Wenn Margot Robbie (29) in diesen Tagen als Harley Quinn mit ihrer Girl-Gang in der Comicverfilmung «Birds of Prey» fiese Typen vermöbelt, hat das fast schon Symbolwirkung. Denn starke Frauenfiguren werden in diesem Jahr die Kinoleinwände und TV-Bildschirme dominieren. So gaben weibliche Helden auch in den Trailern am Super Bowl vor ein paar Tagen ganz klar den Ton an. Mutige Powerfrauen in «Mulan» oder «Black Widow» liessen darin ihre Muskeln spielen. Und dass selbst 007 mittlerweile nicht mehr ohne weibliche Hilfe auskommt, daran hat man sich auch gewöhnt.
Tatsächlich sind starke Frauen in Hollywood schon seit längerem der Geschmack des Tages. Neu ist indes, dass das seit einiger Zeit nicht mehr nur für die Figuren vor der Kamera gilt, sondern auch für jene dahinter. «Birds of Prey», «Mulan» und «Black Widow» stammen allesamt von Regisseurinnen. Und während es früher eine absolute Rarität war, dass grosse, teure Actionfilme von einer Frau gedreht wurden, ändert sich das in diesen Tagen mit Vehemenz. «Star Wars»-Produzentin Kathleen Kennedy (66) jedenfalls kündigte bereits an, dass eine der kommenden Episoden der Sci-Fi-Saga «mit absoluter Sicherheit von einer Frau gedreht» würde. Und auch das «Wonder Woman»-Sequel «1984» wird bald wieder mit Frauenpower vor und hinter der Kamera in die Schweizer Kinos kommen.
So viele weibliche Beiträge wie noch nie
Der Boom von Filmen von Regisseurinnen zeigt sich auch an Festivals. Denn selbst dort, wo Science-Fiction- und Actionfilme eine weniger grosse Rolle spielen, waren Frauenfilme in den letzten Jahren notorisch untervertreten. Am Indiefilm-Festival Sundance jedoch wurden dieses Jahr so viele weibliche Beiträge vermeldet wie noch nie; über 44 Prozent aller Filme stammten von Frauen. Und bei der kommenden Berlinale werden immerhin sechs von 18 Filmen im Wettbewerb von Frauen gedreht sein. «Das ist noch nicht 50:50, wie man es sich wünschen würde. Aber es ist ein guter Anfang», sagt der künstlerische Leiter der Berlinale, Carlo Chatrian (48).
Ein gewisser Druck, Filme von Frauen zu fördern, ist denn auch nicht von der Hand zu weisen. Die Filmfestspiele in Venedig etwa gerieten letztes Jahr ins Kreuzfeuer der Kritik, weil man nur zwei Filme von Frauen in den Wettbewerb aufgenommen hatte. Und an der heute Nacht stattfindenden Oscar-Verleihung kriegte die Academy bereits im Vorfeld eins aufs Dach, weil sie trotz hochgelobten Filmen wie «The Farewell», «A Beautiful Day in the Neighborhood» oder «Little Women» keine Frau für die beste Regie nominiert hatte. Das ist umso stossender, als Frauenfilme immer öfter dort punkten, worauf es in Hollywood ankommt: an der Kasse.
Gleich zwei der erfolgreichsten Filme des vergangenen Jahres wurden von Frauen als Co-Regisseurinnen gedreht («Frozen 2», «Captain Marvel»), mit einer Vielzahl an weiteren Produktionen, die finanziell auch gut abschnitten. Nach wie vor würden die grossen Budgets vor allem in den Bereichen Science-Fiction und Action zwar an Männer gehen, sagt die Schweizer Regisseurin Sabine Boss. Doch auch sie stellt fest, dass sich das Bild von Frauen als Teil der Filmindustrie verändert – und man ihnen generell «mehr zutraut als noch vor ein paar Jahren».
