SonntagsBlick: Abgesehen vom Look, was hat sich sonst noch an Ihnen verändert?
Antonio Banderas: Ich habe die Unruhe verloren, dass ich etwas Bestimmtes erreichen muss. Der Herzinfarkt hat mir einen Schubs gegeben, ich sah dem Tod ins Auge. Es ist eine zweite Chance für mich – und ich glaube, ich nehme sie wahr.
Hat man insbesondere als spanischer Schauspieler den Traum, einmal Picasso zu spielen?
Nicht ich. Im Gegenteil. Ich bin vor der Rolle geflüchtet. Sie wurde mir an verschiedenen Punkten meiner Karriere angeboten. Immer habe ich abgelehnt.
Aus welchem Grund?
Weil er in meiner Heimatstadt Málaga geboren wurde. Und ich hatte Angst vor der Bürde, einen Mann zu spielen, der als Held verehrt wird, Angst zu versagen.
Und wann hat sich Ihre Ablehnung geändert?
Als ich die erste Staffel von «Genius» gesehen habe, die sich mit Einstein befasste. Dann rief (der oscarprämierte Produzent) Ron Howard bei mir in London an, und es gab für mich keine Entschuldigung mehr, nicht in die Haut von Don Pablo Ruiz Picasso zu schlüpfen.
Haben Sie das Leben von Picasso recherchiert?
Ja, aber es war schwierig. Er hat nicht viel geredet. Es gibt nicht viele Interviews mit ihm. Eins im belgischen Fernsehen habe ich mir so um die 150-mal angesehen.
Und was haben Sie herausgefunden?
Dass seine Handlungen von verschiedenen Menschen unterschiedlich beschrieben wurden. Zum Beispiel liest man, dass Picasso sich auf dem Zenit seines Ruhms weigerte, ein Gesuch für die Freilassung des französischen Dichters Max Jacob zu unterschreiben, den die Nazis ins KZ geworfen hatten. Und dann hat er einmal Jean Cocteau gegenüber erklärt, warum er den Brief nicht unterzeichnen konnte: Die Nazis hassten Picasso, und es hätte Max Jacobs Situation nur noch verschlimmern können.
Glauben Sie, dass jeder Mensch eine Spur von Genie in sich hat?
Jeder kann kreativ, neugierig und erfinderisch sein. Aber das hat nichts mit genial zu tun. Auf der anderen Seite sind Genies nicht perfekt. Es sind Menschen wie du und ich, die eine Menge Fehler machen. Mit genialen Gaben kommen fast unausweichlich egoistische Launen und Arroganz.
Sollten Genies anders behandelt werden als Normalsterbliche?
Auf keinen Fall. Ich mag keine Künstler, die von sich glauben, dass sie etwas Aussergewöhnliches sind.
Aussergewöhnlich bei Picasso war sein Bedürfnis nach Frauen. Darf man ihn als Schürzenjäger bezeichnen?
Nicht in meinen Augen. Er war kein Mann, der nur an Frauen interessiert war, um sie ins Bett zu bekommen. Er kann nicht künstlerisch schaffen ohne dieses Hochgefühl, das eine Beziehung – insbesondere zu Frauen – schafft. Wenn eine diese Aufgabe erfüllt hat, dann sucht er nach der nächsten, die ihm dieses Hochgefühl gibt. Er ist fast ein Vampir.
Vampire sterben nicht.
Picasso konnte nur schwer akzeptieren, dass er alt wurde. Darum haderte er mit dem Leben.
Was haben Sie von Picasso gelernt?
Dass es sehr schmerzhaft sein muss, ein Künstler zu sein. Weil man ehrlich sein muss. Es ist die Ehrlichkeit, mit der man sagen muss: «Ich liebe dich nicht mehr.» Immer das zu tun, was man denkt, schafft eine Menge Probleme. Menschen wie Sie und ich verhalten uns nicht so.
Malen Sie selbst?
In der Szene, wo Picasso sein letztes Selbstporträt malt, da bin echt ich es, der malt. Gar nicht mal so schlecht. Picasso blickt in den Spiegel und sieht dieses Bild von Altersschwäche. Zeit, Abschied zu nehmen. Wenige Tage später starb er.
Besitzen Sie Picassos?
Ich hatte zwei Picassos. Einen habe ich durch meine Scheidung verloren. Ich habe auch ein Werk von Diego Rivera, den meine Ex-Frau Melanie mag. Vielleicht tauscht sie, dann habe ich wieder zwei Picassos.
Wo leben Sie jetzt?
Nach zwei Ehen mit Schauspielerinnen habe ich jetzt eine Freundin, die Finanzberaterin ist und in London lebt. Sie hat nichts mit der Welt des Showbusiness zu tun. Zu ihrem Freundeskreis, der auch meiner wird, gehören Architekten, Ärzte, Ingenieure. Da wird über normale Dinge geredet. Sehr erleuchtend für mich.