Ein sonniger Tag im Februar. Tatort Bundesarchiv Bern. Regisseur Micha Lewinsky (47) ist gekommen, um seine Fiche einzusehen. Der Zeitpunkt wäre nie passender: Heute Donnerstag läuft sein Spielfilm «Moskau einfach!» über die vor 30 Jahre brodelnde Affäre an. Dass er von der Bundespolizei als Teenager registriert wurde, kam so: «1987 sollte ich als 14-Jähriger einen Vortrag über die Transsibirische Eisenbahn halten. Internet gab es damals nicht, also habe ich zum Hörer gegriffen und jemanden angerufen.» Sein Kontakt mit der russischen Botschaft half ihm für die Schularbeit zwar nicht weiter. Doch der Anruf wurde zum Lehrstück und späteren Filmstoff.
«Ich gehe heute noch fest davon aus, dass nicht unser Telefon abgehört wurde, sondern das der Botschaft. Aber wenn ich mir vorstelle, wie da jemand von der Kapo Zürich sass und meinen Anruf notierte, bin ich auf eine seltsame und beängstigende Art fasziniert.» Als er nach Auffliegen der Affäre erstmals erfuhr, dass es auch über ihn eine Fiche gebe, war das «zuerst wie ein Ritterschlag. Nachträglich bin ich nun jedoch höchst erstaunt, wie so etwas Banales in den Akten landen konnte. Das zeigt die Absurdität des Ganzen».
«Eine eigentliche Aufarbeitung fand keine statt
Für Lewinsky war es spannend zu sehen, wie mit der Affäre umgegangen wurde. «Zuerst gab es einen Aufschrei. Und dann passierte ... fast nichts. Es wurden zwar ein paar Gesetze angepasst. Aber eine eigentliche Aufarbeitung fand keine statt. Für eine Demokratie finde ich das schockierend. Der Skandal wurde nie zum Schulstoff. Und man erfuhr auch nicht, wer einen wirklich überwachte. Die entscheidenden Stellen sind ja immer noch geschwärzt.»
Dass «Moskau einfach!» die Optik des Spitzels einnimmt, lag für Lewinsky auf der Hand. «Für das Opfer hat man alle Sympathien. Das wäre ein klares Drama gewesen und hätte mich weniger gereizt. So kommt die Figur des Spitzels an ihre Grenzen und ist hin und her gerissen, wie sie sich verhalten soll. Und auch die Zuschauer sind es: Soll ich diesen Typen nun sympathisch finden oder nicht?»
Hellseherische Fähigkeiten
Einen bekannten Fan hat der Film bereits. Alt Bundesrat Moritz Leuenberger (73), der 1989 die zuständige PUK präsidierte, zeigte sich an der Premiere hell begeistert. Und «Moskau einfach!» ist in Anbetracht des soeben aufgebrochenen Crypto-Skandals aktueller denn je, und die Drehbuchautoren waren offenbar beinahe hellseherisch begabt. Im Film sagt Schauspielhaus-Kantinenwirt Küde nämlich: «Die überwached doch immer no alls. Hüt schaffeds eifach mit em CIA zäme.»