Interview mit dem deutschen Hollywood-Regisseur Roland Emmerich
«Grosse Namen sind keine Erfolgsgaranten mehr»

Am 7. November bringt der deutsche Blockbuster-König Roland Emmerich (63) mit dem Zweit-Weltkriegs-Drama «Midway» sein neustes Actionwerk in die Kinos. BLICK hat den Mann mit dem Riecher für die ganz grossen Kisten in Zürich getroffen.
Publiziert: 19.11.2019 um 08:17 Uhr
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Roland Emmerich bei der Deutschland-Premiere von «Midway» am 24. Oktober 2019 im Arri-Kino in München.
Foto: keystone-sda.ch
Jean-Claude Galli

BLICK trifft den deutschen Star-Regisseur Roland Emmerich (63) im Boutique-Hotel Widder am Zürcher Rennweg. Emmerich ist entspannt, trägt Sportkleider samt Baseball-Cap und sieht aus, als würde er anschliessend im nahen Lindenhof-Park eigenhändig ein paar Bälle werfen wollen.

BLICK: Herr Emmerich, Sie haben am Zurich Film Festival den Ehren-Award bekommen. Wir hoffen, Sie beenden jetzt nicht gleich Ihre Karriere ...
Emmerich: (lacht schallend) Keine Angst, ich werde noch viele Filme machen.

Sie haben ein eigenes Genre erschaffen, halb Desaster, halb Science-Fiction, nun kommen Sie mit einem historischen Stoff. Alles neu bei Ihnen?
Halt, halt, ich habe zum Beispiel auch «Anonymus« gedreht oder «The Patriot». Man kann nicht bloss auf eine Sache setzen.

Was hat Sie gerade am Zweit-Weltkriegs-Stoff «Midway» gereizt?
(denkt nach) Das ist eine sehr, sehr interessante Seeschlacht ... und ich mochte Flugzeuge schon immer. Mein Onkel und mein ältester Bruder sind begeisterte Flieger. Es war diese Mischung aus Politik und was hinter den Kulissen abgeht, was auf dem Flugzeugträger und beim Gegner geschieht. Ich habe den Stoff seit 20 Jahren im Kopf, aber ich bin glücklich darüber, dass der Film gerade jetzt anläuft. Wenn man sich die Gesellschaft anguckt, in der wir leben – Nationalismus und Faschismus im Aufwind –, ist es gut, den Leuten wieder einmal zu zeigen: Es gab einmal ein Vereinigtes Amerika, welches der klassische Underdog war. Die haben damals für Demokratie gekämpft und ihr Leben gelassen. Wenn man heutige Kriege beobachtet, ist das völlig anders. Man kämpft gegen Terroristen. Und wenn man jemanden treffen will, schickt man eine Drohne oder Rakete, per Knopfdruck von Arizona nach Afghanistan.

Bei Ihrem Film hat man wirklich das Gefühl: Diese Menschen standen voll hinter ihren Handlungen …
Sie waren so erzogen worden. Die Amerikaner verfügten über ein bemerkenswertes Selbstbewusstsein als demokratische Gesellschaft. Nach dem Ersten Weltkrieg standen sie eigentlich alle für die Neutralität ein. Aber in jenem Moment, in dem sie von Japan angegriffen wurden, haben sich alle gemeldet, um bis zum letzten Atemzug für ihre Freiheit zu kämpfen.

Bei einem solchen Stoff muss man sich an Fakten halten. Hat Sie das als Freund der Fantasie nicht gelähmt?
Keineswegs. Normalerweise mache ich, was ich will. Hier habe ich viel recherchiert, von Historikern gelernt, gemerkt, was man vereinfachen muss. Und ich hatte die Unterstützung der US Army. Das war die wichtigste Voraussetzung, sonst hätte sich gar nichts bewegt. Wir haben einen spannenden Charakter als Hauptfigur gesucht und schliesslich auf den Piloten Dick Best gesetzt. Am Schluss trifft ihn die grösste Tragik seines Lebens: Er konnte nie wieder fliegen, obschon er einer der besten Piloten überhaupt war. Der wichtigste Punkt für uns aber war, dass er Familie hatte und ausser um sich selber auch um andere bangte. Er ist einer dieser normalen Menschen, die ich so mag. Sie müssen nicht grosse Dinge lernen, aber die für sie wichtigen.

Weshalb hat «Midway» so viel Zeit in Anspruch genommen?
Ich hatte Ende der 1990er-Jahre einen Riesendeal mit Sony unterschrieben und war gerade am «Godzilla»-Dreh. Da sah ich eines Nachts eine TV-Dokumentation über Midway und die grössten Seeschlachten der Welt. Mir war sofort klar: Das ist ein super Stoff, da gehts um Surprise und um Geheimdienstaktivitäten auf hoher See. Dazu kam die dramatische Bedrohungslage. Die Amerikaner waren völlig unterlegen, und die Japaner haben ein Land nach dem anderen überfallen. Am nächsten Morgen ging ich sofort zu John Calley, dem damaligen Sony-Filmchef. Der sofort anbiss. Doch bald war allen klar, dass so ein Film damals ohne digitale Möglichkeiten bis zu 140 Millionen gekostet hätte, auf heutige Verhältnisse umgerechnet etwa 250 Millionen. Die Japaner, denen das Studio gehörte, wollten natürlich nicht mitmachen. Und John selber konnte nur bis zu einer Summe von 100 Millionen bewilligen. Deswegen zog ich zuerst einmal «Patriot» vor und verschob «Midway» bis auf weiteres.

