar sei, bei Kindern würde die Heilungschance gar noch höher liegen.
Donghau Li will weiter nach Antworten suchen, er hofft, dass eine neue, neutrale Untersuchung ihm diese geben kann. «Mir und meiner Familie ist dies sehr wichtig, um in Frieden abschliessen zu können.» Ruhe und Kraft findet der einstige Spitzensportler im Gebet. «Das hilft mir, positiv weiterzumachen.» Für das neue Jahr wünscht er sich: «Antworten und vielleicht eine neue Wohnung, um neu anzufangen. Stets mit Janis in meinem Herzen.»