Regisseurin Haifaa Al Mansour (45) zeigt mit ihrem neuen Film ein Land im Wandel
Die Stimme der saudischen Frauen

Mit «The Perfect Candidate» kämpft die saudische Regisseurin Haifaa Al Mansour (45) gegen die patriarchale Gesellschaft in ihrer Heimat an.
Publiziert: 07.03.2020 um 13:08 Uhr
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Aktualisiert: 11.03.2020 um 00:05 Uhr
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Haifaa Al Mansour (45) gilt als erste saudische Regisseurin überhaupt.
Foto: Getty Images
Alexandra Fitz

Eine junge Frau sitzt am Steuer ihres Wagens und fährt zur Arbeit. Eigentlich nicht ungewöhnlich. Wäre da nicht der Fakt, dass Frauen in Saudi-Arabien erst seit Juni 2018 selbst Auto fahren dürfen.

Bereits die erste Szene im Film «The Perfect Candidate» («Die perfekte Kandidatin») ist sinnbildlich für die saudische Gesellschaft, die sich in einem grossen Wandel befindet. Von diesen Veränderungen erzählt der aktuelle Film der Regisseurin Haifaa Al Mansour, der ab nächster Woche bei uns im Kino läuft.

Maryam ist eine junge saudi-arabische Ärztin, die die gegebenen Verhältnisse nicht mehr länger hinnehmen will und die patriarchalen Grenzen überschreitet. Sie ist mutig, übernimmt Verantwortung und steht für ihre Interessen ein. Als Frau wird sie in ihrem Beruf nicht ernst genommen, und die Zufahrt zum Spital in der Gemeinde ist Sumpfgebiet und erschwert den Zugang enorm. Niemand kümmert sich darum. Weil sie eine Sanierung der Zufahrt fordert, gerät sie – und das ganz zufällig – in die Lokalpolitik: Sie lässt sich als Kandidatin für den Stadtrat aufstellen. Als erste Frau!

Mansour will Frauen ermutigen

Der Film mit der starken Frauenfigur Maryam schafft ein Vorbild. «Ich möchte die Frauen ermutigen», sagt Haifaa Al Mansour im Skype-Gespräch. Sie sollen das tun, was sie glücklich macht. Ihr Film zeige die gesellschaftlichen Veränderungen. Wie junge Saudis mit der Freiheit umgehen, ihren eigenen Weg gehen. Mansour will nicht belehren, aber sie will eine breite Debatte über die Rechte der Frauen.

Das erreichte die erste saudische Regisseurin überhaupt bereits mit ihrem ersten Film «Wadjda». Ein Mädchen wünscht sich nichts mehr, als Velo zu fahren. Aber das war 2012 verboten. Inzwischen dürfen die Frauen Velo fahren. Auch dank Mansours Film.

Als Mansour aufwuchs, war der Gesellschaft – und insbesondere Frauen – noch einiges mehr verboten. So gibt es erst seit 2018 ein paar Kinos in grösseren Städten.

Erst seit 2018 gibt es Kinos in Saudi-Arabien

Sie wächst mit elf Geschwistern in einer Kleinstadt nahe der Küste auf. Die Eltern konservative Mittelklasse. Sehr traditionell. Das ist wichtig, wenn man in einem Land wie Saudi-Arabien aufwächst. Wo die Familie – allen voran der Vater – die Werte vorgibt. Weil der Vater Anwalt ist, hatte Mansour Zugang zu Büchern und Filmen. Sie las viel und schaute zu Hause Filme.

Später studierte sie Literatur in Kairo. Viele saudische Frauen gehen fürs Studium ins Ausland. «Ich war erst ganz unselbständig. Für Frauen wird ja immer alles erledigt, damit sie bloss nicht mit der Welt in Kontakt treten», sagt Mansour. Später machte sie in Sydney einen Abschluss in Filmwissenschaft. Heute lebt die 45-Jährige mit ihrem amerikanischen Mann und zwei Kindern in Los Angeles.

Ob sie je wieder in Saudi-Arabien leben will? Eher nicht, die Kinder seien richtige Kalifornier. Aber sie fahren immer wieder nach Saudi-Arabien – und die Familie besuchte sie während den Dreharbeiten. Für ihren vierten Spielfilm «The Perfect Candidate» blieb sie fünf Monate im Land.

Per Walkie-Talkie aus dem Kleinbus

«Es war speziell, in meiner Heimat zu sein. Es hat sich viel verändert», erzählt Mansour. Die Dreharbeiten waren um einiges einfacher als 2012. Dort sass Mansour in einem Bus und gab den Schauspielern via Walkie-Talkie Regieanweisungen. Eine Frau sollte keinesfalls Männern in der Öffentlichkeit Anweisungen geben.

Künstlerische Darbietungen haben in Saudi-Arabien generell einen schweren Stand, insbesondere in konservativen Kreisen. Und so thematisiert der Film auch die Musik und öffentliche Konzerte. Auch hier soll der Vater der mutigen Maryam, der für seine Musik lebt anstatt seine Töchter zu kontrollieren, ein positives Vorbild sein.

Verstecken musste sich die weibliche Regisseurin dieses Mal nicht. Als ein Einwohner nicht wollte, dass sie in seinem Viertel dreht, kam die Polizei und verteidigte Mansour und ihre Crew. Es sei aber immer noch nicht ganz einfach, in Saudi-Arabien Filme zu drehen, erzählt sie. Das mit der Logistik sei schwierig und ebenso, professionelle Schauspieler zu finden. Bis auf die Hauptdarstellerin hätten fast alle das erste Mal vor der Kamera gestanden.

Im Mai soll der Film in ihrer Heimat gezeigt werden. Mansour freut sich, wenn die Saudis ihren Film sehen, das sei noch mal ein ganz anderes Gefühl.

«Die perfekte Kandidatin» von Haifaa Al Mansour, Kinostart 12. März

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