Die Oscar-Nominierungen sind da – und Frauen glänzen vorab mit mikroskopischen Rollen. Die Oscar-Favoriten dieses Jahr sind «Joker» mit elf Nominierungen, gefolgt von Sam Mendes' «1917», Tarantinos «Once Upon a Time ... In Hollywood» und Scorseses «The Irishman» mit je zehn Nominierungen.
Allesamt von Männern gedrehte und produzierte Filme, mit Männern in den Hauptrollen. Die US-Schauspielerin Issa Rae (35) brachte den Unmut des weiblichen Hollywoods auf den Punkt: «Herzlichen Glückwunsch an diese Männer», schrieb die schwarze Schauspielerin auf Twitter – und meinte damit jene Herren, die in der Kategorie beste Regie nominiert worden waren:
Damit hat die anstehende Oscar-Verleihung auch schon ihren ersten Skandal. Ob beabsichtigt oder nicht, Raes Aussage erinnert an Natalie Portman (38) auf der Oscar-Bühne vor zwei Jahren, als sie die Kategorie mit den Worten vorstellte: «Und hier sind die rein männlichen Nominierten.»
In der Geschichte der Oscars haben gerade mal fünf Frauen eine Nominierung für beste Regie erhalten. Auch bei der 92. Oscar-Ausgabe wird keiner Frau ein Oscar als beste Regisseurin verliehen. Greta Gerwig (36) wurden mit ihrer gefeierten Literaturverfilmung «Little Women» noch die grössten Chancen eingeräumt, doch auch sie ging in der sogenannten «Königskategorie» leer aus. Immerhin erhielt sie eine Nominierung für das beste adaptierte Drehbuch.
Männerrunde
Auch keine Newcomer sind in der Meisterklasse vertreten, sondern die Grosskaliber des gehobenen Hollywoodkinos. Der 77-jährigen Martin Scorsese, Regisseur der alten Schule, geht mit seinem Netflix-Mafiaepos «The Irishman» mit Robert de Niro (76) in der Hauptrolle ins Rennen. Anna Paquin (37), die wichtigste Darstellerin im 209-minütigen Epos, hat ganze sieben Sätze zu sagen.
«Joker»-Regisseur Todd Philipps zählt mit seinen 49 Jahren zur jüngeren Hollywood-Garde. In seiner Hauptrolle: Joaquin Phoenix (45), nominiert als bester Hauptdarsteller. Auch dieser Film ohne prägende Frauenrolle.
Quentin Tarantino (56) darf als «Tinseltown»-Urgestein bezeichnet werden. Auch durch seine mehrfach nominierte Hollywood-Komödie führen Männer: das Dreamteam Leonardo DiCaprio (45) und Brad Pitt (56), mit Nominierungen für besten Haupt- respektive besten Nebendarsteller. Um einer Frau mehr Dialog zu geben, wurden nach scharfer Kritik noch zwei von insgesamt 161 Filmminuten hinzugeschnitten.
Folgt «1917» auf den Triumph 2015 von «Birdman»?
Sam Mendes (54) bringt es in «1917» auf eine einzige Frauenrolle mit Sprechanteil. Dagegen gelang ihm mit dem Golden-Globe-Gewinner und Oscar-nominierten Kriegsfilm ein Kunststück sondergleichen, das soweit nur «Birdman» schaffte, der 2015 mit neun Oscar-Nominierungen ins Rennen ging und gleich vier der goldenen Trophäen holte – auch für besten Film und beste Regie.
«Birdman» war mit nur einem sichtbaren Schnitt gedreht. Mendes' «1917»-Bravourstück geht einen Schritt weiter: Der 119 Minuten lange Film ist mit einer einzigen langen Einstellung ohne Schnitt gedreht.
Starke Scarlett und Oscar-Anwärter Obamas
Immerhin sind als bester Film mit der Hitler-Satire «Jojo Rabbit», dem magenumdrehenden Scheidungsdrama «Marriage Story» und Gerwigs Coming-of-Age-Geschichte «Little Woman» auch Filme nominiert, die mit hinterhältigen bis heroischen, bezaubernden bis grotesken Frauenrollen glänzen. Aber der Wermutstropfen bleibt, dass ihre Regisseure übergangen wurden.
Bei den Frauen gilt Scarlett Johansson (35) als Favoritin mit gleich zwei Nominierungen für beste Haupt- und auch beste Nebendarstellerin. Nicht-weisse Schauspielerinnen – und auch Schauspieler – gingen dieses Jahr weitgehend vergessen, mit Ausnahme der britisch-nigerianischen Darstellerin Cynthia Eriva (33) aus dem historischen Sklavendrama «Harriet».
Übrigens sind auch die Obamas Oscar-Anwärter. Ihre Filmfirma «Higher Ground» produzierte für Netflix «American Factory», der als bester Dokumentarfilm ins Rennen geht. (kes)