Ein schmuckloser Büroraum in einem ebensolchen Gebäude im Zürcher Kreis 4: Zwischen schlichten Regalen, Unmengen von Unterlagen und einem zerschlissenen Sessel sitzt Regisseur Christoph Schaub. Vom Glanz der Filmwelt keine Rede - wären da nicht Fotografien von Filmpremieren und Plakate: «Giulias Verschwinden», «Dreissig Jahre», «Stille Liebe».
Es sind Titel von Filmen, die der Zürcher Filmemacher in den vergangenen Jahrzehnten gedreht hat. Schaub gehört zu den renommiertesten Regisseuren seiner Generation. Neben kommerziell erfolgreichen Filmen wie eben «Giulias Verschwinden» mit Bruno Ganz und Corinna Harfouch dreht er auch Dokumentarfilme, vorwiegend über Architektur.
Seinem Werk, das nahezu 30 Filme umfasst, widmen die 53. Solothurner Filmtage die Spezialreihe «Rencontre». Bekannte und weniger bekannte Werke Schaubs sowie Podiumsgespräche sind Teil des «Rencontre»-Programms. Mit einer eigenen Sektion in Solothurn vertreten zu sein, sei ein «Ausdruck von Wertschätzung der eigenen Arbeit», sagt Schaub im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda.
1958 in Zürich geboren, hatte Schaub als junger Wilder in den 1980er Jahren zwei Katalysatoren: seine linksradikalen Botschaften in die Welt tragen - und Filme machen. Er verband die Politik mit der Kunst und drehte Interventionsfilme über die Zürcher Jugendbewegung.
Irgendwann gewann der Ästhet in Schaub die Überhand. «Und ich wollte mit meinen Filmen mehr als ein Sprachrohr der politischen Meinung sein.» So wandte er sich ab von seinen «Propagandafilmen», und 1987 entstand sein erster Spielfilm «Wendel», die Geschichte einer Männerfreundschaft.
Schon damals zeichnete sich ab, was den Autodidakten noch heute von anderen Berufskollegen unterscheidet: eine schier unendliche Neugier. Aus dem Aktionsfilmer wurde ein Regisseur, der Dramen, Komödien, Dokumentarfilme dreht, und sich so ein Stück weit immer wieder neu erfindet.
«Es gibt Regisseure, die eigentlich immer wieder erfolgreich den gleichen Filme drehen, Woody Allen etwa. Mich würde es langweilen, zweimal das Gleiche zu machen. Ich will mit jedem Film ein neues Terrain beackern.»
Neu erfunden hatte sich Schaub auch, als er in den 1990er Jahren über seinen damaligen Mitbewohner zur Architektur fand. Seither drehte er Dokfilme über Architekturgrössen wie Peter Zumthor oder Herzog & de Meuron. Und obwohl Schaub die Zusammenarbeit mit Menschen liebt, sagt er: «Gebäude haben keine neurotische Charakterstruktur.»
Dem breiten Publikum bekannt wurde Schaub mit dem Spielfilm «Sternenberg» (2004) mit Mathias Gnädinger. Für seinen international erfolgreichsten Film «Giulias Verschwinden» nahm der Regisseur 2009 am Filmfestival in Locarno den Publikumspreis entgegen.
Im Moment verbringt Schaub, der sich als Mitbegründer und Verwaltungsrat der Kinos Riffraff und Houdini in Zürich und Bourbaki in Luzern auch abseits der Kamera für die Filmbranche einsetzt, viel Zeit im Schneideraum: Der Kino-Essay «Architektur der Unendlichkeit» sowie der erste rätoromanische Spielfilm «Amur senza fin» befinden sich in der Postproduktion.
An Arbeit habe es ihm nie gemangelt, sagt der Filmemacher. Er lebt, wovon viele träumen. Und da er sich in seinen Architekturfilmen der Ästhetik widmet, tut es zum Arbeiten auch ein karger Büroraum.
Verfasserin: Annina Hasler, sda