Ella Rumpf prügelt sich über die Leinwände
Die schöne Frau fürs Grobe

Aggression, Androgynität und Sexiness – mit dieser Mischung erobert die junge Zürcherin Ella Rumpf international die Leinwand.
Publiziert: 08.04.2017 um 19:59 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 21:16 Uhr
Silvia Tschui

Man kann sich an ihr einfach nicht satt sehen – schon nach dem ersten Auftritt nicht. Da kickt Ella Rumpf (21) als Tiger Girl mit der Coolness einer jugendlichen Stinkefinger-Attitüde einen Rückspiegel von einem protzigen Auto. Ihre zukünftige Freundin Vanille (Maria-Victoria Dragus, 22)  sieht von ihrem Auto aus zu – sie ist hingerissen. Und sofort an Tiger verloren. Genauso wie die Zuschauer des neuen Spielfilms «Tiger Girl».

Dieses brachial-schöne Gesicht: ein breites, gefurchtes Kinn, genauso breite, wulstige Lippen, dunkelgrüne Augen mit dicken Brauen drüber – alles an Ella Rumpfs Zügen ist exzessiv, leicht übertrieben, an der Grenze zum Groben.

Kommen die Bewegungsabläufe hinzu: übersexualisiert, weiblich und gleichzeitig maskulin-eckig-aggressiv. Der Gesamteindruck von Ella Rumpf ist schlicht umwerfend. Solch eine jeden Moment potenziell eskalierende Gewaltbereitschaft einer Schweizerin war wohl noch nie so elektrisierend auf der Leinwand zu sehen.

Rumpf sorgt beim Publikum für Brechreiz

Filmregisseure haben das längst gemerkt. Schon in «Chrieg», Simon Jaquemets Drama um randalierende Jugendliche, spielt sie 2014 eine junge Frau, die erst mit einem Baseballschläger bewaffnet in einer Zerstörungsorgie zu sich selbst findet. Einen grossen Schritt weiter geht 2016 die französische Regisseurin Julia Ducourneau (33). Sie besetzt die bilingue aufgewachsene Rumpf in der ersten Nebenrolle des feministischen Horror-Teen-Dramas «Grave» als Kannibalin.

Wandelbare Schauspielerin: Ella Rumpf.
Foto: Martin Monk

Deren unstillbare Lust auf lebendes menschliches Fleisch führte in einzelnen Szenen dazu, dass beim Screening am Filmfestival in Toronto Zuschauer in Ohnmacht fielen. Einige hätten sich erbrechen müssen –  die Kinobetreiber verteilten für weitere Vorführungen Kotztüten. Und wenns nicht stimmt, ist das immerhin prima Werbung für den cleveren Horrorstreifen.

Clever deshalb, weil «Grave» bei Kritikern als Meisterwerk, als intellektuell vielschichtige Untersuchung gesellschaftlich unterdrückter weiblicher Sexualität gilt. Und Rumpf erntet als vampirähnliche Figur international Begeisterung. In der Schweiz ist der Film bis jetzt nicht zu sehen.

Der Reigen der unangepassten Frauenfiguren, die Rumpf in letzter Zeit verkörpert, ist damit noch längst nicht abgeschlossen: Auch im soeben angelaufenen Schweizer Film «Die göttliche Ordnung» spielt Rumpf eine Wilde: Als Tochter eines Bauern in einem Krachen in den 1970er-Jahren wird sie zwangsverwahrt – weil sie den Falschen liebt. Und erntet auch hierfür gute Kritiken. 

Baseballschläger schwingend: Ella Rumpf (r.) in «Tiger Girl».
Foto: Pathé Films

Jetzt also die Baseballschläger schwingende, asoziale Tiger. Man könnte meinen, Ella Rumpf müsse auch im wahren Leben ein gehöriges Potenzial an Aggression mitbringen. Weit gefehlt: Sie wächst behütet in Zürich im wohlhabenden Kreis 6 als Tochter eines Schweizers und einer Französin zweisprachig auf und besucht die Steiner-Schule. Im Alter von 14 Jahren beginnt sie an Castings zu gehen und erhält 2011 tatsächlich eine Nebenrolle im Film «Draussen ist Sommer» der Regisseurin Friederike Jahn.

«Du musst nur sagen, was du willst»

Für Rumpf ist fortan klar: Darauf setze ich. Dafür zieht sie 2013, im Alter von 18 Jahren, allein nach London, um die Schauspielschule Forman Centre for Acting zu besuchen. Aber ganz anders, als ihre Rollen vermuten lassen, sagt sie dort gegenüber SRF: «Ich vermisse mein Mami.» 167 Zentimeter gross, versinkt sie in einer schwarzen Lederjacke, nuschelt leise.

Hat sie keine Angst, nur noch Rollen einer Asozialen zu kriegen? «Stimmt, ich hab mich in letzter Zeit viel geprügelt», sagt sie nach der Vorpremiere von «Tiger Girl». «Ein bisschen Romantik wär auch mal schön.» Auch in anderen Interviews ist vom cool-maskulinen Aggressionsgehabe rein nichts vorhanden: «Ich lebe nach starken Werten», sagt sie zur «Nordwestschweiz», «Respekt, Toleranz und auf andere aufzupassen.» 

Ella Rumpf im neuen Film «Tiger Girl».
Foto: ZVG

Auf andere aufpassen, das tut sie auch in «Tiger Girl». Schon nach zehn Minuten hat sie die bei der Polizeiprüfung durchgefallene, überangepasste Vanille vor drei betrunkenen Pöblern in der U-Bahn gerettet – so cool schwang noch nie eine einen Baseballschläger. «Vanille der Killer» nennt sie die neu gewonnene Freundin und erklärt ihr: «Du bist zu höflich. Du musst nur sagen, was du haben willst, dann kriegst du es auch.»

Das nimmt Vanille derart persönlich, dass sie Tiger bald über den Kopf wächst. Denn wo Tiger Prinzipien hat – nur Leute bestehlen und verprügeln, die es verdient haben –, steigert sich Vanille in einen regelrechten Gewaltrausch hinein. 

«Tiger Girl» ab 6. April in den Schweizer Kinos.
Foto: ZVG

Die beiden Hauptdarstellerinnen sind auch im realen Leben Freundinnen, Rumpf hat Regisseur Jakob Lass davon überzeugt, Maria-Victoria Dragus den Part zu geben. «Das war sehr wichtig für mich», sagt sie, «vieles war improvisiert, da braucht man jemanden an seiner Seite, dem man trauen kann.» Tatsächlich gab es im Drehbuch keine Dialoge, bloss Eckpunkte wie die Kampfchoreografien, «die wurden richtig eintrainiert», sagt Rumpf.

Und damit geht Rumpf aus dem Riffraff, wohl um noch eine Stippvisite beim Mami zu machen, bevor sie nach Berlin fliegt. Dort lebt Rumpf momentan und dreht mit dem «Männerpension»-Regisseur Detlev Buck (54) ihre neuste schräge Rolle: In der Gangster-Posse «Gorillas» wird sie ab dem 11. November 2017 in den Kinos zu sehen sein.

Eine lange Zeit. Denn wie gesagt: Man kann sich an Rumpf kaum satt sehen. 

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