Er ist 1,85 Meter gross, 80 Kilo schwer – und seine Verehrerinnen wussten am Montagabend nicht, ob sie mehr das Grübchen an seinem Kinn oder die Muskeln faszinierten, die sich deutlich unter seinem Anzug abzeichneten.
Ob auf dem roten Teppich zur Weltpremiere von «Man of Steel» in New York oder auf den Leinwänden rund um den Globus – Henry Cavill verkörpert Superman im Wortsinn. Zumal der Brite seinem Vorgänger Christopher Reeve († 52)wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Kaum zu glauben, dass der 30-Jährige zu Teenager-Zeiten das Objekt von Hänseleien war: «Alle haben mich nur Fat Cavill gerufen, weil ich Übergewicht hatte.»
Und wann sind Sie von Schwabbel zu Stahl mutiert?
Als ich mit 17 meine erste Rolle bekam, in der Neuverfilmung von «Der Graf von Monte Cristo». Bis zum Vorsprechen hatte ich zwanzig Pfund verloren – und damit meinen Spitznamen.
Von Fat Cavill zu Sexy Cavill. Geniessen Sie den Starruhm?
Ich finde den ganzen Rummel surreal. Besonders wenn ich mein Gesicht überall sehe. Auf den Filmpostern, auf Hamburger-Packungen und sogar als Puppe. Ich komme damit noch nicht so ganz klar.
Sie reden auch nie über die Frau an Ihrer Seite. Gina Carano ist eine ehemalige «Mixed Martial Arts»-Vollkontakt-Kämpferin, die als nächste Darstellerin für «Wonder Woman» im Gespräch ist. Kaum auszumalen, wenn da zu Hause mal die Fetzen fliegen …
Wonder Woman gegen Superman – ein wundervoller Kampf. Ich wäre gespannt, wer den Kürzeren zieht (grinst). Mehr sage ich dazu nicht.
Welche Superkräfte wünschen Sie sich manchmal im Alltag?
Ich wäre gerne in der Lage, Menschen zu richtigen Entscheidungen zu bewegen. Oder zumindest ihnen begreiflich zu machen, wie wichtig es ist, die richtige Entscheidung zu treffen, wenn sie im Leben am Scheideweg stehen. Wer das Falsche tut, sollte wenigstens sein Bestes geben, um es wiedergutzumachen.
Haben Sie besondere Talente?
Jeder Mensch hat besondere Talente. Meines ist, dass ich schon immer gut Geschichten erzählen und Leute damit in meinen Bann ziehen konnte. Deshalb bin ich ja auch Schauspieler geworden.
Es gab Kritik von militanten US-Patrioten, ein Brite dürfe nicht den amerikanischen Superhelden spielen.
Umso mehr freue ich mich, dass immer weniger Leute damit ein Problem haben. Denn eigentlich passe ich perfekt in diese Rolle. Ein Ausserirdischer vom Planeten Krypton, der in Amerika landet – da kann ich mich als Brite sehr gut hineinversetzen.
Sie müssen sich an Christopher Reeve messen lassen. Nicht gerade einfach, in die Fussstapfen einer Hollywood-Ikone zu treten.
Schon in sein Kostüm zu schlüpfen, war überwältigend. Als ich mich zum ersten Mal als Superman im Spiegel sah, fühlte ich mich alles andere als gut. Aber es hat mich angespornt, mein Allerbestes zu geben. Und meinen Körper so richtig in Form zu bringen.
Wie ist Ihnen das gelungen?
Ich hatte den härtesten aller Personal Trainer. Mark Twight brachte mich mit einem speziellen Trainingsprogramm über elf Monate lang in Form. In den letzten Monaten habe ich täglich 5000 Kalorien in mich hineingestopft, die dann zu Muskelmasse verwandelt wurden.
Einiges davon ist inzwischen wieder verschwunden.
Ich habe natürlich nach Abschluss der Dreharbeiten mit dem Extremtraining aufgehört. Ich will ja nicht im Privatleben mit einer Statur herumlaufen, als sei sie von Special-Effects-Leuten am Computer gebaut worden.
Russell Crowe spielt Jor-El, Ihren Vater auf Krypton. Hatten Sie schon mal mit ihm zusammengearbeitet?
Nein. Aber ich traf ihn einmal kurz als Teenager. Das hat mein Leben verändert. Ohne Russell stünde ich heute nicht hier.
Das müssen Sie uns erklären!
Er drehte 1999 auf dem Gelände meines Internats den Film «Lebenszeichen». Ich nahm mir ein Herz und sprach ihn während einer Drehpause an: «Hi, ich bin Henry und würde gerne Schauspieler werden. Wie ist das denn so?» Russell hat zu mir gesagt: «Manchmal ist es toll, manchmal nicht so toll. Aber mir macht es Spass, und ich bekomme einen Haufen Geld dafür.» Ich war so erstaunt darüber, dass er mit mir sprach, dass ich weggelaufen bin, ohne ihn um ein Autogramm zu bitten.
Schade.
Halt, die Geschichte ist noch nicht zu Ende. Ein paar Tage später bekam ich ein Paket. Es war von Crowe und enthielt Snacks, ein signiertes Rugby-Trikot und die CD seiner Band. Dazu hatte er auf einen Zettel geschrieben: «Lieber Henry, selbst eine 1000 Meilen lange Reise beginnt mit einem ersten Schritt.» Das hat mich motiviert, abzunehmen und mich um die Rolle in «Der Graf von Monte Cristo» zu bewerben.
Hat Crowe sich an Sie erinnert, als Sie ihn jetzt wiedergesehen haben?
Ich begrüsste ihn mit «Hi, ich bin der Dicke, der dich damals nicht um ein Autogramm gebeten hat.» Er starrte mich zuerst total verwirrt an. Doch dann fiel ihm wieder ein, wer ich bin.
Haben Sie Angst, dass Sie jetzt in alle Ewigkeit zum Superman-Darsteller abgestempelt werden?
Nein. Ich weiss, dass ich wandlungsfähig bin. Ich werde in Zukunft auch andere Rollen bekommen.
Gibt es beispielsweise schon ein konkretes Angebot für die Hauptrolle in «50 Shades of Grey»?
Nein. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. Aber es wäre auf jeden Fall eine andere Art von Rolle als «Man of Steel».
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