Es ist ein wunderbarer Frühlingssonntagsmorgen, die Vögel singen in Zürichs Gärten. Doch Jean Eichenberger leidet schwer, seine Stimme ist brüchig und kommt immer wieder ins Stocken. «Ich habe gestern den ganzen Abend geweint», sagt er gegenüber BLICK. «Seit Lys gestorben ist, bin ich ein gebrochener Mann.» Über Jahrzehnte hinweg war er ein treuer Freund der grossen Schweizer Sängerin Lys Assia, die am Samstag im Alter von 94 Jahren verstorben ist. «Ich habe sie vor bald 65 Jahren kennengelernt. Sie war eine wunderschöne, begabte und einzigartige Frau, ich habe immer von ihr geschwärmt.» Lys hiess damals noch Rosa Mina Schärer, sie hatte elf ältere Geschwister. «Mit ihr ist nun die letzte Schärer gegangen», sagt Eichenberger.
«Cindy wird es bei mir immer gut haben»
Aus der Schwärmerei erwuchs mit der Zeit eine einzigartige Vertrautheit, Eichenberger wurde Kamerad, Seelentröster und treuer Helfer in einem. Lange Zeit über kümmerte er sich um die Fanpost, verschickte ihre Autogrammkarten und war auch sonst stets für sie da. Am allerbesten in Erinnerung bleibt ihm ihre grosse Tierliebe: «Sie wollte jeweils sogar die Wespen wieder aus dem Staubsauger befreien», erinnert er sich müde lächelnd.
Ihre Hunde habe sie über alles geliebt. Chihuahua Alyja ist nun bei ihrer Haushälterin, Dackeldame Cindy bei Eichenberger. «Ich habe ihr schon vor zwei Jahren versprochen, dass ich auf ihren Hund aufpassen werde, wenn sie mal nicht mehr ist. Cindy wird es bei mir immer gut haben.» Der Freitag vor einer Woche, als er Cindy abholte, war das letzte Mal, dass er Lys Assia lebend gesehen hat. Eichenberger gerät ins Sinnieren: «Vielleicht standen ihr die Tiere in ihrer letzten Phase sogar näher als die Menschen. Sie gründete eine Stiftung für verschiedene Tierprojekte, ein Engagement, das über ihren Tod hinausgehen wird. Genauso wie ihre Stimme.»
Sie hoffte, eines Tages mit einem Lächeln einzuschlafen
Am Montag habe ihn die Sängerin noch aus dem Spital am Zollikerberg angerufen. Sie sagte, dass es ihr gar nicht gut gehe und sie auf ein Zimmer warten müsse, weil so viele Grippe-Fälle da waren. Von ihrem Tod habe er erfahren, als er im Spital anrief und nicht mehr durchgestellt werden konnte. «Die Beziehung zu Lys war nicht immer einfach. Aber ich habe sie geliebt, und die Menschen sollen sie als das in Erinnerung haben, was sie war und immer bleiben wollte: ein grossartiger Bühnenstar.» Über den Ort ihrer letzten Ruhe ist noch nichts bekannt. An ihrem 90. Geburtstag sagte sie in einem Interview: «Für mich wäre es in Ordnung, wenn man meine Asche ins Meer werfen würde, mit ein paar schönen Blumen hinterher. Ich hoffe, ich kann eines Tages mit einem Lächeln einschlafen. Das ist mir wichtiger, als ob mir später irgendwelche Menschen Rosen aufs Grab legen.»