Höhere Höhen als Nick Park (59) vom Animationsfilmstudio Aardman kann man nicht erklimmen – der Regisseur, verantwortlich für «Wallace & Gromit» und «Chicken Run», hat so ziemlich alles an internationalen Preisen abgeräumt, was man abräumen kann. Trotzdem bekommt man in Aardmans riesigen Produktionshallen nahe Bristol bestes Anschauungsmaterial in Sachen britisches Understatement.
Der Mini-Empfangsraum inmitten des grossen Lagerhallenkomplexes ist mit abgewetztem Spannteppich ausgelegt, an der mit Billig-Platten beklebten Decke flackern Neonleuchten, die Sitzgelegenheiten und der Tisch scheinen von Ikea zu sein, und die Fenster schliessen, wie überall in England, irgendwie nicht richtig. Alles ist etwas schäbig, wenn da nicht in der Ecke zwei bescheidene Glasregale stünden. Darin: vier Oscars, fünf Statuen der British Academy of Film and Television (kurz BAFTA, die englischen Oscars) und unzählige weitere Preispokale. Gewonnen hat sie allesamt Nick Park. Alles klar: Hier gehts nicht darum, irgendwen zu beeindrucken, hier gehts um die Liebe zur Sache.
Zum Beispiel zu «Early Man», Nick Parks neustem Film, der bei uns seit letzter Woche läuft. Zwar ist das kein «Wallace & Gromit»-Abenteuer, die britische Presse überschlägt sich trotzdem bereits vor Begeisterung – auch wenn die Geschichte auf Papier etwas an den Haaren herbeigezogen klingt: Steinzeitmenschen leben friedlich in einem idyllischen Tal, inklusive des Jungen Dug (Eddie Redmayne).
Atemberaubende Action und eine grosse Portion Absurdität
Die Idylle währt jedoch nicht lange. Lord Nooth (Tom Hiddleston, mit öligem französischem Akzent), der Tyrann der technologisch fortgeschritteneren Bronzezeit-Menschen, bricht ins Tal ein und versklavt die Urmenschen. Ein Glück, sind die Bronzezeitler fanatische Fussballfans. Dug schlägt deshalb eine Wette vor: Entweder seine Clan-Kumpel und er gewinnen im Fussball und erhalten ihr Tal zurück – oder sie verlieren und arbeiten fortan zeitlebens versklavt in den Bronzeminen.
Unterstützung bekommt Dug in Form seines zahmen Wildschweins Hognob und des Bronzestamm-Mädchens Goona («Game of Thrones»-Star Maisie Williams). Die hanebüchene Geschichte lebt, wie auch die «Wallace & Gromit»-Reihe, von unzähligen visuellen Gags, atemberaubenden Actionsegmenten und einer riesigen Portion klassisch britischer Absurdität.
Nick Parks verlor bei den Oscars gegen sich selber
Geht man nach Nick Parks Resumée, muss das Ganze ein Erfolg werden: Mit seinen letzten zwei abendfüllenden Filmen «Chicken Run (2000) und «Auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen» (2005) spielte er je rund 200 Millionen Dollar ein. Er ist wohl auch der einzige Mann auf Erden, der jemals einen Oscar gegen sich selber verlor: 1990 mit « Creature Comforts» und «Wallace & Gromit – Alles Käse» doppelt nominiert, gewinnt er mit ersterem Kurzfilm und katapultiert sich so in eine eigene Liga. Auch für seinen dritten ausgedehnten Film richtet er mit grosser Kelle an. Hinter dem Mini-Empfangsraum tut sich auf zwei Stöcken eine Flucht von riesigen Hallen im Parterre und unzähligen labyrinthischen Räumen im Obergeschoss auf.
Hier erwecken ganze Fachbereiche die Figuren zum Leben: Metallwerker, Schreiner, Näher und Näherinnen, Puppenmacher, Silikonspezialisten, Zeichner, Kameramenschen, Programmierer. In einem Raum stellen etwa Feinmechaniker ausschliesslich Metallskelette für die Puppenmodelle her. Da die Gelenke möglichst naturgetreue Bewegungsabläufe erlauben müssen, ist nur schon dies eine Spezialaufgabe.
