Diese Woche hat Frankreich von einem seiner ganz grossen Künstler Abschied genommen: Vom einzigartigen Film- und Theaterschauspieler Michel Piccoli (†94), dessen Tod am Montag bekannt wurde. Piccoli galt als der Mann, der alles spielen konnte. Sein cineastisches Oeuvre umfasst weit über 220 Filme und reicht von seinem Durchbruch 1963 in «Le Mépris» von Jean-Luc Godard (89) bis hin zu seiner letzten grossen Rolle in «Habemus Papam» 2011.
Zeitlich in der Mitte und inhaltlich wie formal ebenso herausragend rangiert «Gefährliche Züge» (französisch «La diagonale du fou») von 1984 unter der Regie von Richard Dembo (1948–2004), produziert vom sechsfachen Basler Oscar-Preisträger Arthur Cohn. Piccoli spielt darin den russischen Schach-Grossmeister Akiva Liebskind, der von einem Emigranten aus der Sowjetunion in Genf herausgefordert wird. Parallelen zum weltbekannten realen Duell zwischen Anatoli Karpow (68) und Viktor Kortschnoi (1931–2016) verleihen dem Werk zusätzliche Brisanz und eine knisternde Atmosphäre.
Oscar für den besten ausländischen Film 1985
Die Faszination von Schach in einen Film umzusetzen, ist eine veritable Knacknuss, an der schon viele gescheitert sind. «Wer will Schach auf der Leinwand sehen, so ein statisches Spiel?», bringt es Arthur Cohn auf den Punkt. Dass es hier trotzdem gelang, sei zu einem grossen Teil Piccolis Verdienst gewesen. «Michels Kraft vor der Kamera durchbrach jede Statik.»
Das honorierte auch die Oscar-Academy, welche «Gefährliche Züge» 1985 mit dem Oscar für den besten ausländischen Film auszeichnete. Unterstützt durch die damalige Omnipräsenz des Kalten Krieges, welcher dem Stoff eine zusätzliche Dringlichkeit verlieh.
Cohn erinnert sich an Piccoli
Cohn spricht am Donnerstag auch auf Blick TV über «Gefährliche Züge» und Michel Piccoli, der Film ist danach online zu sehen. Wenn Cohn an den französischen Weltstar zurückdenkt, gerät er ins Schwärmen: «Michel war viel mehr als ein Star, er war ein Grand Acteur. Und was er geschaffen hat, ist vor der Kamera einmalig: einen intellektuellen Helden. Kein Meter Film von ihm existiert, wo er seine Rolle nicht im Griff hatte.»
Dass sein beruflicher Erfolg niemals abgebrochen sei, hat für Cohn mit ganz bestimmten seiner Eigenschaften zu tun: «In all den Jahren hat sich Michel seine Kindlichkeit bewahrt, die Neugierde und den Wunsch, immer Neues zu tun.» Dafür ist «Gefährliche Züge» das perfekte Beispiel. Daneben ist der Film ebenso fesselnd wie unterhaltend und bis in die kleinsten Nebenrollen hinein exquisit besetzt. Grosses Kino eben.