«Als ich anfing, wurde ich wegen meiner Hautfarbe für bestimmte Shows nicht gebucht. Ich habe mich davon nicht aus der Ruhe bringen lassen.» Das schrieb Naomi Campbell in ihrer zweibändigen Autobiografie «Naomi Campbell», die in limitierter Zahl umgerechnet zum Preis von 2800 Franken erhältlich ist. «Ich verstand, was es bedeutete, schwarz zu sein. Man musste sich extra anstrengen. Man musste doppelt so gut sein.»
Campbell wuchs in den Siebzigern in Süd-London bei ihrer Grossmutter auf. Ihre Mutter tourte als Tänzerin durch Europa, während Naomi eine Schauspielschule für Kinder besuchte. Schon damals trat sie im Fernsehen und in Musikvideos auf, unter anderem in Bob Marleys «Is This Love». Später war sie in Videos von Michael Jackson (1958–2009), Aretha Franklin (1942–2018), George Michael (1963–2016) und Jay-Z (50) zu sehen.
Naomi Campbell flog mit 16 regelmässig nach Paris
Mit 15 wurde sie als Fotomodell entdeckt. Ihre Mutter war dagegen, doch Campbell setzte sich schliesslich durch. Schon mit 16 flog sie regelmässig für Aufnahmen nach Paris. Dort lernte sie den tunesischen Designer Azzedine Alaïa (1935–2017) kennen, der sie als Vaterfigur unter seine Fittiche nahm und in die Welt der Stars einführte: Tina Turner (80), Jerry Hall (63), Grace Jones (72) und Quincy Jones (87) wurden zu Freunden.
Titelblatt für Titelblatt arbeitete sich das Model jamaikanisch-chinesischer Herkunft hoch und musste immer wieder mit Vorurteilen und Diskriminierungen kämpfen. Die gefürchtete Chefin der amerikanischen Vogue, Anna Wintour (70), hievte sie schliesslich als erstes schwarzes Model auf das Cover der wichtigen September-Ausgabe. «Ich glaube, sie hat dafür viel Kritik geerntet», verriet Campbell in ihrer Autobiografie. «Ich werde ihr ewig dankbar sein.» Auch ihre Supermodel-Freundinnen Christy Turlington (51) und Linda Evangelista (55) halfen ihr. «Sie sagten bestimmten Designern, wenn sie sie in ihrer Show haben wollten, müssten sie auch mich buchen. Diese Art von Unterstützung war einmalig.»
Zwischen Wohltätigkeit und Wutausbrüchen
Naomi Campbell ist ein Weltstar mit Widersprüchen. Zum einen gründete sie 2005 die gemeinnützige Organisation Fashion For Relief, um mit Hilfe von Modeshows Geld für die Opfer des Hurrikans Katrina, des japanischen Tsunamis und der Ebola-Epidemie in ganz Westafrika zu sammeln. Auslöser dafür war ihre Freundschaft mit Nelson Mandela (1918-2013), der für sie wie ein «Grossvater» war, wie sie selbst sagte. In letzter Zeit sammelte sie vor allem Geld für Bildungsprogramme in Afrika. «Der grösste Teil der Bevölkerung ist unter 30 Jahre alt. Sie brauchen diese Bildung», erklärte das Supermodel dem US-Sender CNN.
Auf der anderen Seite ist Campbell für ihre Wutanfälle berüchtigt; viermal wurde sie wegen Körperverletzung verurteilt. Ihr letzter Auftritt vor Gericht war 2010, als sie im «Blutdiamanten»-Prozess gegen den ehemaligen liberianischen Präsidenten und Kriegsverbrecher Charles Taylor aussagen musste.
Campbell steht zu ihren Fehlern: «Ich habe aus ihnen gelernt», sagte sie der «Vogue Arabia». Und in der britischen «Jonathan Ross Show» gab sie zu: «Ich glaube, ich habe das Wort ‹Wutmanagement› berühmt gemacht». Sie war in Therapie, nahm jahrelang an Treffen der Drogenselbsthilfegruppe Narcotics Anonymous teil: «Ich möchte im Licht bleiben», erklärte sie dem «Guardian» im vergangenen Jahr. «Ich möchte nicht in der Dunkelheit sein. Ich habe keine Depression, aber psychische Gesundheit ist mir sehr wichtig.»
Naomi Campbell ist ihre Gesundheit wichtig
Und auch ihre Gesundheit generell: In einem Video von 2019 holte sie im Flugzeug Handschuhe und Desinfektionstücher heraus und wischte ihren Sitz in der ersten Klasse gründlich ab. «Es ist mir egal, was die Leute über mich denken», sagte sie, während sie putzte. «Es ist meine Gesundheit und ich fühle mich besser.»
Nun hat sie im März die Fortsetzung veröffentlicht: «Früher haben die Leute mich wirklich ausgelacht», erklärte sie und demonstrierte, wie sie sich nun auf Flügen professionell mit Brille, Mundschutz, Schutzanzug und Burberry-Cape vor dem Corona-Virus schützt. «Jetzt bin ich nicht lächerlich.»
Freunde wie Cindy Crawford (54), Sharon Stone (62) und Sean «Diddy» Combs (50) trifft die Wahl-New Yorkerin derzeit nur noch per Video-Chat: In ihrer neuen Youtube-Serie «No Filter with Naomi» versucht sie zusammen mit anderen Superstars zu beweisen, wie bodenständig sie mit der Corona-Pandemie umgehen. (sda/paf)
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