Die fertigen komplexen Grundskelette legen weitere Spezialisten in eine Gussform, um sie mit Silikon zu einem festen Körper zu giessen. Diese Körper haben oft eigens abnehmbare Arme und Hände. Den Kopf wiederum, ebenfalls auf Silikonbasis, bestücken sie mit einer Haut – und mit Mündern, Augen, Nasen und Augenlidern aus Plastilin. «Model Making» heisst das, dafür sind rund dreissig Leute beschäftigt, die natürlich nicht nur die nackten Körper, sondern auch Kleidung und Accessoires der Figuren herstellen.
Weil aber blosse Figuren noch keinen Film machen, gibt es zusätzlich ganze Schreinereien, welche die Sets, Möbel, Wälder, Berge, ganze Welten erschaffen – es gibt sogar ein eigenes Departement nur für Laub. Bevor all die Schreiner und Modellmacher aber zum Zug kommen, hat eine weitere Abteilung schwer gearbeitet: Im «Art Department», also Kunstdepartement, zeichnen zwischen vier bis sechs Illustratoren jedes Detail, jede Figur, überlegen sich die Ästhetik und entwerfen jedes Gebäude, jedes Werkzeug, jedes Tier und jede Waffe am Leuchtpult und am Computer. Das meiste ist aber gute, alte Zeichen-Handarbeit mit Bleistift und Papier.
Nick Park macht alles – von der Regie bis zur Rückenmassage
Sind Sets und Puppen nach Plan für eine Szene fertig und haben auch die Programmierer für das automatisch gesteuerte Licht und die Kamerafahrten das ihrige getan, finden sie sich zusammen mit einem Animator in einem der Set-Räume. Insgesamt dreissig dieser Set-Hallen gibt es auf dem Gelände, und in allen wird simultan animiert – geschossen, nennt sich das.
Ein Animator schafft pro Tag eine Sekunde. Das Aardman-Studio konnte also während der Produktion an einem Tag dreissig Sekunden des Films «Early Man» animieren. Dass Nick Park in der Filmbranche völlig eigenständig funktioniert, wird beim Besuch klar. Er hat nicht nur die Geschichte entwickelt, ist Regisseur und Co-Produzent, er demonstriert fernab aller Allüren auch, wie handfest er sich einbringt: Bevor die Animateure und Regisseure die Figuren Einstellung für Einstellung bewegen und ablichten, lässt er sich persönlich filmen – und zeigt vor, wie sich einzelne Figuren zu bewegen haben, damit nachher die Bewegungsabläufe stimmen.
Das Wildschwein Hobnog grunzt Nick Park im Aufnahmestudio selber – und lacht dabei auch mal Tränen. Und wenn der fiese Herrscher im Film während einer Rückenmassage aus der Badewanne Anweisungen bellt, steht Nick Park hinter Schauspieler Hiddleston im Aufnahmeraum – und massiert ihm energetisch und hingebungsvoll den Rücken, während der seine Szene einliest.
Es sind sicher dieser Spass an der Sache und diese Aufmerksamkeit zum Detail, die ganz persönliche Handschrift und der Humor von Park, die auch «Early Man» zum garantierten Kassenschlager machen. Und eine wirklich reizende Diskrepanz zwischen dem alten, handgemachten Animationsstil mit Plastilin, dem in Urzeiten verankerten Plot und den völlig modernen Einfällen. Twitter etwa ist ein Messenger-Vogel, mit dessen Handhabe ältere Menschen doch recht überfordert sind. Und der ganze Film hat durchaus sozialkritische Aspekte und wird in der britischen Presse als Allegorie auf das Brexit-Debakel der britischen Politik gelesen.
«Early Man» läuft ab sofort in den Deutschschweizer Kinos.
Beim Blick Live Quiz spielst du dienstags und donnerstags (ab 19.30 Uhr) um bis zu 1'000 Franken aus dem Jackpot. Mitmachen ist ganz einfach. Du brauchst dazu lediglich ein iPhone oder ein Android-Handy.
