Keira Knightley in «Eine dunkle Begierde»
Sex-Spiele am Zürichsee

Freud gegen Jung: Horror-Maestro David Cronenberg inszeniert das Psycho-Duell als faszinierendes Sadomaso-Drama in Zürich.
Publiziert: 09.11.2011 um 17:25 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 01:19 Uhr
Von Lukas Rüttimann

David Cronenberg (68) – er ist der Meister des Psycho-Horrors. Die besten Filme des Kanadiers («Die Fliege») drehen sich um Sex, Angst, Krankheit, Metamorphosen. Und überschreiten auch
mal die Grenzen des guten Geschmacks. Jetzt hat sich der Regisseur eines Themas angenommen, das förmlich nach ihm schreit: das Duell der Psychoanalyse-Begründer Carl Gustav Jung und Sigmund Freud.

Futter für einen klassischen Cronenberg-Albtraum. Doch was für eine Überraschung: Der Horror-Maestro hält sich auffallend zurück. Keine Abgründe wie in «Dead Ringers», keine Perversionen wie in «Crash». Dafür ist «Eine dunkle Begierde» («A Dangerous Method») ein faszinierendes psychologisches Drama, in dem nur die S/M-Szenen daran erinnern, wer hinter der Kamera sitzt.
Schmuckes Detail: Der Film spielt in Zürich. In Küsnacht und in der Zentrum Klinik Burghölzli, wo C. G. Jung als Anhänger der Theorien von Sigmund Freud eine junge russische Studentin therapiert. So erfolgreich, dass sie selbst Psychologie studiert – und Liebhaberin des streng bürgerlichen Schweizers wird. Doch während Jung beim S/M-Sex mit ihr neue Seiten an sich entdeckt, entfremdet er sich von seinem Freund und Mentor Sigmund Freud. Am Ende gehen beide Beziehungen Jungs in die Brüche.

Cronenberg-Fans werden es bemerkt haben: Obwohl der Film kaum Gewalt oder Übersinnliches enthält, sind all seine Themen drin. Kein Wunder also, dass die Grenzen zwischen Opfern und Tätern verschwindet. Am Ende von «Eine dunkle Begierde» wird klar, dass die irrsten Figuren nicht die Patienten, sondern die Analytiker sind.

Auffallend auch: Während Cronenberg früher oft auf die Wirkung von Spezialeffekten gesetzt hat, verlässt er sich inzwischen ganz auf seine Darsteller. Zu Recht. Sein Lieblings-Star Viggo Mortensen (53) brilliert als Sigmund Freud, dessen Selbstgefälligkeit dem aufstrebenden Jung imponiert und ihn gleichzeitig nervt. Der Deutsch-Ire Michael Fassbender (34), ohnehin ein aufgehender Stern, verkörpert den Schweizer Psychologen Jung so gut, dass erste Stimmen schon vom Oscar sprechen. Nur Keira Knightley (26) als Studentin wirkt mit ihrer Exaltiertheit im hintergründigen Drama fehlbesetzt.

Am Ende ist «Eine dunkle Begierde» ein bisschen wie eine Therapiesitzung: Es gibt viel Gespräch und wenig Fassbares. Fesselnd ist das Ganze dennoch.

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