BLICK: Seit 13 Jahren arbeiten und leben Sie zusammen. Geht das immer gut?
Stéphane Kuthy: Ja! Ich könnte mir nicht vorstellen, wie die Arbeit ohne Bettina wäre.
Bettina Oberli: Eigentlich leben und arbeiten wir ja nicht gross anders als zum Beispiel Bauernpaare, die zusammen einen Hof führen oder andere Paare, die zusammen ein Geschäft besitzen.
Kuthy: Das Spezielle an unserer Zusammenarbeit ist, dass wir von der ersten Idee bis zum fertigen Film alles gemeinsam machen. Ich lese alle Fassungen des Drehbuchs und bin Bettinas schärfster Kritiker.
Wie schaffen Sie es, nicht immer über Arbeit zu sprechen?
Kuthy: Das wollen wir gar nicht schaffen, der Film ist immer präsent.
Oberli: Als Künstler fliessen das Familienleben und die Arbeit ineinander. Wir wollen Arbeit und Familie nicht trennen.
Können Sie abends eigentlich gemeinsam vor dem Fernseher sitzen und sich berieseln lassen?
Oberli: Wir schalten den Fernseher sehr selten ein. Eigentlich nur, damit Stéphane die französischen Nachrichten sehen kann. Als Familie mit Kindern haben wir gar keine Zeit dafür.
Kuthy: Wir schauen aber gezielt Filme auf DVD.
Gibt es Filme, die Sie, Bettina Oberli, grossartig finden und die Ihr Mann nicht ausstehen kann?
Oberli: Ich bin ein grosser Fan der BBC-Serie «Downton Abbey». Leider wird Stéphane damit nicht wirklich warm, vermutlich ist es eine Geschlechtersache.
Haben Sie sich noch nie überlegt, einmal mit einem anderen Kameramann zu drehen?
Oberli: Stéphane und ich haben es uns einmal überlegt. Als ich einen Kameramann suchte, merkte ich, dass ich einen zweiten Stéphane wollte. Sich wirklich gut zu kennen, ist ein sehr grosser Wert. Das kann man nicht einfach so ersetzen.
Was macht Ihren Mann so einzigartig?
Oberli: Einerseits ist Stéphane ein Kameramann, der seine Bilder stark vom Inhalt aus gestaltet. Er muss dem Film nicht partout seinen Look aufdrücken. Zudem würde ich mir keinen anderen Vater für meine Kinder wünschen. Er ist präsent, das ist besonders für Buben wichtig. Die Kinder haben ein grosses Glück mit ihm.
Sie teilen sich die Erziehung. Aber was, wenn Sie gleichzeitig arbeiten?
Oberli: Wir schauen schon, dass immer jemand von uns daheim ist. Wir drehen ja nur alle paar Jahre einen grossen Film gemeinsam. Jetzt hat Stéphane gerade den «Tatort» gedreht, und ich war mit den Kindern zu Hause.
In Ihrem neuen Film «Lovely Louise» wohnt ein 50-Jähriger noch bei seiner Mutter. Sie haben einst gesagt, Ihre Filmfiguren hätten reale Vorbilder. Wer ist denn die richtige Louise?
Oberli: Die gibt es nicht. Die Idee war, eine Emanzipationsgeschichte zu erzählen. Aber nicht über einen Teenager oder wie bei «Die Herbstzeitlosen» über jemanden, der sich im hohen Alter emanzipiert, sondern über jemanden, der mitten im Leben steht. Der Film musste Humor haben, auch wenn es eigentlich eine sehr harte Geschichte ist. Denn alles, was Eltern ihren Kindern antun, ist letztlich tragisch und komisch zugleich.
Wie erziehen Sie Ihre Söhne, damit sie die Emanzipation erreichen, die Sie in Ihren Filmen zeigen?
Oberli: Ich weiss nicht, wie wir sie erziehen. Wir tun es einfach. Wir haben kein pädagogisches Konzept.
Kuthy: Da ich alle Aufgaben mit Bettina teile, leben wir nicht gerade in einer klassischen Familie. Meine Söhne kriegen sehr viel von mir mit, viel mehr, als wenn ich irgendwo angestellt wäre.
Oberli: Das ist die schöne Seite davon, dass wir immer in einer gewissen Unsicherheit leben.
Sie beide sind das Dreamteam des Schweizer Films ...
Oberli: Achtung, ich mag das Wort Dreamteam nicht. Das klingt nach einer Illusion. Wir sind sehr real mit allen Hochs und Tiefs. Zudem gibt es auch andere Filmpaare - Andrea Staka und Thomas Imbach, Stina Werenfels und Samir zum Beispiel.
In «Lovely Louise» spielt die 87-jährige Annemarie Düringer, die auch schon bei den «Herbstzeitlosen» dabei war, die Hauptrolle. Man hört, es sei nicht ganz einfach gewesen mit ihr.
Kuthy: Mit alten Leuten, Babys oder Tieren zu filmen, ist nie einfach. Man fährt runter und lernt zu warten.
Oberli: Es braucht mehr Geduld und Grosszügigkeit. Mir war sehr wichtig, dass wir eine wirklich alte Frau und keine 60-Jährige besetzen und sie älter schminken. Man muss spüren, dass ihr Sohn nicht mehr ewig Zeit hat, sich von seiner Mutter zu lösen. Erst durch Annemaries Alter wurde der Film authentisch.
Woher kommt eigentlich Ihr Faible für so starke, emanzipierte Frauenvorbilder?
Oberli: Starke Frauen waren stets präsent in meinem Leben. Meine Grossmütter waren schon sehr bestimmt und auch meine Mutter hat mir immer gesagt, wie wichtig es ist, dass eine Frau auf ihren eigenen Beinen stehen kann. Als Filmemacherin brauchst du eine gewisse Kraft, ich umgebe mich auch im Freundeskreis gerne mit starken Frauen. Die Gleichberechtigung spielt da eine grosse Rolle. Bei unseren Freunden gibt es viele Väter, die sich die Erziehung der Kinder mit ihren Frauen teilen.