Steven Spielberg im Interview
«Ich will mich zu Tode fürchten»

Er ist nicht nur der bisher kommerziell erfolgreichste Regisseur, für viele ist er auch der Beste in der Hollywood-Historie. Mit Blick sprach Steven Spielberg über den wohl persönlichsten Film seiner Karriere.
Publiziert: 13.03.2023 um 00:31 Uhr
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Steven Spielberg ist noch lange nicht am Ende seiner Karriere. Das verriet der Erfolgsregisseur im Interview mit Blick.
Foto: DUKAS
Interview: Patricia Danaher

Von Actionthrillern bis Gänsehautdramen, die Liste der Filme von Steven Spielberg (76) ist lang. Doch der Regisseur brauchte über 50 Jahre, um mit «The Fabelmans» seinen persönlichsten Film überhaupt zu drehen – ein halb autobiografisches Porträt seiner Kindheit. Darin geht es nicht nur um Spielbergs kindliche Anfänge als Filmemacher, es ist auch die persönliche Tragödie der zerbrechenden Ehe seiner Eltern – ausgelöst durch die Affäre seiner Mutter mit dem besten Freund seines Vaters.

Blick: Warum haben Sie so lange gewartet, um Ihre Kindheitserinnerungen auf die Leinwand zu bringen?
Steven Spielberg: Meine Mutter Leah ist 2017 gestorben, und mein Dad Arnold ist ihr dann vor knapp drei Jahren gefolgt. Plötzlich war ich ein Waisenkind und habe realisiert, wie viel von meinem Leben auf meiner Vergangenheit basiert. Ich wusste plötzlich, dass es da noch einen Film gab, den ich unbedingt drehen musste. Bis dahin war ich im Schnellzug durchs Leben gerast. Es war an der Zeit, mein frühes Leben tief und ehrlich zu beleuchten.

Als eine Art Selbsttherapie?
Im Nachhinein habe ich auf jeden Fall realisiert, dass es eine Art Exorzismus für mein Herz und meine Seele war.

Persönlich: Steven Spielberg

Steven Spielberg (76) ist der kommerziell erfolgreichste Regisseur der Filmgeschichte. Seine Filme wurden 140 Mal für einen Oscar nominiert, 35 der begehrten Preise erhielt er für seine Werke. Spielberg selber hat drei Trophäen als bester Regisseur für «Schindlers Liste» und «Der Soldat James Ryan» und als bester Produzent für «Schindlers Liste». Seit 1991 ist der US-Amerikaner mit der Schauspielerin Kate Capshaw (69) verheiratet. Das Paar hat drei gemeinsame Kinder. Steven Spielberg ist der Patenonkel der Schauspielerinnen Gwyneth Paltrow (50) und Drew Barrymore (48).

Getty Images

Steven Spielberg (76) ist der kommerziell erfolgreichste Regisseur der Filmgeschichte. Seine Filme wurden 140 Mal für einen Oscar nominiert, 35 der begehrten Preise erhielt er für seine Werke. Spielberg selber hat drei Trophäen als bester Regisseur für «Schindlers Liste» und «Der Soldat James Ryan» und als bester Produzent für «Schindlers Liste». Seit 1991 ist der US-Amerikaner mit der Schauspielerin Kate Capshaw (69) verheiratet. Das Paar hat drei gemeinsame Kinder. Steven Spielberg ist der Patenonkel der Schauspielerinnen Gwyneth Paltrow (50) und Drew Barrymore (48).

Wer «The Fabelmans» sieht, erkennt schnell, dass Sie schon in früheren Filmen persönliche Elemente mit eingebaut haben. Aus Kindersicht. «E.T.» ist ein gutes Beispiel. Dort treffen wir Elliot, seine Mutter und Geschwister – doch der Platz des Vaters am Tisch bleibt leer.
Jeder meiner Filme war für mich immer eine sehr persönliche Sache. Doch ich habe erst beim Dreh von «The Fabelmans» realisiert, wie viel seelischen Ballast ich in all den Jahren mit mir mitgeschleppt habe. Aber auch, dass das Leben mit meiner Mutter und meinem Dad mich etwas gelehrt hat. Etwas, was sich hoffentlich in meinem Film für die Zuschauer herauskristallisiert.

Das wäre?
Es geht eigentlich im Kern darum, wann und durch welche Ereignisse ein junger Mensch seine Eltern zum ersten Mal als normale menschliche Wesen wahrnimmt. Indem ich noch einmal Revue passieren liess, was ich in meiner Familie im Alter von 7 bis 18 erlebt habe, sah ich Mama und Dad erstmals nicht als Eltern – sondern als reale Menschen.

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Zum Glück verspüre ich auch noch immer dasselbe elektrisierende Gefühl, sobald ich am Set bin.
Steven Spielberg
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Und Sie glauben, damit kann sich jeder identifizieren?
Jeder, der in einer komplizierten Familie aufgewachsen ist, wird sich angesprochen fühlen. Und meiner Meinung nach gibt es keine einzige Familie auf der Welt, die nicht kompliziert ist! Deshalb versuche ich, in gewisser Weise allen einen Spiegel vorzuhalten.

Haben Sie mit Ihren Eltern zu Lebzeiten darüber gesprochen, wie sehr Sie die Erlebnisse Ihrer Kindheit im Leben auch negativ beeinflusst haben?
Ich habe es einmal mit meiner Mutter angesprochen. Heute bedauere ich es, dass ich dieses Gespräch nicht mit meinem Vater hatte.

Sie haben den Film an Originalschauplätzen, wie den Häusern Ihrer Kindheit, gedreht. Wie surreal war es für Sie, sich beim Dreh selbst als Kind, Sie werden von Gabriel LaBelle dargestellt, zuzuschauen?
Ich konnte mich da nie wirklich dran gewöhnen, dass ich mich selbst vor Augen hatte. Ich habe mich wie in einem Kafka-Roman gefühlt. Und es war mir ehrlicherweise nicht sehr angenehm.

Sie haben bereits im Alter von fünf Jahren, nach Ihrem ersten Kinobesuch, beschlossen, dass Sie Filme drehen wollen. Zu sagen, dass Sie das sehr erfolgreich gemacht haben, ist ein riesiges Understatement. Wenn Sie heute zurückblicken auf den Anfang Ihrer Karriere …
… dann hat sich vieles nicht wirklich verändert. Ich weiss zwar mit 76 viel mehr über das Filmgeschäft als mit 26, doch ich habe vor Drehs noch immer dieselben Unsicherheiten und Ängste wie vor meinem ersten Film «Duel» aus dem Jahr 1971. Zum Glück verspüre ich auch noch immer dasselbe elektrisierende Gefühl, sobald ich am Set bin. Dort fühle ich mich am meisten zu Hause.

Das klingt nicht so, als würden Sie planen, bald in Rente zu gehen!
Ich bin noch lange nicht am Ende meiner Reise angekommen. Ich will weiter arbeiten, weiter lernen, weiter entdecken. Ich will mich weiter zu Tode fürchten und hoffentlich manchmal auch Ihnen das Fürchten beibringen. Solange ich noch Freude an meiner Aufgabe empfinde und die Zuschauer erfreuen kann, dann habe ich keinen Grund für mich zu sagen: «Das war die letzte Klappe!»

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