Der im Zuge der #MeToo-Bewegung in Verruf geratene Hollywood-Star Kevin Spacey (63) steht seit Donnerstag wegen des Vorwurfs vor Gericht, vor rund 35 Jahren einen Teenager sexuell belästigt zu haben. In New York begann ein vom Schauspieler Anthony Rapp (50, «Star Trek: Discovery», «Rent») angestrengter Zivilprozess gegen den zweifachen Oscar-Preisträger.
Rapp wirft Spacey vor, 1986 ihm gegenüber – damals 14 Jahre alt – übergriffig geworden zu sein. Er verlangt 40 Millionen Dollar Schadenersatz. Demnach soll der damals fast doppelt so alte Spacey Rapp bei einer Party in New York am Gesäss berührt, diesen auf ein Bett gehoben und sich dann auf ihn gelegt haben.
Beide waren im Gericht anwesend
Rapp sagte aber nach Angaben von Bundesrichter Lewis Kaplan aus, dass es während des rund zweiminütigen Vorfalls «kein Küssen, kein Ausziehen, keinen Griff unter die Kleider und keine sexualisierten Äusserungen oder Anspielungen» gegeben habe. Sowohl Spacey als auch Rapp erschienen am Donnerstag im Bundesgericht im New Yorker Stadtteil Manhattan.
Spacey erschien zur Auswahl der Geschworenen im dunkelgrauen Anzug, weissem Hemd und hellblauer Krawatte – und lächelte. Er bestreitet die 36 Jahre alten Vorwürfe und pocht auf seine Unschuld. Kaum war die Jury nach weniger als zwei Stunden zusammengestellt, begann Rapps Anwalt Peter Saghir mit dem Eröffnungsplädoyer.
Spaceys Anwältin machte Angriff auf Rapp
Saghir beschwor die Geschworenen, sich nicht von der sexuellen Orientierung des Klägers oder des Beklagten ablenken zu lassen: «Es sollte keinen Unterschied in diesem Gerichtssaal machen, ob es einem 14-jährigen Jungen oder einem 14-jährigen Mädchen widerfahren ist. Wenn Sie auch nur ansatzweise denken, dass ein Mann, der Männer liebt, kein Anrecht auf Gerechtigkeit hat – dann sollten wir jetzt alle nach Hause gehen!»
Spaceys Anwältin Jennifer Keller begann ihr Plädoyer mit einem aggressiven Angriff auf den Kläger. Sie beschrieb Rapp als «problematischen Menschen», der die sexuelle Nötigung erfunden habe, weil er eifersüchtig auf Spaceys Erfolg gewesen sei: «Wir werden zeigen, dass er diese Story in die Welt gesetzt hat, um Aufmerksamkeit und Sympathie zu bekommen und seinen Bekanntheitsgrad zu steigern!» Rapp sei nie zu einem internationalen Star wie Spacey aufgestiegen, «weshalb diese Verbitterung in ihm gegart hat».
Rapp sei neidisch, argumentiert Spaceys Anwältin
Auch dass Spacey sich lange nicht geoutet habe, sei ein Grund für Rapps Hass gewesen: «Er hat gesehen, wie Kevin Spacey einen Oscar gewann und wurde rasend. Weil er wusste, dass Kevin auf Männer stand und das verheimlichte!» Rapp habe dem «American Beauty»-Star für alles, was in seinem Leben schiefgegangen ist, verantwortlich gemacht.
Rapp hatte 1986 mit seiner Mutter in New York gelebt und war als Kinderstar am Broadway aufgetreten. Dort spielte auch Spacey, der ihn nach einem Zufallstreffen zu einer Party in sein Penthouse eingeladen haben soll. Als der Teenager allein auftauchte, habe er festgestellt, dass sonst nur Erwachsene anwesend waren. Laut seiner Klage «fühlte ich mich unwohl und habe mich in Spaceys Schlafzimmer zum Fernsehgucken zurückgezogen».
