Das Unheimlichste im Horrorfilm ist, was man nicht sieht. «Der Unsichtbare» bestätigt diese Regel. Denn während «Hollow Man» im Jahr 2000 das gleiche Konzept mit einem Effekt-Feuerwerk umsetzte, setzt der neue Horrorfilm auf Zurückhaltung. Der Titel kommt nicht von ungefähr, hier erscheint der Feind beinahe den ganzen Film nicht im Bild. Leere Gänge sind deshalb so angsteinflössend wie nie zuvor. Schliesslich kann das Grauen überall lauern.
Cecilia Kass (Grossartig: Elisabeth Moss, 37) muss all ihren Mut aufbringen, um ihren gewalttätigen und manipulierenden Ehemann endlich zu verlassen. Als der schwerreiche Wissenschaftler kurz danach Selbstmord begeht, kann sie das erste Mal seit Jahren aufatmen. Mehrere Geschehnisse, die beinahe tödliche enden, überzeugen Cecilia aber immer mehr, dass Adrian noch am Leben ist – ihn aber niemand mehr sehen kann.
Doch kein «Dark Universe»
Eigentlich hätte Johnny Depp (56) die Rolle des unsichtbaren Manns spielen sollen. Der Hollywoodstar wäre Teil des vom Universal geplanten «Dark Universe» geworden, das mit «Die Mumie» begann. Angelehnt an das erfolgreiche Marvel-Konzept hätten die Monster schlussendlich eine Gruppe von Helden bilden sollen.
Als «Die Mumie» trotz Tom Cruise (57) in der Hauptrolle floppte, besann sich das Studio doch noch. Das «Dark Universe» wurde auf Eis gelegt. Die klassischen Filmmonster wie Frankenstein oder eben der unsichtbare Mann bekommen nun ihre eigenen, kleinen Horrorfilme.
Leigh Whannell ist der richtige Mann für den Job
Zum Glück. Denn das Konzept eines unsichtbaren Mörders funktioniert weitaus besser in einem intimen Horror-Film als in einem bombastischen Action-Spektakel. «Der Unsichtbare» braucht keinen Johnny Depp. «Der Unsichtbare» braucht einen fähigen Regisseur, der weiss, wie man aus Nichts Furcht entstehen lassen kann. Leigh Whannell (43, «Insidious: Chapter 3») ist dieser Mann. Dank langsamen Kamera-Fahrten, subtilen Effekten und einem exzellenten Sound-Design wird der Unsichtbare zu einem der furchterregendsten Film-Monstern der letzten Jahre. Zwar weist die Handlung einige Löcher auf, dem Genre-Spass tut das aber keinen Unterbruch.
Die besten Horrorfilme sind in der Realität verwurzelt. Den Hintergrund von «The Invisible Man» liefert eine vom Missbrauch geprägte Beziehung, aus der sich die Hauptfigur eigentlich lösen konnte und die sie dann doch wieder verfolgt. Wie es tragischerweise im echten Leben auch oft der Fall ist. «The Invisible Man» kann so die Schrecken eines brandaktuellen Themas aufzeigen – und ist dabei nervenaufreibend spannend.
4/5