In einer «Welle des Post-Faktischen» könnte der Film Abhilfe schaffen, wie der Kulturminister bei seiner Eröffnungsrede in der Solothurner Reithalle erläuterte. «Der Film kann uns nämlich zu teilnehmenden Beobachtern machen - ganz ohne Kommentierung, ganz ohne ideologische Kodierung.»
Genau diese Bedeutung misst Berset auch dem diesjährigen Eröffnungsfilm des Westschweizers Fernand Melgar bei: Der Dokumentarfilm «A l'école des Philosophes» taucht ein in den bewegten Alltag einer Schule für Kinder mit Behinderungen. Melgars Film zeige «die Realität in ihrem ganzen Reichtum» und verbinde «Gesellschaften, Kulturen und Milieus».
Der Film als verbindendes Element einer heterogenen Schweizer Gesellschaft: Mit der «No Billag»-Initiative sieht der Kulturminister diesen Kitt bedroht, wie er zum Schluss seiner Rede durchblicken liess.
Auch Direktorin Seraina Rohrer und Präsident Felix Gutzwiller nutzten ihre Eröffnungsreden für einen politischen Aufruf: Sie machten mit deutlichen Worten auf die Folgen einer Annahme von «No Billag» aufmerksam. «Längerfristig verlieren wir einen Teil der Schweizer Kultur, weil wir nicht mehr verstehen, wie andere fühlen und was anderen wichtig ist», sagte Rohrer vor den 900 geladenen Gästen der Eröffnungsfeier.
Ex-FDP-Ständerat Gutzwiller, der die Gesellschaft der Filmtage seit der diesjährigen Ausgabe präsidiert, sieht die Vielfalt des Schweizer Filmschaffens durch «No Billag» bedroht. Die Filmtage bezeichnete er als «Brücke zwischen der Romandie, der Deutschschweiz, der italienischen und der rätoromanischen Schweiz». Von «No Billag» wären sie auch betroffen: Sie erhalten Subventionen von der SRG, die zudem Hauptmedienpartnerin der Filmtage ist.
Auch Filmschaffende wollen sich im Rahmen der Werkschau des Schweizer Films gegen die Initiative stark machen - mit Aktionen, Podien und Kurzfilmen am 31. Januar.
Im Verlaufe von acht Tagen zeigen die Filmtage in verschiedenen Sektionen 159 Filme, wovon 28 Werke ihre Premiere in Solothurn feiern. Marcel Gisler zeigt im Hauptwettbewerb «Prix de Soleure» seinen neuen Spielfilm «Mario», der von einem schwulen Profifussballer handelt.
Ebenfalls für den mit 60'000 Franken dotierten Preis nominiert ist - neben Melgars Eröffnungsfilm - der Dokfilm «Die Vierte Gewalt» von Dieter Fahrer. Fahrer besuchte für seine Studie der Schweizer Medienwelt vier Zeitungs-, Radio- und Onlineredaktionen. Insgesamt sind neun Filme für den höchstdotierten Filmpreis der Schweiz nominiert, Jury-Präsident ist Oscar-Preisträger Xavier Koller.
In der Sektion «Prix du Public» kämpfen 11 Werke um die 20'000 Franken, die das Kinopublikum selber vergibt. Im Rennen ist etwa Wilfried Meichtry mit seinem Kinofilmdebüt «Bis ans Ende der Träume». In der Doku-Fiktion erzählt Meichtry die Liebesgeschichte der Schweizer Reiseautorin Katharina von Arx und des französischen Fotografen Freddy Drilhon.
An den Filmtagen wird traditionsgemäss an Rahmenveranstaltungen und in Spezialsektionen viel diskutiert: über die Situation Schweizer Filmschaffender, über den Nachwuchs - und über Politik. Letztere wird an den diesjährigen Filmtagen allgegenwärtig sein. Sollte nämlich das Stimmvolk am 4. März «Ja» zu No Billag sagen, würde das auch die Zukunft der Filmtage beeinflussen.