Edward Hoppers Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen sind wie Filmstills oder eingefrorene Momente einer Geschichte: In «Cape Cod Morning» von 1950 zum Beispiel ist eine Frau im roten Kleid zu sehen, die in gespannter Erwartung aus einem Hauserker in Richtung der aufgehenden Sonne blickt.
Was sie anblickt, ist nicht zu sehen. Ein dunkler, undurchdringlich scheinender Wald im Hintergrund suggeriert aber etwas Unheilvolles. Die Szenerie erscheint wie eine endlose Stille vor dem Sturm, ein Moment einer Geschichte, die sich im Kopf der Betrachter fast von selber weiterspinnt.
Das Gefühl des Geheimnis- und Unheilvollen stellt sich bei sehr vielen Gemälden des berühmten amerikanischen Malers (1882-1967) ein, dessen figurativen Werke einen starken Kontrast zum innovativen abstrakten Expressionismus vieler seiner damaligen Künstlerkollegen bildeten. Dennoch gehören viele Werke Hoppers zu den grossen Ikonen der Moderne.
Das gilt in erster Linie für seine Szenen des städtischen Lebens, unter denen das Gemälde «Nighthawks» in Sachen Popularität sicher eine Spitzenposition einnimmt. «Dieses Bild zeigen wir nicht», sagte Sam Keller, Direktor der Fondation Beyeler, an der Medienpräsentation der Ausstellung vom Freitag. Er wollte dies aber explizit als Chance verstanden wissen: «So werden die anderen Werke nicht in den Schatten gestellt.»
Diese anderen Werke brauchen den Vergleich auch nicht zu scheuen. 65 sind es an der Zahl, 35 Ölgemälde, 16 Aquarelle und des weiteren Zeichnungen, die in Europa bislang kaum bekannt sind. Die Fondation Beyeler fasst sie im Kontrast zu den Stadtszenen als Landschaftsbilder zusammen. Dies trifft aber nur bedingt zu, denn in vielen von Hoppers uramerikanischen «Landschaften» stehen Menschen und Bauten im Zentrum.
Und wenn diese Menschen und Bauten fehlen, heben sich Hoppers Bilder klar von der akademischen Landschaftsmalerei ab. Das wird im Gemälde «Cape Ann Granite» von 1928 besonders deutlich. Das von starken Licht-Schatten-Kontrasten geprägte Abbild einer Küstenlandschaft verweigert den Aus- und Überblick. Vom Meer, das bei einer Küstenlandschaft eigentlich eine Hauptrolle einnehmen sollte, ist nur ein kleinster Teil zu sehen.
Dieses Gemälde spielt eine wichtige Rolle in der und für die Ausstellung in Riehen. Es gehörte einst zur berühmten Rockefeller-Sammlung. Im Mai 2018 wurde es bei einer denkwürdigen Auktion von Christie's in New York für 8,4 Millionen Dollar versteigert. Der neue Besitzer, dessen Name geheim bleibt, überliess das Bild der Fondation Beyeler als Dauerleihgabe.
Das Museum ist damit also eines der ganz wenigen Häuser in Europa, das einen Hopper dauerhaft präsentieren kann. Die allermeisten Werke befinden sich in den USA, sehr viele davon im Whitney Museum of American Art in New York, das als Hauptleihgeber eng mit der Fondation Beyeler kooperierte.
Den Begriff Filmstill als Umschreibung für die von Hopper gemalten Szenerien kann in der Ausstellung übrigens auch wörtlich genommen werden. Hopper selber war ein Fan des Kinos, und viele berühmte Filmregisseure, darunter Alfred Hitchcock, nahmen umgekehrt in ihren Werken explizit Bezug auf dessen Bilder.
Zu den Hopper-Bewunderern zählt auch der deutschen Filmemacher Wim Wenders. Als Premiere ist ein von ihm aktuell gedrehter 3D-Kurzfilm mit dem Titel «Two or Three Things I Know about Edward Hopper» zu sehen. Wenders verleiht in seiner Hommage an das erzählerische Werk des Malers einer Reihe von Bildern einen visuellen Nachhall. Auf subtile Weise deutet er Fortsetzungen der eingefrorenen Bildgeschichte an, aber ohne der Phantasie der Betrachter gleich alles abzunehmen.
Die Ausstellung «Edward Hopper» in der Fondation Beyeler in Riehen dauert bis 17. Mai 2020.
(SDA)