Biobox Roland Emmerich – Mr. Katastrophenfilm

Roland Emmerich wurde am 10. November 1955 in Stuttgart (D) geboren und studierte ab 1977 an der Hochschule für Fernsehen und Film in München (D). Bereits sein Abschlussfilm «Das Arche Noah Prinzip» von 1984 war ein kommerzieller Erfolg. Emmerich wirkt als Regisseur, Produzent sowie Drehbuchautor und zählt zu den erfolgreichsten Filmemachern Hollywoods. Seine Werke – darunter viele «Katastrophenfilme» wie «The Day After Tomorrow» oder «2012» – spielten weltweit mehr als vier Milliarden US-Dollar ein. Nun bringt er die Schlacht um Midway in die Kinos, die 1942 im Zweiten Weltkrieg als Wendepunkt des Pazifikkriegs gilt. Seit elf Jahren ist der in Los Angeles, London und Berlin lebende Emmerich mit Omar De Soto (33) zusammen, seit Juli 2017 sind sie verheiratet.

Roland Emmerich wurde am 10. November 1955 in Stuttgart (D) geboren und studierte ab 1977 an der Hochschule für Fernsehen und Film in München (D). Bereits sein Abschlussfilm «Das Arche Noah Prinzip» von 1984 war ein kommerzieller Erfolg. Emmerich wirkt als Regisseur, Produzent sowie Drehbuchautor und zählt zu den erfolgreichsten Filmemachern Hollywoods. Seine Werke – darunter viele «Katastrophenfilme» wie «The Day After Tomorrow» oder «2012» – spielten weltweit mehr als vier Milliarden US-Dollar ein. Nun bringt er die Schlacht um Midway in die Kinos, die 1942 im Zweiten Weltkrieg als Wendepunkt des Pazifikkriegs gilt. Seit elf Jahren ist der in Los Angeles, London und Berlin lebende Emmerich mit Omar De Soto (33) zusammen, seit Juli 2017 sind sie verheiratet.

Wir nehmen an, Sie haben die 1976er-Verfilmung gesehen?
Klar, schon als Kind. Aber heute wirkt sie etwas altmodisch. Alles wackelt, ist irgendwie schief.

Damals war ein Star-Ensemble mit Charlton Heston und Henry Fonda dabei. Sie überraschen nun auch mit frischen Gesichtern.
Wir haben versucht, so namhaft wie möglich zu besetzen, aber wir hatten nicht das ganz grosse Geld dafür. Ich habe auch das Gefühl, dass es heute gar nicht mehr so wichtig ist, wer in einem Film spielt. Eine englische TV-Serie hängt an einem Wochenende einen Brad Pitt- oder Stallone-Film an den Kassen ab. Grosse Namen sind keine Erfolgsgaranten mehr.

Apropos Besetzung: Haben Sie nicht am schrägen Woody Harrelson als Admiral Nimitz gezweifelt?
Nimitz hatte auch komische Seiten. Wir haben auf Woodys Wunsch sogar Scherze eingebaut. Man kann solche Filme nicht bierernst drehen, sonst unterhalten sie nicht. Selbst «Schindlers Liste» hatte Witz.

Was können wir aus «Midway» lernen?
Ganz wichtig ist, sich zu sagen: Krieg ist nicht gut. Beide Seiten sind so porträtiert, dass sie nur ihre Pflicht tun. Die Politiker haben den Krieg angezettelt. Es war damals eine Gesellschaft, die nicht geteilt war. Das ist jetzt in Amerika ganz schrecklich. Amerika ist eine Zweiklassengesellschaft. Ich weiss nun übrigens auch, warum einmal Bürgerkrieg ausgebrochen ist. Die Stimmung war damals offenbar sehr ähnlich wie jetzt.

Unterliegt die Entwicklung des Films eigentlich Trends und Moden?
Die Filmindustrie verändert sich konstant. Gerade sind Superheros und Reihenfilme extrem gefragt, das wird aber nicht anhalten.

Sie hatten stets einen perfekten Riecher für die nahe Zukunft: Kommt nun also das Zweit-Weltkriegs-Revival?
Das denke ich kaum, ich wollte ja einfach nur einen guten Film machen. Und die Leute erinnern sich halt immer gern. In diesem Fall können sie das zum Teil sogar selber. Tatsächlich leben noch Zeitzeugen, das muss man ausnützen. Doch die Aktualität liefert ebenfalls genug Stoff. Schauen Sie nur, was politisch gerade passiert. Wegen den Flüchtlingen rückt alles nach rechts. Und in Bewegung geraten sind diese Menschen wegen des Klimawandels. Aktuell sind es drei oder vier Millionen, in 15 Jahren könnten es Hunderte von Millionen sein. Die wollen dann wohl alle in die Schweiz und in die westlichen Industrienationen, die den Klimawandel verursacht haben. Zum Glück bin ich schon alt ...

Etwas vom Augenfälligsten in «Midway»: Es wird extrem viel geraucht. War das kein Problem bei der Durchsetzung?
Wo denken Sie hin. Das ist das Tolle, wenn man Regisseur und Produzent ist: Ich bin das Studio, niemand kann mir reinreden. Wir wollten und mussten höchstens darauf achten, dass der Film ab zwölf Jahren (in den USA PG-13) freigegeben wird. Denn wir wollen, dass der Film an den Schulen läuft und dass ihn alle sehen können. Damit es realistisch gesehen wäre, hätte übrigens noch viel mehr geraucht werden müssen. Rauchen gehörte zu jener Zeit.

Wir haben richtig Lust bekommen, wieder einmal zu rauchen …
(lacht süffisant) Ich hab früher auch geraucht, aber heute ist die Rückfallgefahr gleich null.

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