Oscar-Gewinner Arthur Cohn über seinen neuen Film, sexuelle Belästigung und Pseudo-Stars
«Früher war Hollywood unschuldiger»

Er ist der berühmteste Filmproduzent der Schweiz, gewann in seiner Karriere schon sechs Oscars. Heute Abend feiert sein Film «Das etruskische Lächeln» Premiere in Zürich. Ein Gespräch über Hollywood von damals und heute.
Publiziert: 11.04.2018 um 23:34 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 05:30 Uhr
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Szenenbild aus dem Film «Das etruskische Lächeln», produziert von Arthur Cohn.
Foto: Pathé Films AG
Interview: Dominik Hug

Der Star-Produzent und sechsfache Oscar-Gewinner Arthur Cohn eilt von Erfolg zu Erfolg und kommt kaum zur Ruhe. Diesen Dienstag ging im Zoo-Palast in Berlin die umjubelte Weltpremiere seines neusten Film-Streichs «Das etruskische Lächeln» über die Bühne, heute Donnerstag folgt die Schweiz-Premiere in Zürich. Dazwischen stellte sich Cohn den Fragen von BLICK.

BLICK: Herr Cohn, was macht Sie glücklich?
Arthur Cohn: Andere Menschen zu erfreuen – sei es direkt oder indirekt durch meine Filme.

Das Streben nach Glück ist ein zentrales Thema Ihrer Filme. Warum?
Ich denke, dies ist ein ganz menschliches Ur-Bedürfnis. Jeder Mensch träumt von Besserem, Schönerem. Ich könnte mir beispielsweise nicht vorstellen, einen zynischen Film mit einer negativen oder gar destruktiven Botschaft zu machen. Ich bin stolz darauf, dass meine Spielfilme mit einer hoffnungsvollen Note enden.

In «Das etruskische Lächeln» geht es um einen kranken Mann, der sich am Ende seines Lebens mit seinem Sohn versöhnt. Gibt es in Ihrem Leben auch Dinge, die Sie wiedergutmachen wollen?
Ich versuche, meine Entscheide – seien sie beruflicher oder persönlicher Natur – so zu fällen, dass ich ein paar Jahre danach beim Rückblick keine Reue verspüre. Diese Einstellung hilft mir, die Anzahl der Dinge, die ich wirklich bereue, klein zu halten. Aber gewisse Dinge wird man immer bereuen, das gehört zum Leben.

Durch die MeToo-Debatte ist die Filmbranche ziemlich im Umbruch. Warum blieben solch schwerwiegende Machtmissbräuche wie jene von Harvey Weinstein oder Kevin Spacey so lange im Dunkeln?
Dies mag wohl daran liegen, dass einerseits deren Opfer keinen Mut gefasst haben, die Missbräuche mit der Öffentlichkeit zu teilen, und andererseits mit dem Druck und den ekelhaften Drohungen, die besonders Weinstein der anderen Seite aufzwang.

Arthur Cohn

1959 bricht der französische Abenteurer Pierre-Dominique Gaisseau zu einer siebenmonatigen Expedition nach Neuguinea auf. Gleichzeitig beginnt damit die einzigartige Erfolgsgeschichte des Basler Produzenten Arthur Cohn. Denn für den Dokumentarfilm über Gaisseau, «Nur Himmel und Dreck», wird Cohn 1962 erstmals mit einem Oscar ausgezeichnet. Weitere fünf der begehrtesten aller Kino-Trophäen folgen. Darunter für Klassiker wie «Der Garten der Finzi Contini» von Vittorio De Sica, der knapp 50 Jahre nach seinem Erscheinen nichts von seiner Eleganz und Aktualität eingebüsst hat. Cohn selber ebenfalls nicht.

1959 bricht der französische Abenteurer Pierre-Dominique Gaisseau zu einer siebenmonatigen Expedition nach Neuguinea auf. Gleichzeitig beginnt damit die einzigartige Erfolgsgeschichte des Basler Produzenten Arthur Cohn. Denn für den Dokumentarfilm über Gaisseau, «Nur Himmel und Dreck», wird Cohn 1962 erstmals mit einem Oscar ausgezeichnet. Weitere fünf der begehrtesten aller Kino-Trophäen folgen. Darunter für Klassiker wie «Der Garten der Finzi Contini» von Vittorio De Sica, der knapp 50 Jahre nach seinem Erscheinen nichts von seiner Eleganz und Aktualität eingebüsst hat. Cohn selber ebenfalls nicht.

Für wie wichtig halten Sie diese Debatte?
Diese Debatte ist ein wichtiges Ventil für Frauen, die furchtbar gelitten haben, aber sie ist vielschichtiger und komplexer, als sie gegenwärtig diskutiert wird.

