Entschieden hat die Aufnahme der Prozessionen auf die Repräsentative Kulturerbe-Liste das 14. zwischenstaatliche Komitee für die Bewahrung des immateriellen Kulturerbes in der kolumbianischen Hauptstadt Bogotá, wie die Bundesbehörden am Donnerstagabend mitteilten.
Die Prozessionen von Mendrisio finden jedes Jahr am Gründonnerstag und am Karfreitag statt und ziehen tausende Zuschauerinnen und Zuschauer an. Nächstes Jahr finden sie am 9. und 10. April statt.
Die Gründonnerstagsprozession ist der Passion und dem Kreuzweg Christi gewidmet und wird von rund 270 Darstellerinnen und Darstellern durchgeführt. Die Karfreitagsprozession ist schlichter und spiritueller geprägt. 700 Einwohnerinnen und Einwohner, Erwachsene und Kinder, schreiten dabei, von einer Musikkapelle begleitet und zeremonielle Objekte tragend, durch die Strassen.
Während der Prozessionen werden die Lichter in der Stadt gelöscht und die Strassen sind nur durch das Leuchten der «Trasparenti» erhellt. Diese von innen beleuchteten, eingerahmten durchscheinenden Gemälde werden seit dem 18. Jahrhundert in einer speziellen Technik hergestellt und sind eine Besonderheit der Prozessionen von Mendrisio.
Ein grundlegendes Element der Kandidatur war das Anliegen, die Kenntnisse der Bildrestaurierung der jahrhundertealten Objekte zu erhalten und für das Schaffen neuer Werke weiterzuvermitteln, wie es heisst.
Die Weitergabe von Generation zu Generation bilde einen wesentlichen Bestandteil der Prozessionen. Davon zeuge auch die Zusammenarbeit mit den Schulen der Region, die Einrichtung eines Museums für die «Trasparenti» und die Bereitstellung von pädagogischem Material für Kinder.
Das Kandidaturdossier war in Zusammenarbeit des Bundesamtes für Kultur (BAK) mit der Stiftung Processioni Storiche di Mendrisio und mit Unterstützung der Gemeindebehörden von Mendrisio ausgearbeitet und im März 2018 eingereicht worden.
Im Oktober 2014 hatte der Bundesrat eine Vorschlagsliste von acht Schweizer Traditionen genehmigt, deren Kandidaturen der Unesco laufend für eine Aufnahme auf die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit vorgelegt werden.
Auf dieser Vorschlagsliste figurierten neben den Historischen Prozessionen von Mendrisio das Winzerfest in Vevey, die Basler Fasnacht und der Umgang mit der Lawinengefahr. Diese Traditionen wurden in den vergangenen Jahren bereits auf die Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen.
Ebenfalls auf der Vorschlagsliste finden sich Schweizer Grafikdesign und Typografie, die Schweizer Alpsaison und der Jodel. Das Dossier des Uhrmacherhandwerks wurde im März 2019 eingereicht. Des Weiteren beteiligte sich die Schweiz an den multinationalen Kandidaturen der Kunst des Trockenmauerbaus, aufgenommen 2018, sowie des Alpinismus, aufgenommen am (gestrigen) Mittwoch ebenfalls in Bogotá.
Mit dem Übereinkommen zur Bewahrung des immateriellen Kulturerbes, das sich von der Welterbekonvention unterscheidet, will die Unesco ein Kulturerbe thematisieren und schützen, das weniger mit Bauten oder Räumen zusammenhängt, sondern in erster Linie mit der Zeit sowie mit gemeinschaftlichen Praktiken und gesellschaftlichen Interaktionen.
Dieses Erbe umfasst lebendige Traditionen wie mündliche Ausdrucksformen, darstellende Künste, gesellschaftliche Praktiken, Rituale und Feste, Wissen und Praktiken im Umgang mit der Natur und dem Universum sowie Fachwissen über traditionelle Handwerkstechniken. Es widerspiegelt somit die kulturelle Vielfalt und zeugt von der menschlichen Kreativität.
(SDA)