Kunstausstellung
Ottilia Giacometti im Kunsthaus Zürich - Vom Rand in die Mitte

Der einzigen Tochter von Giovanni Giacometti und Schwester von Alberto Giacometti, Ottilia Giacometti (1904-1937), widmet das Kunsthaus Zürich erstmals eine thematische Ausstellung. Sie dauert vom 7. Februar bis 3. Mai.
Publiziert: 06.02.2020 um 14:46 Uhr
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Aktualisiert: 06.02.2020 um 14:47 Uhr
Giovanni Giacomettis Ölgemälde "Die Lampe" (1912) ist Teil der Ausstellung "Ottilia Giacometti - Ein Porträt" im Kunsthaus Zürich. Die Ausstellung dauert vom 7. Februar bis 3. Mai.
Foto: Kunsthaus Zürich

Die umfangreichen Bestände der Alberto Giacometti-Stiftung tragen wesentlich zum hohen Ansehen des Zürcher Kunsthauses bei. Mit ihren vielen Skulpturen, Gemälden, Zeichnungen und Druckgrafiken des Bündner Künstlers ist dieser Werkkomplex innerhalb der verschiedenen hauseigenen Sammlungen von zentraler Bedeutung.

Jene Räume, welche jeweils Hauptwerke der Alberto Giacometti-Stiftung zeigen, sind jetzt für das am wenigsten bekannte Familienmitglied der Giacomettis reserviert. Mit der in Borgonovo im bündnerischen Val Bregaglia geborenen Tochter Ottilia, dem dritten Kind von Giovanni Giacometti und seiner Frau Annetta, wird zwar keine Malerin oder Bildhauerin, sondern eine als Modell bedeutsame Anregerin vorgestellt.

Bislang in der Darstellung der Künstlerfamilie Giacometti eher eine Randfigur, wurde Ottilia zum Hauptthema der von Casimiro Di Crescenzo souverän kuratierten Ausstellung. Den eigentlichen Mittelpunkt bilden im Innenraum ausgewählte Künstlerinnen, deren Werke aus Ottilia Giacomettis Lebenszeit ausschliesslich der Kunsthaus-Sammlung entstammen.

Die dort vom Sammlungskonservator Philippe Büttner eingerichtete Accrochage spannt den stilistisch weiten Bogen innerhalb der Schweizer Künstlerinnen von der Kubistin Alice Bailly über ein expressionistisches Gemälde von Helen Dahm und eine abstrakte Komposition von Sophie Taeuber-Arp bis zur Surrealistin Meret Oppenheim und zu Germaine Richier, die wie Alberto Giacometti bei Bourdelle in Paris gelernt hatte.

Wie einst zahlreiche Frauen im Bergell war Ottilia als Weberin und Schneiderin tätig. Dass sie über künstlerisches Talent verfügte, belegt in der Ausstellung ein von ihr am Webstuhl dekorativ gestalteter Wollstoff.

Als «Mädchen aus gutem Hause» durchlief die zuerst in einem Mädchenpensionat in Horgen ZH unterrichtete Tochter eine Frauenarbeitsschule in Bern, bevor sie in einem weiteren Mädchenpensionat in Lausanne auf die Rolle als Mutter und Hausfrau vorbereitet wurde.

Nachdem sie 1928/29 für eine Pariser Textilwerkstatt und 1931 in Ascona für die Artex-Werkstätten gearbeitet hatte, heiratete sie zwei Jahre später den Genfer Arzt und Kunstliebhaber Francis Berthoud.

Nur wenige Stunden nach der Geburt ihres einzigen Kindes Silvio starb Ottilia, erschöpft durch die zweitägigen Wehen im Alter von 33 Jahren in Genf.

Nachdem er sie zuvor wiederholt gemalt hatte, hielt Alberto als Zeichner seine Schwester auf dem Totenbett fest. 1937/38 schuf er mit der nur wenige Zentimeter hohen Bronzeskulptur «Ottilia» eine jener figurativen Arbeiten, welche André Breton als Verrat am Surrealismus brandmarkte.

Die verstorbene Schwester übte demzufolge als Anregerin der künstlerischen Weiterentwicklung ihres Bruders einen wichtigen Einfluss aus. Bis zum Kriegsende fuhr Alberto mit solchen radikalen Verkleinerungen fort, wie die Miniskulpturen «Silvio stehend (Hände in den Taschen)» und «Kleine Büste von Silvio auf Doppelsockel» belegen.

Wie intensiv sich schon der Vater Giovanni mit Ottilia auseinandergesetzt hatte, bringt der erste Teil der Schau mit teilweise selten gezeigten Werken zum Ausdruck.

An das Ölbild «La madre» von 1905 (Bündner Kunstmuseum Chur), das an Madonnenbilder des Quattrocento erinnert und die einjährige Ottilia in den Armen der Mutter mit den Söhnen Alberto und Diego kombiniert, schliessen sich Darstellungen der Schwester in sehr unterschiedlichen Techniken an.

Ottilia ist in einer hölzernen Stuhllehne zu entdecken, auf Entwürfen zu Glasfenstern, auf weiteren Gemälden und Zeichnungen, ja selbst in Radierungen und Holzschnitten. Mal ist sie nähend, lesend oder am Klavier wiedergegeben, meist wirkungsvoll in eine koloristisch bunte Umgebung eingebettet.

Zwei familiäre, noch nie öffentliche gezeigte Filme aus Privatbesitz runden zusammen mit Fotos und weiteren Erinnerungsstücken die insgesamt 80 Exponate umfassende Ausstellung ab.

Verfasser: Walter Labhart, ch-intercultur

(SDA)

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