Papa Moll wird Filmstar
Die Frau hinter dem Schweizer Superman

Papa Moll wird Filmstar und der Protagonist ist unglaublich gerührt.
Publiziert: 10.09.2016 um 15:18 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 02:48 Uhr
René Lüchinger
René LüchingerChefpublizist

Papa Moll wird dreidimensional. Filmstar. Wie cool ist das denn, denkt sich Papa Moll, als er davon hört, dass seine Lebensgeschichte verfilmt wird. Gedreht wird bereits und der Streifen kommt im Dezember 2017 in die Kinos. Dass er das noch erleben darf, so kurz vor seinem Pensionierungsalter - die erste Papa-Moll-Geschichte ist ja damals, am 1. Januar 1953 in der Kinderzeitschrift «Junior» erschienen.

Und dass der Schweizer Schauspieler Stefan Kurt in die Rolle des Papa Moll schlüpft, ist fast nicht zu glauben! Der grosse Mime hat schon in so erfolgreichen einheimischen Produktionen wie «Der Verdingbub» oder «Akte Grüninger» mitgespielt. Und nun wagt er sich also an einen noch lebenden Zeitgenossen über den er sagt: «Papa Moll ist teil meiner Jugend. Ich weiss noch genau, wie ich mich jedes Mal auf die 'Junior'-Heftchen in der Drogerie oder Apotheke gefreut habe, in denen Papa Moll vorkam!» 

Als pausbackiger Papa-Moll ist er kaum wiederzuerkennen: Schauspieler Stefan Kurt am Set zum neuen Schweizer Familienfilm «Papa Moll». (Keystone)
Foto: Keystone/ENNIO LEANZA

Papa Moll ist ganz gerührt. Fast ein wenig sentimental. In dieser Gemütslage und mit der Aussicht, dass er sich bald überlebensgross sich auf der Leinwand bewegen wird, fragt er sich fast ein bisschen bange: wer bin ich? Woher komme ich? Seine Geburt ist keine einfache gewesen. Seine Schöpferin hat die Welt ja zunächst lange Zeit nur unter dem technischen Kürzel «Ejo» gekannt. Was so viel heisst wie Edith Jonas. Dahinter verbirgt sich eine nicht eben einfache deutsch-schweizerisch-jüdisch-katholisch-reformierte Familiengeschichte.

Das klingt kompliziert, findet auch Papa Moll. Seine Erfinderin ist Tochter eines jüdischen Vaters und einer streng katholischen Mutter, geboren am 11.11.1907 im deutschen Oberursel. «Ein höchst ungewöhnliches Liebesband», schreibt Jonas-Biograph Hannes Schmid. Und ein gefährliches dazu, als die Nazis sich in Deutschland breit machen. Ein Glück, dass Papa Julius in Baden/AG als Leiter des Patentbüros bei der Weltfirma BBC eine Anstellung findet, sich in weiser Voraussicht 1933 einbürgern und seine Kinder reformiert laufen lässt.

Die Aargauer Künstlerin Edith Oppenheim-Jonas mit ihrer Comic-Strip-Figur «Papa Moll' und seinen Geschichten, aufgenommen am 1. Dezember 1980. Edith Oppenheim-Jonas starb 2001, im Alter von 93 Jahren.
Foto: KEYSTONE/Str

Das alles ist drin im Vorleben von «Ejo» vor Papa Moll und fliesst irgendwie auch in seinen eigenen Charakter mit ein. «Was den späteren 'Papa Moll' betrifft», urteilt Biograph Schmid, «so gehörte auch Papa Jonas als Vorbild zu den Spurenlegern, die zum erfolgreichen Comic-Vater führten.» Und dann gibt es da noch einen zweiten Mann: John Eric Oppenheim, Engländer mit britischem Humor, der im BBC-Patentbüro Anstellung findet und am 7. Juni 1932 führt dieser seine Edith, nun Oppenheim-Jonas unter die Haube. Vom Gatten, heisst es, habe Moll nicht gerade die Physionogmie - birnenförmiger Kopf, darauf fünf einsame Haare, leicht abstehende Ohren - kein Beau, aber sein Witz, ist Papa Moll überzeugt, der kommt von der Insel.

Gesichert ist jedoch: Papa Moll ist eine Spätgeburt. Schon 1947 bewirbt sich die «Ejo» beim Hug-Verlag in Kilchberg/ZH, preist sich an: «Ich habe grosse Erfahrung im Entwerfen von originellen Zeichnungen aller Art.» Der erlösende Anruf von «Junior»-Verleger Johann-Rudolf Hug kommt aber erst Anfang der 1950er Jahre, dafür drängt jetzt die Zeit: Er suche eine Art neuartiger Bildergeschichten, humorvoll und erzieherisch.

Einen schweizerischen Gegenentwurf zu dem ausländischen Comic-Schund meist amerikanischer Provinienz, der nach dem Krieg das Land überschwemmt. Das ist die Geburtsstunde von Papa Moll, seiner drei quirligen Kinder Willy, Fritz und Evi, der meist eher im Hintergrund agierenden Mama Moll sowie dem Dackel Tschips. Im Januar 1952 liefert Edith Jonas - unter ihrem Mädchennamen zeichnet sie noch immer - persönlich ihre erste Papa-Moll-Geschichte beim Verleger Hug ab, dem gefällt das Resultat und so beginnt ein langes Leben, während die Schöpferin auf das 150-Franken-Honorar recht lange warten muss.

Edith Jonas, zeitlebens eine «leidenschaftliche Kämpferin für die Sache der Frau», wie es heisst, bildet die familiäre Biederkeit der Fünfzigerjahre ab: die kleinen Widrigkeiten des Lebens, die nur mit Humor zu bewältigen sind. Leicht subversiv: in den allerersten Geschichten ist Mama Moll eine vollbusige Matrone, ein Kopf grösser als ihr Mann, der mit seinem lächerlich kleinen Hut auf dem Kopf den Prototypen des Pantoffelhelden jener Zeit abgibt. In der wissenschaftlichen Kritik klingt das dann so: «Die Qualität von Edith Jonas' Bildergeschichten liegt nicht in einer besonderen Originalität der Ideen und nicht im Formalen.

Das erste Bild ist da: Papa Moll (Stefan Kurt) und Mama Moll (Isabella Schmid) mit ihren Kindern Fritz (Maxwell Mare), Evi (Luna Paiano) und Willy (Yven Hess).
Foto: ZODIAC PICTURES / PASCAL MORA

Grafisch ist Papa Moll anspruchslos und an sprachlicher Holprigkeit stellt er selbst Globi-Verse in den Schatten», urteilt Kinderbuchforscherin Anna Katharina Ulrich, «aber aus der Figurenkonstellation und den Handlungsstereotypen lässt sich so etwas wie sensible Zeitkritik lesen.»

Was sagt Papa Moll dazu? Der reibt sich bedächtig das Kinn, fühlt die Ungerechtigkeit der Welt. Und schweigt bedeutungsvoll.

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