Dessen Flucht bringt dann aber nicht die erhoffte Freiheit und Ruhe. Stattdessen findet sich Dheepan in einem sozial schwachen Vorort von Paris mitten in einem Krieg rivalisierender Gangs wieder. «Dheepan» konkurriert im Wettbewerb von Cannes um die Goldene Palme.
Audiards Hauptfigur nimmt zunächst eine fremde Identität an und flieht mit einer Frau und einem Mädchen, die er als Ehefrau und Tochter ausgibt. Die drei müssen in der neuen Heimat lernen, die Traumata ihrer Vergangenheit zu bewältigen. Dabei entwickelt sich auch langsam eine zarte Liebesgeschichte zwischen Dheepan und seiner angeblichen Ehefrau.
Doch dann geraten die Flüchtlinge in den anonymen Hochhausblöcken immer mehr zwischen die Banden-Fronten - einige Gewaltszenen erinnern dabei stark an Bilder aus Kriegsgebieten. Der heruntergekommene Vorort scheint bei Audiard dabei eine isolierte Region fernab der übrigen Gesellschaft. Polizei und Sozialarbeiter gibt es hier nicht, stattdessen bleiben die Menschen sich selbst überlassen.
«Ich wollte die Realität nicht per se abbilden», betonte der 63-jährige Audiard am Donnerstag in Cannes. «Die Gewalt sollte eher im Hintergrund bleiben.» Er habe vielmehr die verschiedenen Facetten Frankreichs darstellen wollen; dazu gehörten eben auch die Sozialbauten in den Vororten.
Ausserdem habe er sich bewusst entschieden, mehr auf seine Charaktere zu fokussieren. So kämpfe Dheepan zu Beginn aus politischen Gründen, später dann für seine Familie.
2009 gewann Audiard für sein radikales Gefängnisdrama «Un prophète» am Filmfestival den Grossen Preis der Jury. 2012 stellte er «De rouille et d'os» mit Oscar-Preisträgerin Marion Cotillard im Wettbewerb vor. Das diesjährige Festival endet an diesem Sonntag mit der Preisverleihung.