Er begrüsst Besucher mit der linken Hand, die rechte spürt der Komiker Guy Landolt (55) nicht mehr. Mitten im Zürcher Quartier Wipkingen lebt er seit zwei Jahren in einer kleinen, gemütlichen Dreizimmerwohnung. 800 Franken kostet die Miete, 3000 Franken erhält er monatlich von der IV. «Das reicht, mehr brauche ich nicht.» Am liebsten hält er sich in der Küche auf. Da steht sein Holztisch mit dem Computer. «Ich tippe mit einzelnen Fingern. Alles, was mir gerade in den Sinn kommt, sonst vergesse ich es.» Für den Rechtshänder ist das Schreiben mit der rechten Hand unmöglich geworden. Fasst er nach einem Kugelschreiber, beginnt diese sofort zu zittern. «Manchmal bin ich wütend auf meine rechte Hand», sagt er. Seine Unterschrift schreibt er mit der linken, mehr geht nicht.
Seine Artikulationsfähigkeit ist begrenzt: «Heute ist nicht so ein guter Tag. Oft kann ich sprechen, und fast niemand merkt etwas, und dann – wie heute – lalle ich wie ein Betrunkener.» Beim Gehen hinkt er leicht. Dass er im dritten Stock ohne Lift wohnt, stört ihn nicht, im Gegenteil. «Manchmal kann ich drei Stufen auf einmal nehmen, das stellt mich dann sehr auf.» Sein heutiger Tagesablauf: Zwei Stunden braucht er am Morgen, um in die Gänge zu kommen, wie er sagt. Nach dem ersten Kaffee nimmt er dreieinhalb Tabletten zur Blutverdünnung, zwei weitere am Abend. Fast täglich hat er Therapien: Physio, Ergo, Logopädie. «Dies hilft mir, mein Gedächtnis, meine kognitiven und körperlichen Fähigkeiten sowie meine Sprache wieder ganz zu erlangen.»
Er erlitt zwei Schlaganfälle innert 24 Stunden
Die Nacht auf den Samstag des 23. Juli 2016 hat Guy Landolts Leben verändert. Er wachte auf, weil er sich schlecht fühlte. «Ich schwankte orientierungslos ins Bad. Eine gute Freundin, die im Gästezimmer schlief, wachte auf, sah mich und hat sofort realisiert, dass mit mir etwas nicht stimmt», so das einstige Mitglied der Comedy-Combo Trio Eden. Sie rief den Notfall. «Das Einzige, woran ich mich erinnern kann, ist, dass zwei Pflegerinnen kamen. Dann tauchte ich ab. Als ich aufwachte, lag ich im Spital.» Die Diagnose bekam er schnell: Guy Landolt erlitt einen Schlaganfall. Am Tag darauf einen zweiten, der das Sprachzentrum und die Augen beeinträchtigte. Sein Leben bestand damals aus seinem Spitalzimmer im Zürcher Universitätsspital und einem Rollstuhl. «Das Verrückte ist, dass ein Schlaganfall nicht wehtut und man ihn nicht bemerkt.»
Guy Landolt lernte das Nicht-Denken kennen
Landolt beschreibt seine damalige Situation so: «Ich fühlte mich wie Gemüse. Mein Gehirn konnte die Eindrücke, die ich sah, nicht mehr einordnen, meine Augen sahen nicht mehr synchron. Ich sah jede Person doppelt, aber nicht nebeneinander, sondern eine irgendwo ganz anders. Darum bekam ich eine Augenklappe.» Nach zweieinhalb Wochen im Spital musst er für vier Monate in die Reha. «Das Verrückteste war, dass ich das Nicht-Denken kennenlernte. Kaum schloss ich abends die Augen, hatte ich nicht den kleinsten Gedanken an irgendwas, auch keinen Traum. Irgendwie fand ich das entspannend.»
Bevor Landolt vom Schlag getroffen wurde, stand er mitten im Leben. Als festes Ensemblemitglied, schlüpfte er bei «Ewigi Liebi» 600 Mal in das Kostüm des Murmelvaters Guschti. Er war schon lange Nichtraucher, trank höchstens im Ausgang. Er lebte in einer grossen Wohnung in Zürich Altstetten, fuhr oft Velo und liebte das Wandern.
Sein neuer Tagesablauf bestand darin, Gedächtnisübungen zu machen und seine Sprache wiederzufinden. «Mit den Pflegerinnen versuchte ich Kreuzworträtsel zu lösen und Memory-Karten zu legen. «Das war anfangs schlimm. Sie konnten eine aufdecken und zurücklegen, und ich wusste nicht mehr, was es genau war, das war zum Verzweifeln.» Sein Langzeitgedächtnis war dafür besser als zuvor. «Ich wusste, was ich am ersten Kindergartentag anhatte, aber nicht mehr, wie die gebogene, gelbe Frucht heisst. Das Wort Banane kam mir einfach nicht in den Sinn.»