Anderes Frauenbild wird präsentiert
Mehr Frauen im Filmgeschäft – das ist aber nicht nur eine rein operative Entwicklung. Denn Frauen gehen anders an gewisse Themen heran als Männer. Sabine Boss etwa erkennt, dass Regisseurinnen ein anderes Frauenbild inszenieren als Männer – ein Bild, mit dem sich die Frauen in den Kinosälen stärker identifizieren können. «Das typische Bild vom sexy Blondchen, das sich lasziv auf einer Motorhaube räkelt, wird man von einer Frau definitiv weniger häufig zu sehen kriegen», sagt die Regisseurin.
Tatsächlich sind die Auswirkungen auf die Filminhalte bereits spürbar. Dass sich wie in «Birds of Prey» eine Schönheit mit körperlicher Gewalt gegen einen frauenfeindlichen Schurken wehrt, ist ein eher plakatives Beispiel. Subtiler ist die Herangehensweise, wenn eine Regisseurin wie Marielle Heller (40) in «A Beautiful Day in the Neighborhood» ein bewusstes Statement gegen Zynismus setzt. Oder wenn Regisseurinnen wie Lulu Wang (36) und Alma Har’el (44) gängige Hollywood-Klischees vermeiden und stattdessen intime Filme inszenieren, die vor allem beim weiblichen Publikum auf Begeisterung stossen.
Dass dieser Trend aber auch seltsame Blüten treibt, zeigt «Hustlers». Im Stripper-Drama von Lorene Scafaria (41) spielt Jennifer Lopez (50) ein Go-go-Girl, das zusammen mit anderen Tänzerinnen die Besucher eines Strip-Clubs mit Drogen betäubt und mittels Kreditkartenbetrug abzockt. Dass die Stripperinnen als Heldinnen gefeiert und die Männer als Widerlinge inszeniert werden? Das erinnert dann doch eher an männliche Actionfilm-Stereotypen.
Sabine Boss, lange Zeit waren Filme von Frauen eine Rarität. Nun hat sich das geändert. Wie kommts?
Zuerst möchte ich sagen, dass ich das eine sehr erfreuliche Entwicklung finde. Über Nacht passiert ist sie aber natürlich nicht. Die aktuelle Häufung ist vielmehr die Folge davon, dass viele Regisseurinnen die letzten Jahre in Filmschulen gesteckt haben – und nun mit ihrem Können ans Licht der Öffentlichkeit treten. Wir sehen also die Früchte eines langen Prozesses.
Ist es für Frauen einfacher geworden, einen Film zu drehen, als noch vor ein paar Jahren?
Die grossen Budgets gehen immer noch an Männer, da müssen wir uns nichts vormachen. Aber man merkt, dass sich das Frauenbild auch in der Filmindustrie ändert. Man traut Frauen heute sicher mehr zu als vor ein paar Jahren.
Eine Folge der #MeToo-Bewegung? Hat Hollywood ein schlechtes Gewissen?
Das spielt sicher auch eine Rolle. Aber als grundsätzliche Erklärung dafür, dass mehr Frauen die Gelegenheit erhalten, grosse Filme zu drehen, greift das zu kurz. In Europa beispielsweise sorgen Quotenregelungen dafür, dass derzeit ein ganzer Gewerbestand professionalisiert wird. Das gilt übrigens nicht nur für Regisseurinnen, sondern auch für Frauen im technischen Bereich.
Drehen Frauen andere Filme als Männer?
(lacht) Ja, das ist die grosse Gretchenfrage. Drehen wir Frauen anders – oder nähern wir uns an? Ich finde das schwierig zu beantworten. Aber klar: Ich als Sabine Boss schaue bei einem Film wie «Jagdzeit» anders auf männliche Machtspiele, als das ein Regisseur tun würde.
Sabine Boss, lange Zeit waren Filme von Frauen eine Rarität. Nun hat sich das geändert. Wie kommts?
Zuerst möchte ich sagen, dass ich das eine sehr erfreuliche Entwicklung finde. Über Nacht passiert ist sie aber natürlich nicht. Die aktuelle Häufung ist vielmehr die Folge davon, dass viele Regisseurinnen die letzten Jahre in Filmschulen gesteckt haben – und nun mit ihrem Können ans Licht der Öffentlichkeit treten. Wir sehen also die Früchte eines langen Prozesses.
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