1923 gründeten die Brüder Walt und Ron Disney in der Garage ihres Onkels eine Firma, die die Kinder- und Erwachsenenunterhaltung nachhaltig verändern sollte. Wir blicken mit dem Disney-Experten Oliver Noelle (56) auf zehn prägende Meilensteine in der hundertjährigen Geschichte von Disney zurück.
«Steamboat Willie» (1928)
Dieser Film markierte den Anfang von Disneys ikonischer Figur Micky Maus, die sich hier dem Publikum zum ersten Mal zeigte. Wenn auch nur kurz: 8 Minuten dauert der Trickfilm «Steamboat Willie». Er war der erste Zeichentrickfilm mit synchronisiertem Ton – und gilt als wichtiger Meilenstein in der Geschichte der Animation. Oliver Noelle, Co-Redaktionsleiter von der Filmzeitschrift «Cinema», sagt: «Der grosse Erfolg von ‹Steamboat Willie› ermöglichte Disney, nur fünf Jahre nach der Gründung weitgehende und teurere Projekte in Angriff zu nehmen».
«Schneewittchen und die sieben Zwerge» (1937)
Die Verfilmung des Märchens der Gebrüder Grimm war der erste abendfüllende Zeichentrickfilm überhaupt. Vorher lief diese Kunstform nur als Kurzfilme im Kino. Noelle sagt: «Walt Disney hatte den künstlerischen Willen, die cineastische Tradition kurzer Zeichentrickfilme zu durchbrechen.» Der Film dauert 83 Minuten. Und verschaffte dem Zeichentrickfilm endgültig zum Durchbruch.
«True-Life Adventures» (1948 bis 1960)
«Ein bisschen in Vergessenheit geraten sind Disneys Tierdokumentationen», sagt Experte Noelle. Er hat im Buch «Cinema präsentiert: 100 Jahre Disney», das am 31.10. erscheint, die Geschichte des Unterhaltungs-Giganten aufgearbeitet. Disney gilt als Vorreiter in der Tierdokumentation und ebnete den Weg für weitere Naturfilme. Kaum vorstellbar, aber wahr: Tier- und Naturfilme gab es bis dahin nicht. Mit der «True-Life Adventures»- Reihe nahm Disney sein Publikum mit auf Entdeckungsreise zu Land, zu Wasser und in die Luft. Bis 1960 brachte der Konzern untere diesem Titel Filme ins Kino und sie bekamen regelmässig Auszeichnungen. «Die Robbeninsel» aus dem Jahr 1948 erhielt sogar einen Oscar.
Disneyland (1955)
Das Disneyland in Anaheim im Bundesstaat Kalifornien öffnete 1955 seine Tore und wurde zum Vorbild für Themenparks weltweit. Es begann ganz klein: Die Fläche des Parks entsprach bei der Eröffnung ungefähr vier Fussballfeldern. Die Idee von Disney: Zauberhafte und magische Welten in die Realität zu überführen und erlebbar zu machen. Der Themenpark entsprang Walt Disneys persönlicher Inspiration, wie Noelle sagt: «Er wollte das Paradies seiner Kindheit auf dem Land wieder erschaffen, seine Freizeitparks erinnern an die amerikanischen Kleinstädte wie Marceline, Missouri, wo er fünf Jahre lebte».
«Das Dschungelbuch» (1967)
Die Verfilmung von Rudyard Kiplings «Das Dschungelbuch» markiert gleichzeitig das Ende wie auch den Anfang einer Ära. Die Geschichte rund um Mowgli, Bagheera und Baloo war der letzte Zeichentrickfilm, an dem Walt Disney persönlich mitwirkte. Und er nahm bis zum Schluss Einfluss: «Walt Disney hat die Rolle des Baloo stark geprägt und sorgte dafür, dass sie grösser wurde als in der Originalerzählung», sagt Noelle. Auf Deutsch kennen wir den Ohrwurm «Probiers mal mit Gemütlichkeit» der den Charakter von Baloo gut umschreibt. Das Dschungelbuch markierte jedoch auch den Anfang von zwei schwierigen Jahrzehnten für Disney.
Disney-Renaissance (1989)
Mit der Geschichte der rothaarigen Meerjungfrau Arielle beginnt die sogenannte Disney-Renaissance. Dabei handelt es sich um eine Disney-Ära bis 1999, die nach den wirtschaftlich schweren Jahren wieder Aufschwung brachten. «In den 60er- und 70er-Jahren war Disney nicht sonderlich erfolgreich und eher bekannt dafür, einfache Kinderfilme zu produzieren», sagt Noelle. Nach diesem Tief kam Disney zurück, und wie: Klassiker wie «Die Schöne und das Biest», «Aladdin» und «Der König der Löwen» tragen bis heute zum Kultfaktor des Konzerns bei und prägten ganze Generationen, nicht zuletzt auch durch ihre Filmmusik.
«Toy Story» (1995)
Die Story ist einfach: Es geht darum, was Spielsachen so treiben, wenn wir nicht hinschauen. Zum Meilenstein wurde «Toy Story», weil er der erste vollständig am Computer animierte Film der Geschichte ist. Das Know-how kam von aussen. Von der Firma Pixar: «Disney und Pixar gehörten damals noch nicht zusammen, aber Disney vertrieb die ersten fünf Pixarfilme und übernahm die Firma im Jahr 2006», sagt Noelle.
«Star Wars» und die Expansion des Disney-Imperiums (2012)
Mit der Übernahme von Lucasfilm übernahm Disney die «Star Wars»-Filmserie. Dieser Schritt hat das Disney-Imperium in eine weit, weit entfernte Galaxie geführt und zu einer neuen Ära epischer Weltraumabenteuer beigetragen. «Bereits Walt Disney war stark daran interessiert, mehrere Säulen für sein Unternehmen zu schaffen. Disney setzte nie nur auf Filme, sondern schon in den 1930ern auf Merchandise», sagt Noelle. Merchandise, also seine Trickfilme und Figuren weiter zu vermarkten in Form von Kleidern, Spielzeug, Computergames und Plüschfiguren, liegt in der DNA des Unternehmens.
«Die Eiskönigin – völlig unverfroren» (2013)
Dieser Zeichentrickfilm gilt nicht nur als kommerzieller Meilenstein, sondern auch als kultureller. Mit «Frozen» (so der Originaltitel) brach Disney endgültig mit dem traditionellen Prinzessinnenbild von Cinderella, Rapunzel und Aschenputtel. «Mit der Eiskönigin Elsa läutete Disney eine neue Ära der Prinzessinnen ein – mutig, unabhängig, selbstbewusst, aktiv das eigene Leben gestaltend und unabhängig von einem Mann», sagt Noelle.
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Disney+ und der Streaming-Boom (2019)
Nach den Übernahmen von Pixar (2006), Marvel Studios (2009) und von 20th Century Fox (2017) bietet Disney+ einen reichen Katalog von Spielfilmen, Animationsfilmen und Serien. «Dass Disney in den Streamingmarkt einsteigen würde, war absehbar. Es überrascht mich, dass es so lange gedauert hat», sagt Noelle. Der Blick von Walt Disney war seit jeher auf die Zukunft ausgerichtet und immer hellwach, wenn es um Innovationen ging.
Während Disney in den vergangenen 100 Jahren viele Meilensteine erreicht hat, bleibt die Magie lebendig und inspiriert weiterhin Generationen von Zuschauern weltweit. Happy 100th, Disney!
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