Kino-Idol Juliette Binoche
«Ich bin sehr gerne in Locarno»

Sie zählt zu den bekanntesten Schauspielerinnen Frankreichs: Juliette Binoche erklärt, weshalb sie ein grosser Fan vom Locarno Film Festival ist.
Publiziert: 07.08.2022 um 19:13 Uhr
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Aktualisiert: 08.08.2022 um 09:20 Uhr
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Binoche war schon zuvor am Filmfestival in Locarno zu Gast.
Foto: Philippe Rossier
Interview: Katja Richard

Für ihren neusten Thriller «Paradise Highway» lernte Juliette Binoche (58) LKW fahren und war mit einer echten Truckfahrerin unterwegs. Am Filmfestival in Locarno präsentierte sie das Roadmovie, in dem es um Kinder- und Sexhandel geht. Sie sei sehr gerne in Locarno, sagt Binoche. «Es ist ein starkes Festival mit viel Herz und internationaler Ausstrahlung. Hier kommen immer wieder Diamanten auf die Leinwand.»

SonntagsBlick: Frau Binoche, was hat Sie am Trucker-Leben von Frauen am meisten überrascht?
Juliette Binoche: Erst mal war ich überrascht, dass Frauen überhaupt Lastwagen fahren. Es ist ein unheimlich harter Job. Sie fahren elf Stunden, bis sie Pause haben und haben keine andere Wahl als Fast Food zu essen, da sie kaum Zeit haben, die Strasse zu verlassen. Viele dieser Frauen werden auch vergewaltigt.

Wie das?
Das passiert meist, wenn sie die Prüfung als Fahrerin machen. Die Instruktoren sind alles Männer, und sie übernachten im gleichen Sleeper. Der Film ist keine Dokumentation, aber sehr genau recherchiert und dokumentiert.

«Paradise Highway» handelt von Kinderhandel. Glauben Sie, dass er etwas verändern kann?
Ich weiss es nicht. Aber je mehr darüber gesprochen wird, desto besser. Wenn das ins Bewusstsein kommt, dann ändert sich auch etwas. Aber wer ein Kind oder einen Teenager in einem Lastwagen mitfahren sieht, sollte das sofort infrage stellen.

Es ist nicht das erste Mal, dass Sie eine Frau aus der unteren Schicht spielen. Ist das Ihre Art von Engagement?
Ich unterscheide nicht in Klassen und Schichten. Für mich ist alles menschlich. Als ich die «Liebenden von Pont-Neuf» drehte, habe ich vorher auch nicht auf der Strasse gelebt. Aber natürlich fühle ich mit Menschen sehr mit, die unter schwierigen Bedingungen leben.

Wie haben Sie die USA aus diesem Blickwinkel erlebt?
Wir waren in Mississippi. Mir wurde schnell klar, wie schwierig das Leben dort für die schwarze Bevölkerung ist. Da war diese Hitze, die Pandemie, die Arbeitslosigkeit. Und überall Monokulturen. Das ganze Land gehört wenigen Reichen, es ist noch immer die gleiche Geschichte.

Sie drehen sehr viele Filme. Wäre es Ihnen sonst langweilig?
Nein, es gibt genug andere Dinge in meinem Leben. So gesehen war die Pandemie eine sehr schöne Zeit für mich. Weil ich nicht drehen konnte, hatte ich Zeit für anderes. Ich habe an einer Übersetzung gearbeitet, ich male gerne und habe oft mit meinen Kindern gekocht. Aber ich liebe das Schauspielern. Es ist ein sehr kreativer Beruf und man involviert sein ganzes Sein – es ist jedes Mal eine Reflexion des Menschseins für mich.

Was ist aus dem Wunsch geworden, mal selber Regie zu führen?
Den gibt es noch immer. Zugleich bieten sich mir so viele Möglichkeiten als Schauspielerin mit wunderbaren Geschichten und tollen Regisseuren. Und ich weiss, wie viel Arbeit und Verantwortung dahinterstecken.

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