Wie reagiert ein Star, wenn der Journalist sich zum Interview verspätet? Bestenfalls verschnupft. Darum hämmere ich nervös auf die «Up»-Taste des Aufzugs im noblen Hollywood-Hotel The London. Ich bin im zweiten Stock mit Chris Pratt (37) verabredet, dem Star aus «Guardians of the Galaxy 2». Der Comic-Filmhit läuft zurzeit in den Schweizer Kinos. Der Aufzug lässt auf sich warten. Schweissausbruch. Dann sagt eine Stimme in meinem Rücken: «Kein Stress, Kumpel, ich bin auch noch nicht da.» Chris steht hinter mir und grinst. Ich kenne das aus früheren Treffen. Der coole Typ ist immer freundlich, bemüht sich, selbst auf harte Fragen eine ehrliche Antwort zu geben. Warum fangen wir dann nicht gleich mit einer solchen an.
BLICK: Was ist die andere Seite des Sonnyboys? Die ernsthafte. Oder gibt es gar eine dunkle?
Chris Patt: Jeder hat eine ernsthafte Seite. Vielleicht habe ich auch eine dunkle. Aber die zeige ich nicht in der Öffentlichkeit, sie gehört zu meinem Privatleben.
Wie gehen Sie mit Konflikten um? Hauen Sie auch mal auf den Tisch, wenn Sie die Faxen dicke haben?
Ich bin in einer Familie gross geworden, in der Streitigkeiten kaum offen ausgetragen wurden. Ich tendiere dazu, nichts zu sagen, wenn mich was stört. Ich brodle eher innerlich, wenn ich richtig wütend werde.
Was lässt Sie am ehesten wütend werden?
Gerüchte und Flüsterkampagnen. Es macht mich echt verrückt, wenn die Leute alles zu glauben scheinen. Besonders schlimm ist es, wenn man durch erfundene Schock-Überschriften die Leute dazu bringen will, auf den Link zu klicken.
Wie schwer war es, sich Ihre Superheldenfigur für «Guardians of the Galaxy 2» anzutrainieren?
Sehr hart. Ich musste mit einer Spezialdiät abspecken. Ich habe ständig Sandwiches essen müssen.
Das klingt doch gut.
Nicht, wenn man das Brot durch Gurkenscheiben ersetzt und der Belag nicht Aufschnitt ist, sondern Sprossen und ein hartgekochtes Ei. Ich bin normalerweise jemand, der fettiges, frittiertes Essen liebt.
Wäre es nicht klüger, auch zwischen den Rollen Ihre Halbgottfigur zu halten?
Ich will mein Leben geniessen. Sie hätten mich mal im Dezember sehen sollen. Ich hatte seit letztem Juli über zehn Kilo zugenommen. Ich war auf Angeltrips, habe Wein getrunken und Burger gegessen. Ich war blass und wabbelig …
… und sind heute muskelbepackt!
Ich musste mich vor kurzem für das Cover vom Magazin «Men’s Fitness» ablichten lassen. Glauben Sie mir, ich habe mich dafür mächtig gequält und das Leben war kein Spass. Was Sie jetzt sehen ist Schall und Rauch – Chris Pratt der Hollywoodstar. Inklusive professionellen Stylings und Spray-Teints. Es braucht eine grosse Crew, um mich gut aussehen zu lassen (lacht).
Wie bevorzugt Sie denn Ihre Frau Anna Faris?
Sie mag den normalen Chris. Um sie herum kann ich mich selbst sein. Ungeschminkt. Am besten war es, als Anna schwanger war. Da haben wir beide gegessen und getrunken, was wir wollten und haben gemeinsam zugenommen. Es war grossartig.
Sie sind spätestens seit der ersten Folge von «Guardians of the Galaxy» zum Weltstar aufgestiegen. Wie gehen Sie mit dem Ruhm um?
Ich sehe mich überhaupt nicht so. Selbst wenn ich abheben sollte, würden mich meine Familie und Freunde sofort auf den Teppich zurückholen. Ich bin wie der zehnjährige Junge, der es nicht fassen kann, dass er am selben Set ist wie die Hauptdarsteller aus seinem Lieblingsfilm.
Wie sehr hat sich Ihr Leben verändert?
Sehr. Aber wenn Sie jetzt hören wollen, dass ich den Verlust der Anonymität beklage oder so, dann muss ich Sie enttäuschen. Das gehört für mich dazu. Ich bin unheimlich stolz auf und froh über mein Leben. Es füllt mich aus und deshalb bin ich auch ein sehr glücklicher Mensch.
Sie haben dank Ihrer Gagen genug Geld, um sich als Privatmann bald einen Flug ins Weltall leisten zu können. Oder eine Reise zum Mond. Hätten Sie da Lust drauf?
Ich hätte ein paar Leute im Kopf, die ich gerne zum Mond schiessen würde (lacht). Aber selbst durch den Weltraum zu fliegen, darauf verzichte ich. Ich habe Familie und würde wegen ihr kein Risiko eingehen. Zumindest so lange, bis mein Sohn im College-Alter ist. Dann überlege ich mir den Trip vielleicht noch einmal.
Bis dahin lassen Sie also alles, was gefährlich sein könnte?
Kalkuliertes Risiko geh ich schon mal ein. Tiefseetauchen zum Beispiel, das mache ich sehr gerne. Und irgendwie fühlt sich ja auch das so an, als sei man im All unterwegs. Unter Wasser wie auch im Weltraum hängt das Leben davon ab, dass das Atemgerät funktioniert.
Ihr Sohn Jack ist vier Jahre alt. Was versuchen Sie ihm fürs Leben mit auf den Weg zu geben?
Das man immer «Bitte» und «Danke» sagen soll. Wenn er es vergisst, mahne ich: «Wie heisst das?» Das Schlimme ist, dass mein Sohn mir meine eigenen Erziehungsmassnahmen um die Ohren haut. Neulich hab ich zu ihm gesagt: «Jetzt setz dich hin!» Er hat nicht reagiert und mich dann in meinem Papa-Tonfall gemassregelt: «Wie heisst das?» Es war echt schwer, nicht zu lachen.
Und Sie haben was gesagt?
Setz dich BITTE hin, lieber Jack. Danke! (Lacht.)
Sie reisen als Schauspieler ständig durch die Welt. Gibt es etwas, was Sie immer mit dabeihaben?Ich reise nicht, ich werde verschickt. Wie ein Amazon-Paket (lacht). Reisen heisst, dass man sich das Ziel selbst aussucht. Ich weiss oft gar nicht, wohin der Flieger geht. Ich habe immer drei Dinge dabei, ohne die ich nicht fliege: meine Kopfhörer, ein Buch und einen Zauberwürfel.
Wenn Sie sich einen perfekten Tag ausmalen, wie sähe der aus?
Ich wäre völlig unerkannt mit meiner Familie am Black Rock Strand in Maui. Mit einem Picknick im Sand. Ich würde mit meinem Sohn im Wasser spielen und mit meiner Frau die Leute beobachten. Traumhaft!