Mit 159 langen und kurzen Filmen fällt die Werkschau des Schweizer Films im kommenden Jahr (25. Januar bis 1. Februar 2018) etwas dünner aus als in früheren Jahren. Auffallend viele Werke überzeugten «formal und inhaltlich durch Originalität», sagte Festival-Direktorin Seraina Rohrer vor den Medien in Zürich.
Die Filmemacher richteten dabei ihren Blick oft dorthin, wo andere wegblicken. Ein Beispiel hierfür ist der Eröffnungsfilm von Fernand Melgar: Sein Dokumentarfilm «À l'école des Philosophes» zeigt den schwierigen Alltag in einer Tagesschule für Kinder mit Behinderungen.
Melgar, der sich mit Dokfilmen wie «Vol spécial» oder «L'abri» einen Namen machte, ist damit nach fast einem Jahrzehnt der erste Westschweizer, dem die Ehre des Eröffnungsfilms zuteil wird. Dass zuletzt ein Dokfilm den cineastischen Auftakt in die Filmtage machte, ist gar 14 Jahre her. Eröffnet werden die 53. Filmtage von Bundespräsident Alain Berset.
«Mario» dank Erlachner-Outing ungeahnt aktuell
Melgars «À l'école des Philosophes» gehört zu den neun Filmen, die für den mit 60'000 Franken dotierten «Prix de Soleure» nominiert sind. Ebenso «Mario»: Der neue Spielfilm von Marcel Gisler («Electroboy») handelt von einem schwulen Fussballer (Max Hubacher). «Mario» erhält dank des kürzlichen Outing des Schweizer Profi-Schiedsrichters Pascal Erlachner ungeahnte Aktualität, denn Homosexualität ist in der Fussballbranche noch heute nahezu ein Tabuthema.
Brandaktuell ist auch Dieter Fahrers Dokumentation «Die Vierte Gewalt», ebenfalls «Prix de Soleure»-Kandidat: Der Filmemacher widmete sich der Arbeitsrealität in der Medienbranche, besuchte verschiedene Redaktionen und beäugte deren Arbeit kritisch.
Elf Filme wurden von den Filmtagen ins Rennen um den Publikumspreis geschickt, darunter das Filmdebüt des Walliser Autors Wilfried Meichtry: Die Doku-Fiktion «Bis ans Ende der Träume» erzählt die Liebesgeschichte zwischen der Schweizer Reisejournalistin Katharina von Arx und dem französischen Fotografen Freddy Drilhon.
Vier Filme mit derselben Ausgangslage
Neues versprechen aber nicht nur die Wettbewerbskategorien. Erwähnt sei dabei etwa die vierteilige Serie «Ondes de choc», für die Ursula Meier, Lionel Baier, Jean-Stéphane Bron und Frédéric Mermoud im Auftrag des RTS vier Filme gedreht haben. Die Ausgangslage ist in allen vier Autorenfilmen die gleiche: Ein Jugendlicher erlebt einen Schicksalsschlag, der sein Leben komplett verändert.
Ein besonderes Augenmerk legen die Filmtage 2018 auf das Drehbuch. Immer wieder werde gefordert, dass die Drehbücher im Schweizer Film «neu, radikal und authentisch» sein müssten, sagte Direktorin Rohrer.
Was es braucht, um diese Anforderungen zu erfüllen, zeigen die Filmtage anhand gelungener Beispiele, aber auch in Form von Gesprächen mit Drehbuchautoren. Eingeladen wurde beispielsweise der Romancier Martin Suter, der auch Drehbücher verfasst.
Die 53. Filmtage stehen erstmals unter der Ägide von Präsident und Ex-FDP-Ständerat Felix Gutzwiller. Dieser nutzte die Medienkonferenz in Zürich zu einem politischen Aufruf: Er äusserte seine Bedenken zur No-Billag-Initiative, über die das Stimmvolk am 4. März 2018 abstimmt: «Die Annahme würde einen schwarzen Tag für den Schweizer Film bedeuten.» Die Filmtage arbeiten eng mit der SRG zusammen, die ihrerseits zahlreiche Schweizer Filme produziert oder subventioniert.
www.solothurnerfilmtage.ch
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