Mit seinem Schicksal hat er anfangs gehadert
Anfangs habe er mit seinem Schicksal gehadert. «Natürlich fragt man sich, wieso gerade ich, was habe ich falsch gemacht. Ich habe scheinbar auch nachts geweint, wie mir die Pfleger sagten, selbst kann ich mich daran nicht mehr erinnern», sagt Guy Landolt. «Weshalb es den einen trifft und den anderen nicht, kann niemand genau sagen. Ich glaube, dass es wichtig ist, die Situation zu akzeptieren und weiterzugehen.»
Der Schicksalsschlag hat ihn lieber und dankbarer gemacht
Das tut Guy Landolt. Er hat aus seinem Erlebten das Comedy-Programm «Schlagfertig» geschrieben. Am 30. September wird er es in der Zürcher Maag Halle vor 600 Leuten uraufführen. «Mein Ziel ist, wieder durch meinen Beruf, den ich liebe, mein Leben zu finanzieren und nicht ewig auf die IV angewiesen zu sein.» Angst vor einem erneuten Schlaganfall hat er nicht. «Meine Ärzte sagen, die Möglichkeit dafür sei sehr gering.» Das Gute, das er aus seinem Schicksalsschlag zieht, ist, wie er sagt: «Er hat mich freundlicher und dankbarer gemacht. War ich früher getrieben von Erfolg, bin ich heute glücklich, wenn ich klar sprechen kann.»
Bei einem Schlaganfall wird das Gehirn nicht ausreichend mit Blut versorgt. Entsprechend fehlt wichtigen Hirnregionen Sauerstoff. Auslöser können ein Blutgerinnsel, eine Gefäss- oder Arterienverkalkung, eine erbliche Vorbelastung oder ein nicht behandelter hoher Bluthochdruck sein. Früher erlitten vorwiegend Menschen ab dem 75. Lebensjahr einen Schlaganfall. Seit der Jahrtausendwende stellen Forscher fest, dass die Betroffenen immer jünger werden. «Fast jeder fünfte Schlaganfallpatient, den wir heute behandeln, ist unter 55 Jahren», sagt Roland Backhaus, Ärztlicher Leiter des Stroke Center der Klinik Hirslanden in Zürich.
Dies trifft auch Menschen, die nicht rauchen, sich ausreichend bewegen und gesund leben. Die Gründe, warum es jemanden treffen kann, sind vielseitig. In reichen Ländern wie der Schweiz erhöhen einseitige Ernährung, starker Konsum von Süssgetränken und exzessives Sportverhalten zusätzlich das Schlaganfallrisiko, das sich durch Rauchen und Alkoholkonsum weiter steigert.
«Auch global ist eine Zunahme der Schlaganfälle bei jüngeren Menschen zu verzeichnen, die wiederum Folge veränderter Ernährungs- und Lebensstilgewohnheiten sind, zudem spielen auch Umweltfaktoren hier eine Rolle», so Backhaus. Fettleibigkeit, Umweltfaktoren, geringe Information und schlechte medizinische Versorgung, wie sie oft in Schwellenländern festgestellt wird, würden das Schlaganfallrisiko erhöhen. Bis zum Jahr 2035 gehen grosse, internationale Studien gar von einem Anstieg von 34 Prozent bei Jungen aus.
Bei einem Schlaganfall wird das Gehirn nicht ausreichend mit Blut versorgt. Entsprechend fehlt wichtigen Hirnregionen Sauerstoff. Auslöser können ein Blutgerinnsel, eine Gefäss- oder Arterienverkalkung, eine erbliche Vorbelastung oder ein nicht behandelter hoher Bluthochdruck sein. Früher erlitten vorwiegend Menschen ab dem 75. Lebensjahr einen Schlaganfall. Seit der Jahrtausendwende stellen Forscher fest, dass die Betroffenen immer jünger werden. «Fast jeder fünfte Schlaganfallpatient, den wir heute behandeln, ist unter 55 Jahren», sagt Roland Backhaus, Ärztlicher Leiter des Stroke Center der Klinik Hirslanden in Zürich.
Dies trifft auch Menschen, die nicht rauchen, sich ausreichend bewegen und gesund leben. Die Gründe, warum es jemanden treffen kann, sind vielseitig. In reichen Ländern wie der Schweiz erhöhen einseitige Ernährung, starker Konsum von Süssgetränken und exzessives Sportverhalten zusätzlich das Schlaganfallrisiko, das sich durch Rauchen und Alkoholkonsum weiter steigert.
«Auch global ist eine Zunahme der Schlaganfälle bei jüngeren Menschen zu verzeichnen, die wiederum Folge veränderter Ernährungs- und Lebensstilgewohnheiten sind, zudem spielen auch Umweltfaktoren hier eine Rolle», so Backhaus. Fettleibigkeit, Umweltfaktoren, geringe Information und schlechte medizinische Versorgung, wie sie oft in Schwellenländern festgestellt wird, würden das Schlaganfallrisiko erhöhen. Bis zum Jahr 2035 gehen grosse, internationale Studien gar von einem Anstieg von 34 Prozent bei Jungen aus.