Wird Harvey Weinstein je wieder nach Hollywood zurückkehren und weitere Filme drehen können?
Ich denke und hoffe, dass ihm Hollywood kein Comeback ermöglichen wird. Dazu waren seine Vergehen zu hart, zu häufig und zu gemein.

Sie sind seit fast sechs Jahrzehnten in Hollywood aktiv. Was hat sich am meisten geändert?
Heute ist alles bis ins letzte Detail unglaublich kommerzialisiert. Früher war alles natürlicher, unschuldiger.

Was vermissen Sie?
Früher war Hollywood eine kleine Familie. Bei den verschiedenen Veranstaltungen wie beispielsweise bei den früheren Oscar-Verleihungen kamen Filmschaffende und Schauspieler mit einem echten Glamour, alle hatten eine natürliche Klasse, nichts war «fake».

Was ist heute besser?
Was die heutigen Filme im Vergleich zu früher anbelangt: Ich sehe da keinen Fortschritt, eher im Gegenteil. Emotionale menschliche Geschichten werden heute durch exzessive Gewalt, Sex und Spezialeffekte auf die Seite geschoben. Was vielleicht heute einfacher ist, ist der Prozess des Filmemachens. So kann ich mit einem Klick am Computer meine Drehbuchkorrekturen einem Mitarbeiter in Kalifornien per E-Mail senden. All das war früher viel umständlicher.

Werden die Menschen in zwanzig Jahren noch ins Kino gehen oder alles zu Hause am Computer anschauen?
Das ist eine Frage, die mich schon lange beschäftigt. Ich hoffe, ja. Aber es stimmt mich schon nachdenklich, dass gerade die jungen Menschen heute viel weniger ausgehen. Und dabei denke ich nicht nur ans Kino, sondern auch an Theater, Konzerte etc. Der moderne Mensch von heute klebt an seinem Computer oder Smartphone und rührt sich nicht vom Fleck. Ich hoffe aber, dass die Lust auf eine bereichernde menschliche Geschichte die Leute auch in Zukunft in die Kinos lockt. Schliesslich bleibt es ein spezielles Erlebnis, einen Film auf einer grossen Leinwand mit tollem Sound und in der Gesellschaft anderer zu sehen.

Hatten Sie je einen Plan B, falls es mit der Filmerei nicht geklappt hätte?
Tja, wenn es mit dem Filmemachen nicht geklappt hätte, dann wäre ich wohl zurück auf die Basler Kunsteisbahn oder ins St.-Jakob-Stadion gegangen und hätte meine Karriere als Eishockey- und Fussballreporter fortgesetzt.

Sie haben sechs Oscars gewonnen und sind weiterhin voller Leidenschaft für die Filmkunst. Keine Lust kürzerzutreten?
Im Gegenteil! Ich finde kaum Zeit für all die Projekte, die ich noch realisieren möchte. Als Nächstes steht die Verfilmung des wunderbaren Romans «Der wiedergefundene Freund» von Fred Uhlmann an. Ich liebe das Filmemachen. Es ist für mich längst kein Beruf mehr, sondern eine Berufung.

Worauf sind Sie am meisten stolz in Ihrer Karriere?
Dass ich mir selber treu geblieben bin und Träume verwirklicht habe, obwohl mir sogenannt wohlmeinende Mitmenschen allzu oft von ihnen abgeraten haben.

Wovon träumen Sie?
Dass der FC Basel ab nächster Saison wieder Jahr für Jahr Meister wird! Jetzt im Ernst: Gesundheit, Kraft und davon, weitere filmische Projekte zu realisieren und Menschen zu erfreuen.

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Die Oscar-Akademie ist mehr als 6000 Mitglieder stark: Produzenten, Kameraleute, Schauspielerinnen und Schauspieler gehören dazu, Kostümdesigner, Drehbuchautoren und Casting-Agenten. Sie sind auf Lebenszeit gewählt und bestimmen über die Vergabe der Oscars. Jede Berufsgattung schlägt ihre eigene Liste vor, jeder Kandidat muss von zwei Akademie-Mitgliedern empfohlen werden; Oscar-Nominierte und -Gewinner brauchen keine Empfehlung. Die vollständige Liste wird von der Academy nicht publiziert. Die Schweiz verzeichnet gleich sieben Neuzugänge: Claude Barras, Michel Merkt, Max Karli, Stefan Eichenberger, Timo von Gunten, Giacun Caduff und Corinna Glaus. Sie dürfen ab 2018 am Wahlprozedere teilnehmen. Weitere bekannte Schweizer Academy-Mitglieder sind: Arthur Cohn, Pietro Scalia, Xavier Koller, Eugenio Zanetti, Markus Imhoof, Ueli Steiger, Marc Forster, Simon Otto, Reto Caffi, Ursula Meier, Talkhon Hamzavi, Peter Staubli und Lukas Ettlin. Neue Interessenten können sich bis 31. März 2018 bewerben.

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