Christoph Waltz, Sie leben seit 15 Jahren in London. Was sagen Sie zum Brexit?
Christoph Waltz: (Stöhnt laut auf) Ich könnte mir vor Sorge in die Hose machen. Es ist einfach grotesk, was geschehen ist. Ein Austritt aus der EU ist nicht nur kontraproduktiv … (hebt seine bis dahin leise Stimme an und brüllt) es ist wirklich bescheuert! Wirklich bescheuert!
Dieses Thema scheint Sie wirklich aufzuregen.
Hören Sie bloss auf! Dass man Idioten geglaubt hat, die argumentiert haben, dass man die Grenzen schützen muss. Haben die eigentlich schon mal festgestellt, dass sie auf einer Insel leben? Es gibt also keine wirklichen Grenzen, die sie schützen müssen.
Können Sie als Europäer nachvollziehen, warum ein Donald Trump in Amerika mit solch einem Gerede und Auftreten derart viele Anhänger hat?
Nein, ich kann es nicht erklären. Es raubt einem den Atem. Man könnte natürlich geschichtliche Parallelen dazu ziehen, wo andere Populisten Ängste in der Bevölkerung geschürt und sie gegen Gruppierungen aufgehetzt haben. In Europa haben wir damit ja so einige Erfahrungen gemacht und werden hoffentlich nicht noch einmal in eine solche Falle tappen.
Wie sehen Sie die Zukunft? Sind Sie ein optimistischer Mensch?
Wie kann man optimistisch nach vorne blicken, wenn man gleichzeitig sieht, wie die Menschen mit unserem Planeten umgehen und den Klimawandel ignorieren?
Was kann man dagegen tun?
Jeder Einzelne muss für sich selbst entscheiden, ob er unsere Erde in einem bessern Zustand verlassen will, als er sie vorgefunden hat. Das beginnt damit, weniger Ressourcen zu benutzen und weniger Energie zu verschwenden. Wir müssen endlich Eigenverantwortung zeigen!
Christoph Waltz appelliert an das Gute im Menschen. In seinen Filmen hingegen ist er meist der Böse.
In Ihren Filmen scheinen Sie sich hingegen auf Bösewichte spezialisiert zu haben.Und was ist daran schlimm? (Lacht) Wissen Sie, ich suche mir nicht nach diesen Gesichtspunkten eine Rolle aus. Ich bin aber auch kein Moralapostel, der sagt: «So einen Part spiele ich nicht, weil er so böse ist.» Überhaupt vermeide ich das B-Wort. Wenn man jemanden als Bösewicht bezeichnet, dann ist die Diskussion beendet. Ich will aber grade mit meinen Rollen erreichen, dass man über sie diskutiert.
Wie würden Sie denn Ihren Part als Leon Rom im neuen Tarzan bezeichnen? Er hatte den Spitznamen «Schlächter des Kongo».
Als einen Antagonisten. Als jemand, der die ganze Handlung, das ganze Drama in Bewegung setzt. Ohne ihn wäre alles viel weniger interessant.
Leon Rom gab es wirklich. Wie haben Sie sich in ihn hineinversetzt?
Ich hatte die Chance, meine Rolle mitzuentwickeln. Aber ich muss ja nicht zu jemandem werden, um ihn zu spielen. Ich weiss, dass das gerade in Mode ist. Aber das ist nicht mein Ding.
Aber wo holen Sie diese sehr glaubhafte böse Seite hervor?
Ich habe da eine Kiste. Auf der steht «Böse». Da zieh ich es raus (lacht).
Ihr Co-Star Margot Robbie muss Sie in einer Szene anspucken. War das echt?
Ja. Auch wenn sie davor gescheut und sich vorher entschuldigt hat. Es gibt Schlimmeres, als von Margot Robbie angespuckt zu werden. Und bevor Sie jetzt was Falsches schreiben: Nein, ich stehe nicht darauf (grinst).
Waren Sie als Kind eigentlich ein Tarzan-Fan?
Ich habe ein paar Filme mit Johnny Weissmüller gesehen. Aber so richtig Fan war ich nicht. Es gibt ja einen regelrechten Kult um diesen Tarzan.
In der neuen Version geht es nicht nur um seichte Unterhaltung. Es wird auch ein dunkles historisches Kapitel verarbeitet – Rohstoffausschlachtung, Versklavung, Massenmord an den schwarzen Einheimischen durch weisse Europäer.
Das war der Grund, warum ich das Projekt angenommen habe. Es ist Entertainment mit etwas Tieferem dahinter, einer politischen Message. Wie hat Bertolt Brecht so schön gesagt: «Alles was in der Öffentlichkeit geschieht, ist politisch.» Wobei, das trifft ja dann auf alle Filme zu, auch auf «Hangover 17» (lacht).
Social Media spielt bei der Vermarktung von Filmen eine immer grössere Rolle. Lassen Sie sich da auch einspannen?
Nein. Ich verweigere mich den sozialen Medien, weil ich sie antisozial finde. Ehrlich! Was ich so über Facebook lese, das ist schon längst kein harmloses kleines Online-Forum mehr, wo man sich auf ein Bier verabredet. Es ist zu einem Monstrum geworden. Ich habe ihm von Anfang an nicht getraut. Und überhaupt finde ich meine Meinung nicht so wichtig, als dass ich sie der ganzen Welt kundtun müsste.
Sie haben als Ausländer zwei Oscars gewonnen. Damit sind Sie in eine sehr elitäre Klasse aufgestiegen und sind in Hollywood gefragter denn je.
Die Frage ist, ob daran wirklich die Oscars schuld sind (grinst). Es ist, wie wenn man Kopfschmerzen hat und ein Aspirin nimmt. Wenn die Kopfschmerzen dann weg sind, lag das an dem Aspirin? Die Kopfschmerzen hätten ja auch von allein weggehen können. Es ist schwer zu sagen.
Sie haben erst jenseits der 50 in Hollywood den Durchbruch geschafft. Kann man mit dem Ruhm besser umgehen, als wenn man schon mit Mitte 20 gross rauskommt?
Ich denke, wenn es mit 25 passiert, dann fühlt man sich berufen. Wenn man älter ist, schätzt man es viel mehr. Ich hatte das Glück, eigentlich immer von der Schauspielerei leben zu können. Ich habe viel Theater gespielt. Allerdings war ich frustriert, weil ich die Energie für grössere Rollen hatte. Deshalb werde ich Quentin Tarantino auf ewig dankbar sein, dass er mir diese Chance ermöglicht hat.
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