Prozess auf zwei Wochen angesetzt
Laut seines Anwalts war Michael «starr vor Entsetzen», als der angetrunkene Spacey «mit glasigen Augen und wankend» ins Schlafzimmer stolperte. Saghir: «Spacey hat den 45 Kilo leichten Anthony einfach hochgehoben und ihn aufs Bett geworfen, wie eine Braut. Dann ist er auf ihn draufgesprungen und hat sich mit vollem Gewicht gegen den Schoss von Michael gerieben.» Der entsetzte Rapp habe sich losgerissen und sei ins Badezimmer geflüchtet, wo er sich einschloss. Saghir: «Es war kein Unfall oder nur Gespiele, Spacey hat seine sexuellen Gelüste erfüllen wollen.»
Weil Aussage gegen Aussage steht, will Saghir einen Mann in den Zeugenstand rufen, dem 1981 als Teenager ähnliches wie sein Mandant widerfahren sein soll. Spacey würdigte den Anwalt der Gegenseite oder Rapp keines Blickes. Während Saghir sein Eröffnungsplädoyer hielt, zappelte der 63-Jährige immer wieder auf seinem Stuhl oder flüsterte etwas seinem Anwaltsteam zu. Der Prozess wurde auf mindesten zwei Wochen angesetzt.
Der aus Filmen wie «Die üblichen Verdächtigen» und «American Beauty» sowie der erfolgreichen Netflix-Serie «House of Cards» bekannte Spacey war lange Zeit ein gefeierter Hollywood-Star. Wegen Missbrauchsvorwürfen im Zuge der vor fünf Jahren entstandenen #MeToo-Bewegung wurde der Darsteller aber schlagartig zum Geächteten.
Spacey entschuldigte sich
Die #MeToo-Bewegung gegen sexuelle Gewalt insbesondere in der Filmbranche hatte im Oktober 2017 mit einem Enthüllungsartikel der «New York Times» gegen den mächtigen Filmproduzenten Harvey Weinstein (70) begonnen. In der Folge wurden Vorwürfe gegen zahlreiche prominente Filmschaffende laut.
Rapp machte Ende Oktober 2017 seine Vorwürfe gegen Spacey in einem Interview öffentlich. Am nächsten Tag entschuldigte sich Spacey für «äusserst unangemessenes Verhalten in betrunkenem Zustand». Er könne sich an den Vorfall aber nicht erinnern.
Vorwurf der sexuellen Aggression nicht zugelassen
2020 stellte Rapp eine Strafanzeige gegen Spacey wegen des Vorwurfs eines sexuellen Angriffs. Ein Richter verwarf die Anzeige aber. Der Schauspieler reichte daraufhin eine Zivilklage ein.
Der jetzt zuständige Bundesrichter Kaplan hat den Vorwurf einer sexuellen Aggression wegen Verjährungsfristen nicht für den Prozess zugelassen. Im Raum steht aber der Vorwurf der Gewaltanwendung und des Zufügens von seelischem Leid. Spaceys Anwältin Jennifer Keller erklärte vor dem Auftakt des Prozesses, ihr Mandant freue sich darauf, sich vor einer «unparteiischen Jury» verteidigen zu können.
Mehrere Anschuldigungen gegen Spacey
Rapps Vorwürfe gegen Spacey sind nicht die einzigen Anschuldigungen gegen den Oscar-Preisträger. In Grossbritannien werden Spacey vier Übergriffe gegen drei Männer in den Jahren 2005 bis 2013 zur Last gelegt. Im Juli plädierte Spacey vor einem Gericht in London auf nicht schuldig.
Im US-Bundesstaat Massachusetts wurden Ermittlungen gegen Spacey wegen des Vorwurfs eines sexuellen Übergriffs im Sommer 2019 eingestellt. Ein zum Zeitpunkt des Vorfalls 18-Jähriger hatte Spacey vorgeworfen, ihn im Sommer 2016 auf der US-Urlaubsinsel Nantucket betrunken gemacht und ihm in den Schritt gefasst zu haben. (cth/AFP)