- Suche im App-Store (für iOS) oder im Google Play Store (für Android) nach «Blick Live Quiz».
- Lade die «Blick Live Quiz»-App kostenlos runter und registriere dich.
- Wichtig: Aktiviere die Pushnachrichten, sodass du keine Sendung verpasst.
- Jetzt kannst du dein Wissen mit anderen Usern und Userinnen messen.
Beim Blick Live Quiz spielst du dienstags und donnerstags (ab 19.30 Uhr) um bis zu 1'000 Franken aus dem Jackpot. Mitmachen ist ganz einfach. Du brauchst dazu lediglich ein iPhone oder ein Android-Handy.
- Suche im App-Store (für iOS) oder im Google Play Store (für Android) nach «Blick Live Quiz».
- Lade die «Blick Live Quiz»-App kostenlos runter und registriere dich.
- Wichtig: Aktiviere die Pushnachrichten, sodass du keine Sendung verpasst.
- Jetzt kannst du dein Wissen mit anderen Usern und Userinnen messen.
Was waren Ihre Inspirationen für die Steinzeit?
Ich war schon als Kind vom Animatoren Ray Harryhausen fasziniert. Er animierte in den 1950ern Dinosaurier, Skelette und Monster für Hollywood. Die Eingangsszene von «Early Man» ist eine Hommage an ihn: Die Dinosaurier, die da miteinander kämpfen, heissen Ray und Harry. Die Idee hat aber auch rein aus dem Material heraus gestimmt. Ich bin ja ein Knete-Mann. Und das Archaische dieser Knete passt für mich irgendwie in die Steinzeit.
Ist Ihr Film EU-kritisch zu verstehen? Immerhin tragen die Fieslinge blau-gelbe Kostüme.
Ganz und gar nicht! Im aktuellen politischen Klima wollten wir das eben nicht. Wir zeigen vielmehr, dass eine Rückbesinnung auf ein eigenes Tal im Film – oder auf unsere Insel im realen Leben – dazu führt, dass man den Anschluss verpasst. Unsere Bronzezeit-Gesellschaft ist zwar ein Aggressor, aber gleichzeitig eben auch viel kultivierter. Wir wurden von der ganzen Brexit-Welle überrollt.
Beim ganzen Prozess des Filmemachens – was macht Ihnen am meisten Spass?
Oh, wow. Alles! Nur schon sich eine ganze Welt auszudenken, ist wunderbar. Und dann das Physische, wenn ich die Sets entwickeln kann und dann sehe, und die Charaktere. Ich liebe alles!
Was waren Ihre Inspirationen für die Steinzeit?
Ich war schon als Kind vom Animatoren Ray Harryhausen fasziniert. Er animierte in den 1950ern Dinosaurier, Skelette und Monster für Hollywood. Die Eingangsszene von «Early Man» ist eine Hommage an ihn: Die Dinosaurier, die da miteinander kämpfen, heissen Ray und Harry. Die Idee hat aber auch rein aus dem Material heraus gestimmt. Ich bin ja ein Knete-Mann. Und das Archaische dieser Knete passt für mich irgendwie in die Steinzeit.
Ist Ihr Film EU-kritisch zu verstehen? Immerhin tragen die Fieslinge blau-gelbe Kostüme.
Ganz und gar nicht! Im aktuellen politischen Klima wollten wir das eben nicht. Wir zeigen vielmehr, dass eine Rückbesinnung auf ein eigenes Tal im Film – oder auf unsere Insel im realen Leben – dazu führt, dass man den Anschluss verpasst. Unsere Bronzezeit-Gesellschaft ist zwar ein Aggressor, aber gleichzeitig eben auch viel kultivierter. Wir wurden von der ganzen Brexit-Welle überrollt.
Beim ganzen Prozess des Filmemachens – was macht Ihnen am meisten Spass?
Oh, wow. Alles! Nur schon sich eine ganze Welt auszudenken, ist wunderbar. Und dann das Physische, wenn ich die Sets entwickeln kann und dann sehe, und die Charaktere. Ich liebe alles!