Er lässt seine Fans ganz nah ran: Frontmann Campino (56) gewährt im Kinofilm «Weil du nur einmal lebst - Die Toten Hosen auf Tour» Einblick in den Alltag der Punkband auf und abseits der Bühne. Die Filmemacherin Cordula Kablitz-Post (54) hält das Phänomen der Hosen auf Leinwand fest – bis zum bitteren Ende.
Was ist das Privateste, das man von Campino in dem Film zu sehen bekommt?
Cordula Kablitz-Post: Da ist unheimlich viel Privates drin. Weil er nicht der Typ ist, der ein Image vor sich herträgt oder vorgibt, jemand zu sein, der er nicht ist. Wir durften überall drehen, nicht nur Backstage und im Tourbus. Ich glaube sie hätten uns sogar in die Dusche gelassen, aber danach habe ich nicht gefragt.
Wo ziehen Sie die Grenze Campino?
Campino: Wenn man bei einem solchen Projekt zusagt, muss man Eitelkeiten über Bord werfen. Das Publikum ist immer da besonders begeistert, wo es für mich unangenehm wird. Wichtig war mir, dass der Wunsch respektiert wird, Menschen aus unserem privaten Umfeld rauszuschneiden, wenn sie nicht gezeigt werden wollen.
Wie war es, sich selber im Film zu sehen?
Campino: Eine grosse Erleichterung, mir ist nichts daran peinlich und das ist ein wirklich gutes Gefühl. Klar habe ich mal gestöhnt, wenn ich mich in einer unvorteilhaften Pose sehe oder mein Krächzen beim Warmsingen höre. Aber für die Zuschauer sind das vielleicht die spannendsten und lustigsten Szenen, das gehört dazu.
Früher wurde in eurem Tourbus noch gefeiert, jetzt gibts Ingwertee und Sport. Ist so eine Tournee inzwischen Hochleistungssport?
Campino: Das hatte damals auch mit Hochleistungssport zu tun. Aber ja, heute sind wir auf der Bühne sportlicher denn je und würden die Mannschaft von 1982 locker in die Ecke stellen. Aber im Nachtleben waren wir damals die ungeschlagenen Könige, dagegen sind wir heute bedauernswerte Tröpfe. Ich bereue und vermisse nichts von der Vergangenheit, aber das konnte nicht für immer so weitergehen. Letztendlich sind wir Profis und verdienen unser Geld damit, also müssen wir den Zuschauern auch etwas bieten.
Was war für sie der Wendepunkt?
Campino: Ein Kollaps nachdem ich vier Nächte durchgemachte hatte, das war noch in den wilden Zeiten Ende der 1980er-Jahre. Unsere Tournee hatte gerade erst gestartet und ich landete mit Stimmbandriss im Krankenhaus. Der Arzt wusch mir dann den Kopf. Er warnte mich, dass ich mir einen anderen Job suchen müsse, wenn ich so weitermachte. Den Rest der Saison verbrachte ich in totaler Isolation, während die Jungs weiter feierten. Nicht mal zum Soundcheck durfte ich. Das war meine schrecklichste Tour.
Wie hat sie das verändert?
Campino: Für mich gab es keinen Alkohol oder Drogen mehr, zumindest nicht, bevor es auf die Bühne geht. Die anderen machten natürlich fröhlich weiter. Die Situation war schwierig für mich, weil ich entsprechend der Einzige war, der hörte, wenn wir schlecht spielten. Das führte zu ein paar Krisensitzungen. Heute gehen wir alle nüchtern auf die Bühne, gefeiert wird nachher.
Sie springen noch immer ins Bad der Menge, ist das ein Jungbrunnen oder eher riskant?
Campino: Das ist nichts anderes, als eine hilflose Geste. Wir wollen damit zeigen, dass wir noch immer auf Augenhöhe mit dem Publikum sind. Früher, als die Konzerte noch kleiner waren, konnten wir anschliessend gemeinsam an der Bar stehen, das ist in den Megahallen heute nicht mehr möglich, also ist so ein Sprung noch der einzige Körperkontakt. Darum mag ich auch keine Absperrungen, ich will nicht 20 Meter vom Publikum weg sein.
Heute sind die Sicherheitsdispositive sehr hoch.
Campino: Ja, bei uns besonders. Seit 1996 bei unserem 1000. Konzert ein junges Mädchen im Gedränge zu Tode gekommen ist, wurden die Sicherheitsmassnahmen verschärft. Darüber wollen wir uns keinesfalls beschweren, denn die Gesundheit aller Besucher geht vor, zugleich möchten wir unseren Fans aber auch so viel Freiraum wie möglich geben und wenig Vorschriften machen. Sonst kann man sich gleich in ein Musical reinsetzen.
Sie sind seit kurzem britischer Staatsbürger?
Campino: Ja, das war längst fällig. Meine Mutter war Engländerin und sie würde sich sehr freuen, wenn sie das noch miterlebt hätte. Sie ist schon länger verstorben. Mit dem Brexit hat meine Entscheidung aber nichts zu tun, den halte ich für eine Tragödie. In dieser Phase kann ich damit höchstens eine symbolische Nähe schaffen. Ich bleibe als erstes Düsseldorfer, dann Europäer, Deutscher und jetzt bin ich auch noch Brite.
Campino kam am 22. Juni 1962 in Düsseldorf (D) als Andreas Frege zur Welt. Der Vater war Richter, die Mutter hatte als gebürtige Engländerin in Oxford studiert und zog die sechs Kinder zweisprachig auf. Campino blieb zweimal im Gymnasium sitzen und schloss das Abitur darum mit dem zwei Jahre jüngeren Michael Breitkopf ab. Mit ihm – und vier weiteren Kollegen – gründete Campino 1982 die Band Die Toten Hosen. Campino ist Frontmann und Texter. Der Musiker hat einen 14-jährigen Sohn.
Campino kam am 22. Juni 1962 in Düsseldorf (D) als Andreas Frege zur Welt. Der Vater war Richter, die Mutter hatte als gebürtige Engländerin in Oxford studiert und zog die sechs Kinder zweisprachig auf. Campino blieb zweimal im Gymnasium sitzen und schloss das Abitur darum mit dem zwei Jahre jüngeren Michael Breitkopf ab. Mit ihm – und vier weiteren Kollegen – gründete Campino 1982 die Band Die Toten Hosen. Campino ist Frontmann und Texter. Der Musiker hat einen 14-jährigen Sohn.