Ein Abend mit Star-Regisseur Marc Forster
«Ich betrachte die Welt wie ein Kind»

Er hat es in Hollywood an die Spitze geschafft: Marc Forster (47). Am Zurich Film Festival präsentierte er seinen neusten Film «AlI I See Is You» und vor der Gala-Premiere sprach er bei Ringier übers Filmemachen.
Publiziert: 02.10.2017 um 23:35 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 15:40 Uhr
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Marc Forster zeigt am Zurich Film Festival  seinen neusten Film «All I See Is You».
Foto: RDB
Interview: Katja Richard

Er ist unser Mann in Hollywood: Marc Forster (47) zählt zu den erfolgreichsten Regisseuren der Traumfabrik. Mit seiner Sensibilität erschafft der Davoser Bildwelten, die sowohl in Blockbustern wie in Studiofilmen beeindrucken. Einem grossen Publikum bekannt wurde Forster als Regisseur des Bond-Streifens «Quantum of Solace». Mit seinem neuen Film, den er am Zurich Film Festival zeigt, kehrt er wieder zu seinen Anfängen zurück. «All I See Is You» ist ein berührendes Psychodrama mit Blake Lively (30) in der Hauptrolle. Sie spielt Gina, die seit einem Unfall als Teenager erblindet ist. Dank einer Operation gewinnt sie wieder ihr Augenlicht zurück, was auch den Blick auf ihre Ehe ändert. 

BLICK: In Ihrem neuen Film geht es um eine blinde Frau, die wieder sehen kann. Wie sind Sie auf das Thema gekommen?
Marc
Forster: Für mich ist das eine Metapher. Gerade heutzutage ist es wichtig, genau hinzuschauen. Wenn man älter wird, hat man die Tendenz zu glauben, dass man bereits alles kennt und weiss. Ich versuche, offen zu bleiben und betrachte die Welt wie ein Kind, also immer wieder neu und unvoreingenommen. Das ist gar nicht so leicht, weil wir in unserer Wahrnehmung im Kopf so eingefahren sind, dass der Blick für gewisse Feinheiten verloren geht. Das zeigt sich besonders in Beziehungen. Man glaubt, die andere Person zu kennen, aber man kennt sie eben doch nicht wirklich.

Ist das eine Erfahrung, die Sie auch persönlich gemacht haben?
Ich glaube, die macht jeder, da bin ich nicht der Einzige (lacht). Es ist eine Erfahrung, die man auch mit sich selber macht. Im Laufe des Lebens verändert man sich und man spielt ständig neue Rollen, je nachdem, mit wem man zusammen ist. Ob man mit jemandem beruflich umgeht oder nach Hause zu seiner Frau und den Kindern kommt, ist etwas anderes.

Das Visuelle ist für Sie sehr wichtig, wie entsteht ein Film in Ihrem Kopf?
Bilder laufen bei mir ganz automatisch ab. Die Idee zu diesem Film kam mir unter der Dusche. Mir lief Seife ins Auge, und für einen Moment konnte ich nichts sehen, dann verschwommen. Ich schlug mir den Kopf an und wunderte mich, schliesslich kenne ich mich ja in meinem Badezimmer aus. Das hat mich fasziniert. Es ist ganz anders, ob jemand nie etwas gesehen hat oder erst später erblindet. Je nachdem kann man sich an Erinnerungen orientieren.

Im übertragenen Sinne sind auch Sehende in gewissen Dingen blind, was ist Ihr blinder Punkt?
Als Mensch entwickelt und verändert man sich. Um seine blinden Punkte wahrzunehmen, ist der Austausch mit anderen Menschen wichtig. Dazu gehört richtiges Zuhören, das braucht Zeit und eine gewisse Ruhe. In unserer technologisierten Welt fehlt oft genau das. Wir sind zu oft am Handy, statt uns gegenseitig zuzuhören. Dabei ertappe ich mich selber. Deshalb lasse ich mein Handy bewusst mal einen Tag oder zwei liegen und nehme in Kauf, mal nicht erreichbar zu sein.

Sie haben einen Bond-Film gedreht, jetzt wieder einen Streifen mit einem kleineren Budget. Wo ist der Unterschied?
Wenn man einen kommerziellen Film macht wie einen Bond oder «Worldwar Z», dann hat man vom Budget her viel mehr Druck. Wenn ein Film floppt, ist die Finanzierung nachher schwieriger. Bei kleineren Filmen kann man eher Risiken eingehen und dem künstlerischen Aspekt mehr Raum geben. 

Wie gehen Sie mit diesem Druck um?
Ich konzentriere mich einfach nur auf die Geschichte. Wenn ich mich auf den Druck fokussiere, kommt es nicht gut. Solange ich im Budget bleibe, habe ich den Raum, meine Vision des Films umzusetzen.

Wie war die Zusammenarbeit mit den Schauspielern, vor allem mit Blake Lively?
Hervorragend, wir haben uns sehr gut verstanden und werden sicher wieder zusammenarbeiten.

Sie hatten schon als 15-Jähriger die Vision, Regisseur zu werden, warum?
Ich liebe es, Geschichten in Bildern zu erzählen, das hat mich schon immer angezogen. Heute kann ich das machen was ich liebe und inzwischen auch gut davon leben. Oft sind die Menschen etwas verloren, sie machen etwas, das ihnen nicht so gefällt, wissen aber auch nicht, was sie sonst tun sollen. Es ist ein Riesengeschenk, wenn man weiss, wofür man brennt.

Gab es nie Zweifel für Sie auf diesem manchmal steinigen Weg?
Nein. Klar gab es schwierige Zeiten, besonders die drei Jahre, nachdem ich die Uni in New York abgeschlossen hatte. Da gab es schon Momente, in denen ich mich fragte, wie es weitergehen soll. Wenn man nicht weiss, wie man die Miete bezahlen soll und sogar das Essen knapp wird, dann wird es existenziell. Und dann findet noch die ganze Familie, dass man jetzt doch zurück in die Schweiz kommen und eine Banklehre machen soll.

Wieso haben Sie keine Banklehre gemacht?
Das ist für mich nicht in Frage gekommen. Aber ich verstehe, dass es für Eltern schwierig ist, wenn das Kind einen künstlerischen Beruf wählt. Man weiss ja nie, ob man davon leben kann. Und Eltern wünschen sich Sicherheit fürs Kind, das habe ich bei meiner Mutter sehr gespürt.

Hat Ihre Mutter Sie unterstützt?
Anfangs schon, aber als es nach dem Uniabschluss nicht gelaufen ist, sorgte sie sich zusehends. Mein Vater hatte ja sein Vermögen verloren, und wir hatten kein Geld. Finanziell konnte sie mir nicht unter die Arme greifen.

Ist sie heute stolz auf Sie?
Ja. Ich glaube, in erster Linie ist sie einfach froh, dass es geklappt hat.

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